Kurznachrichten von bis zu 140 Zeichen verbreiten die Nutzer des Mikro-Blogging-Dienstes Twitter. Der Seitentitel lässt sich dabei mit „Gezwitscher“ oder auch „Geschnatter“ ins Deutsche übersetzen. Und so schreiben die Nutzer auch in der Tat über alles, was sie gerade bewegt. Ob man nun gerade zum Joggen geht oder sich über eine politische Entwicklung Luft macht – fast alle Neuigkeiten der Nutzer werden zu einem „Tweet“, einem Gezwitscher.
Die große Stärke des Dienstes ist dabei die schnelle und direkte Kommunikation, die besonders bei bedeutenderen Ereignissen ihre Stärke ausspielen kann. Letzte Woche machte im Internet die Nachricht die Runde, ein Twitterer namens Mike Wilson habe online über einen glimpflich abgelaufenen Flugzeugabsturz berichtet, noch bevor er sich bei seiner Frau gemeldet habe. Eine andere Verwendung zeigte sich bei der jüngsten amerikanischen Präsidentschaftswahl, wo eine Wahlbeobachtung auf Unregelmäßigkeiten jeglicher Art bei Twitter zu verfolgen war.
In Deutschland hat Twitter, wie viele andere Soziale Netzwerke, nicht die Verbreitung und vor allem Bedeutung, die es beispielsweise in Amerika aufweist. Doch auch hier wächst die Szene von Tag zu Tag und ist gerade auf politischem Gebiet rasant im Kommen. Neben tatsächlich einigen prominenten Politikern, die das Angebot nutzen, tummeln sich zwar unter wichtigen Namen hauptsächlich gefälschte Profile. Eine politische Öffentlichkeit mit großem Diskussionsbedarf hat sich aber bereits heraus gebildet.
Politische Twitterer in Hessen
Die hessische Twitter-Nutzung ist vor dem Hintergrund der eher schwachen Benutzung in Deutschland nicht wirklich schlecht. Zwar nutzt kein Landesverband einer der fünf im Landtag vertretenen Parteien den Mikro-Blogging-Dienst. Dafür finden sich jedoch immerhin eine handvoll hessische Politiker.
Lasse Becker von den Jungen Liberalen zum Beispiel tritt in Kassel als Direktkandidat der FDP an und twittert seit dem 26. November. Ebenfalls seit November dabei ist Daniel Mack, der auf Platz 20 der Grünen Landesliste kandidiert. Seine Updates allerdings sind nicht öffentlich einsehbar, man muss ihm dazu erst eine Anfrage schicken. Auch der Offenbacher Direktkandidat Ansgar Dittmar twittert seit November, kommt aber nicht auf halb so viele Nachrichten wie Becker und Mack. Diesen Rückstand sieht man auch an den Followern, also den Mitlesern, bei denen Dittmar ebenfalls weniger als die Hälfte vorweisen kann. Alle drei sind jedoch noch keine Landtagsabgeordneten, sondern treten das erste mal oder wiederholt an.
Die wohl „prominenteste“ Twitter-Nutzerin und nach unseren Recherchen einziges twitterndes MdL ist die Spitzenkandidaten der hessischen Grünen, Kordula Schulz-Asche. Seit Mitte Dezember berichtet sie über einige ihrer Termine. Leider kommt inhaltlich oft nicht mehr an, als ein schlichtes Fahrtenbuch – nicht mehr Infos, als wo sie sich gerade befindet.
Der Inhalt der Tweets ist gerade für den politischen Einsatz im Wahlkampf eine wichtige, aber weitgehend offene Frage. Natürlich ist Aktualität das A und O von Twitter, aber Twitter ist eben nicht nur Kurznachrichtendienst, sondern auch ein Soziales Netzwerk. Der Kontakt unter den Twitterern ist also immens wichtig. Über die „Replies“ kann jeder Nutzer auf ein beliebiges Update eines anderen reagieren. Gerade durch die sich oft ganz spontan entspinnenden Debatten bekommt Twitter als politisches Kommunikationsmittel erst richtig leben.
Diese Interaktivität geht bei Schulz-Asche noch etwas verloren, gerade eine Antwort hat sie bisher selbst geschrieben. Die anderen erwähnten Twitterer nutzen das schon weit mehr. Becker, Mack und Dittmar schreiben sich fleißig mit ihren Lesern hin und her. Der Liberale Becker beispielsweise diskutierte in den letzten Tagen mit Monne Lentz von der Grünen Jugend Hessen über die Frauenquote der Landeslisten.
Fazit
Insgesamt bin ich überrascht, dass doch so viele Landespolitiker Twitter tatsächlich nutzen. Natürlich gibt es auch hier immer noch Verbesserungspotenzial, ich würde mir bei manchen einfach mehr politische Positionen und Meinungen zu aktuellen Themen wünschen. Ein Hinweis, der auch für die noch nicht bei Twitter vertretenen Politiker interessant sein könnte. Warum kommentieren die Spitzenkandidaten von Koch bis Al-Wazir nicht ihre morgendliche Zeitungslektüre im Dienstwagen? Ganz schnell und knapp kann man so eben Stellung beziehen – und Zeit hat man auf der Rückbank sicherlich mehr als im restlichen Lauf des Tages.
Vielleicht ist es auch gar nicht so falsch, dass kein Landesverband Twitter benutzt. Der Dienst lebt schon stark von dem teilnehmenden Persönlichkeiten und ist nicht unbedingt leicht von einer Organisation zu bedienen. Ein Beispiel, sollte man es dennoch versuchen wollen, könnte die Redaktion des Twitter-Accounts von ZEIT Online sein. Dort schreiben einfach mehrere Autoren auf einem Namen – und signieren die Nachrichten mit ihrem Kürzel.
In einer weiteren Serie zur Hessenwahl 2009 untersucht Homo Politicus die Nutzung von Sozialen Netzwerken durch die fünf im Landtag vertretenen Parteien. Neben dem zum Auftakt vorgestellten Mikro-Blogging-Dienst Twitter sollen dabei vor allem noch YouTube und Facebook betrachtet werden.
Die Twitterer wurden in den letzten Wochen sowohl über die Namen ihrer Partei wie auch über jeweils aktuell politische Stichworte gesucht. Sollten dabei einzelne Auftritte nicht berücksichtigt werden, so kann das schon daran liegen, das wir sie einfach nicht gefunden haben. In dem Fall bitten wir um einen Hinweis in den Kommentaren.
Bild: Flickr action datsun
Neben dem Vorsitzenden der hessischen Julis, Lasse Becker, twittert auch die Vorsitzende der Grünen Jugend in Hessen, Angela Dorn (bislang jedoch weniger aktiv), die für die Grünen bei der Landtagswahl auf Listenplatz 13 kandidiert.
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Heute fand das wohl erste politische Twitter-Interview in Deutschland statt, Robert Basic interviewte Thorsten Schäfer-Gümbel:
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