Zeiten ändern sich

Mit der Bekanntgabe seines Twitterprofils sorgte Regierungssprecher Steffen Seibert heute für einige Aufmerksamkeit im Internet und sammelt seitdem in rasantem Tempo Follower. Seibert hat also allem Anschein nach Twitter für sich entdeckt und darin einen neuen, sinnvollen Informationsweg  für die Bundesregierung gefunden. Doch das war nicht immer so.

Zeiten ändern sich und Menschen auch. Steffen Seibert, seit August 2010 Sprecher der Bundesregierung, ist heute mit einem eigenen Twitteraccount online gegangen und schaffte es durch unzählige Retweets sofort in die Timeline der halben deutschen Twittergemeinde. Und so blickt Seibert nach nicht einmal vier Stunden auf 2,803 Follower (Update 21:20 Uhr: 3,584).

Twitteraccount von Steffen Seibert

Durch die unglaubliche Aufmerksamkeit ist Seiberts Profil derzeit nur über die Twitter-API bzw. über die mobile Twitterseite abrufbar.

Nicht uninteressant erscheint Steffen Seiberts Twitterstart aber aus ganz anderer Perspektive. Vor seinem Karrieresprung nach Berlin war er den meisten als Anchorman der ZDF Nachrichtensendung „heute“  bekannt. Außerdem moderierte er im Herbst 2009 und Frühjahr 2010 die Sendung „Erst fragen, dann wählen“, zur Bundestagswahl und Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. In dieser Sendung war ich selbst damals, zusammen mit @Herr_Marx und @fabianpingel, als sogenannter Twitterscout mit von der Partie und hatte die Aufgabe während der Sendung Fragen und Kommentare der Zuschauer zu beantworten und zu sammeln (hier, hier und hier gab es bei uns im Blog bereits Beiträge dazu). Steffen Seibert zeigte sich im Rahmen der Sendung äußert kritisch gegenüber dieser, damals in Deutschland allgemein noch unbekannteren Kommunikationsplattform. So bezeichnete er Twitter als buntes Rauschen und fragte, ob da nicht hauptsächlich Wichtigtuer am Werk seien.

In einer Sendung von Johannes B. Kerner einige Zeit nach der ersten „Erst fragen, dann wählen“-Sendung hatte Seibert sich zwar etwas auf die Seite von Twitter gestellt – so erkannte er den Bedeutungsgewinn von Twitter durch die Proteste im Iran und gestand, dass ihm selbst, als Journalisten, die Plattform wichtige Informationen liefern würde. Trotzdem pflichtete er Kerner bei, der Twitter in seiner Sendung von A bis Z herunterputzte und wüst beschimpfte. Zitat Kerner: „Ich habe auch nicht vor, das anzufangen, weil (…) ich es für die Pest halte“ (Anm.: Die Sendungsmitschnitte bei YouTube wurden inzwischen leider alle entfernt). Seibert selbst stellte sich dem nicht wirklich entgegen und zeigte sich eher auch besorgt angesichts des Mißbrauchspotentials durch Fakeprofile und und dem hohen Maß an Unkontrollierbarkeit.

Woher also der Sinneswandel?
Insgesamt kein neuer Effekt, schon eine ganze Reihe von Medien und Politikern hatten über Twitter abgezogen und waren kurze Zeit später bereits die größten Anhänger der Plattform. So machte sich Spiegel-Online bspw. noch im Herbst 2008 über den twitternden SPD-Generalsekretär Hubertus Heil lustig, um später in den eigenen Follower Wettbewerb mit @saschalobo einzusteigen und sich in seiner Berichterstattung über die Proteste in Libyen, Ägypten und Tunesien in jüngster Vergangenheit immer häufiger auf Twitternachrichten zu berufen.
Und auch Johannes B. Kerner scheint seine Schimpftiraden schnell vergessen zu haben, so twittert er inzwischen bereits seit einiger Zeit mit seinem Redaktionsteam unter @kernersat1 und macht Werbung für seine Twitteraktivitäten, so als habe er nie eine andere Meinung vertreten.

Doch zurück zu Steffen Seibert: Viel spannender als die Frage nach seinem Sinneswandel, ist derzeit die Frage, was er zukünftig mit seinem neu geschaffenen Twitteraccount vorhat. Wird er über Twitter wirklich einen neuen Kommunikationsweg hin zur Bundesregierung etablieren? Wird er als Regierungssprecher zukünftig auf @replies reagieren und verfolgen (lassen), was die Menschen bei Twitter gerade bewegt? Oder wird Seibert lediglich einen weiteren Kanal aufbauen, über den von oben nach unten, im Stil eines kurzweiligen E-Mail-Verteilers, kommuniziert wird? Derzeit spricht die Anzahl der Profile, denen er folgt jedenfalls Bände: „0“. Zumindest den Twitterern aus dem direkten und indirekten Regierungsumfeld, wie @kristinakoehler, hätte er durchaus folgen können.

Vor allem aber bleibt spannend, ob die Erstellung der Twitteraccount Seiberts erster und letzter Ausflug in die sozialen Medien war oder ob wir ihn bald auch auf Facebook „liken“ können. Die Vanity-URL ist zumindest noch nicht vergeben.

5 Gedanken zu „Zeiten ändern sich

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