Wal mit Scheuklappen

Die „Wahl im Web“ zur Europa-Wahl kämpfte mit ähnlichen Problemen wie die letzte Ausgabe zur Landtagswahl im Hessen. Die Sendung schlingerte zwischen aktueller Webbeobachtung, erklärenden Expertengesprächen und Rückbetrachtung des Wahlkampfs.

screen3Natürlich muss auch eine Sendung, die sich mit der Aufnahme der Wahl im Internet beschäftigt, die komplizierte Welt der EU erklären. Ein Job, den Professor Christian Calliess von der FU Berlin auch ganz hervorragend bestritten hat. Auch Dr. Christoph Bieber von meiner Heimatuni in Gießen konnte mit seinen Erläuterungen zum Thema Netz und Politik sicherlich Vielen komplexe Sachverhalte näher bringen. Professor Karl-Rudolf Korte war zwar nebenan in der ZDF-Hauptsendung zu Gast, mischte sich aber per Twitter-Nachrichten mit interessanten, teils kontroversen Analysen des Wahlergebnisses ein.

Dennoch fehlte wieder ein wenig der namensgebende Charakter der Sendung. Dr. Bieber hatte in seinem Blog, auch von Kavka angesprochen, eine Vorherrschaft von Twitter für die Sendungsgestaltung vorhergesagt – und wurde nicht bestätigt. Die Besuche bei den „Twitter-Scouts“ waren keineswegs prägend für die Sendung, sondern eher auflockerndes Zwischengeplänkel. Auch die Twitter-Scouts selbst müssen sich fragen lassen, ob wirklich die ausgewählten Kurznachrichten die Richtigen waren und man nicht mehr ins Detail und auf die Meinungsäußerung der Nutzer hätte eingehen sollen.

screen2Die angekündigte europaweite Ausrichtung der Netzrecherchen konnten nicht wirklich überzeugen. Interessante Hinweise kamen vor allem von den polnischen und ungarischen Gästen, die über ihre heimische Netzwelt und die politischen Bedingungen vor Ort berichteten. Solche Elemente hätten ausgebaut werden müssen- während ich auf einen rappenden Halbnazi Strache, einen pöbelnden Berlusconi und die Freundeszahlen von Sarkozy bei Facebook hätte verzichten können.

Bemerkenswert waren in jedem Fall die Besuche der Spitzenkandidaten von CDU und Grünen. Hans-Gert Pöttering und Reinhard Bütikofer besuchten die „Wahl im Web“ und stellten sich den Zuschauerfrage aus dem Chat. Dass nicht alle Spitzenkandidaten kommen konnten oder wollten, schmälert diesen Erfolg nicht.

Im Vergleich zur letzten, bewusst studentisch und unprofessionell gehaltenen Ausgabe aus dem Gießener Hörsaal wirkte schon das Set in Berlin viel anspruchsvoller. Da fällt es aber auch mehr auf, wenn die Sendung zwischenzeitlich chaotisch, konzeptlos oder ziellos wirkt. Markus Kavka hatte eine große Aufgabe zu bewältigen, nämlich alle Beteiligten und auch noch zahlreiche Gäste zu Wort kommen zu lassen. Nicht immer passte das zum Konzept der Sendung.

Zwei Ausgaben von „Wahl im Web“ stehen für dieses Jahr noch auf dem Programm, angekündigt für die Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen am 30. August und natürlich die Bundestagswahl am 27. September. Für die beiden Sendungen sollte das ZDF das Netz noch weiter in den Vordergrund rücken und so dem Namen der Sendung mehr Inhalt verleihen. Einen sehr guten, lobenswerten und innovativen Ansatz hat das ZDF aber auch mit den beiden ersten Ausgaben gezeigt.

Alle Bilder: Screenshots, ZDF

5 Gedanken zu „Wal mit Scheuklappen

  1. Fand die sendung echt klasse, hoffe bei den nächten wahlen wird es die gleiche senden wirder geben..war schön die im tv zu sehen und per twitter zu follown :)

  2. Stimmt, da gibt´s noch viel zu verbessern. Elend langsame Chat Moderation (die auch hier und da den Verdacht aufkommen ließ, es würde zensiert), viel zu ausgewalztes, inhaltsfreies und/oder ohne Kontext nicht verständliches blabla über internationale Youtube Witzvideos und „Neger vor Hütten“-Kommentare von Kavka. (Wer´s nicht kennt: das bedeutet, dass er lediglich das Bild beschrieben hat, das man ohnehin sah, statt eine Zusatzinfo zu liefern.)
    Eine „Schnelle Sendung“ zu machen heißt nicht, ständig Leuten das Wort abzuschneiden um ins nächsten Thema zu springen. Wirkt nicht schnell, nur unsicher und unruhig.

  3. Ahoi Chritian,
    ich muss dir in deiner Einschätzung voll und ganz Recht geben. Vor Allem was Konzeptlosigkeit, den möglichen Ausbau der nationalen Netzrecherche und ungenügenden Einsatz von Twitter betrifft.

    Das Format finde ich trotzdem super. Man zeigt Interesse an den jüngeren Zuschauern. Malte war in den wenigen Minuten, die er vor der Kamera verbracht hat unglaublich locker, hat mir gefallen. Dr. Bieber fand ich sehr gut. Er hat Ahnung und hat die Informationen gut rüber gebracht. Ziemlich gut fand ich seine Anmerkung zur Piratenpartei, als der ZDF Moderator sein Halbwissen unters Volk streuen wollte.

  4. Fand die sendung echt klasse, hoffe bei den nächten wahlen wird es die gleiche senden wirder geben..war schön die im tv zu sehen und per twitter zu follown :)
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    Hab die Show damals auch verfolgt, war wirklich eine top Sendung und ich hoffe genauso, dass es bei nächsten mal wieder so sein wird! Aber mal ehrlich Kavka ist doch ne echt coole Sau, oder?

  5. Auch ich kann mich sehr gut an die Sendungen damals erinnern und habe es ebenfalls zusätzlich über das Internet und per Twitter verfolgt. Schade, dass es sowas bis jetzt nicht uns in Österreich gegeben hat bzw. gibt. Ich liebe den Kavka und vor allem seine richtig coolen Sprüche ohne dabei auch wichtigtuerisch rüber zu kommen. Eben Kavkaesk! :) LG, Mia

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