Transparenz im Landtag

Im Hessischen Landtag tagt ein Untersuchungsausschuss zur Steuerfander-Affäre. Ein eifriger Blogger berichtet dazu fast im Wortlaut live aus der Sitzung – was den Vorsitzenden Leif Blum (FDP) scheinbar gehörig empört hat. Jedenfalls hat Blum es untersagt, eine wörtliche Abschrift aus dem Ausschuss zu veröffentlichen. Dabei bezieht er sich auf eine recht wackelige Rechtsgrundlage. hr-online berichtet:

Auch ein Vertreter des Whistleblower-Netzwerks, der live im Internet von der Sitzung berichtete, verursachte Blum offenbar Magenschmerzen. Der Blogger protokollierte viele Fragen und Antworten der öffentlichen Sitzung weitgehend mit. Blum sagte, die Veröffentlichung gebe fast den Wortlaut wieder und komme einer ebenfalls verbotenen Tonaufzeichnung gleich. Er bat den Blogger, seine Arbeit einzustellen und drohte mit Zwangsmaßnahmen. Dieser setzte seinen Blog aber in gleicher Weise fort.

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NRW-Blogs ersetzen die Presse

Wenn dieser Tage über das Ergebnis der Landtagswahl am kommenden Sonntag spekuliert wird, kommt schnell die Sprache auf die Skandale der Rüttgers-CDU. Immer wieder tauchten in den vergangenen Monaten Berichte auf, wie die CDU Regierungs- und Parteiarbeit nicht sauber trennte oder welche Arbeitsbedingungen in den Büros herrschten. Die brisanten Details stammten aber nicht aus den Redaktionscomputern der Presse, sondern wurden auf Blogs veröffentlicht. Ein Blick auf die Weblogs rund um die NRW-Wahl.


Blogs haben Tradition in Nordrhein-Westfalen, bei den Sozialdemokraten bloggt man schon seit der Landtagswahl 2005. Aber nicht nur die SPD betreibt ein Blog, auch die CDU und die Grünen bespielen solche Plattformen. Dabei verfolgen die Parteien unterschiedliche Konzepte. Die SPD möchte, so der Untertitel des Blogs, aufschreiben, was zwischendurch passiert. In der heißen Wahlkampfphase jedoch werden sich die Beiträge immer ähnlicher. Neue Umfragewerte der SPD werden notiert, auf die Videos der Unterstützerkampagne des Kraftvolls wird verwiesen und Presseberichte werden verlinkt. Bei der CDU wird es noch zurückhaltender. Die Beiträge kommen weniger häufig und sind mehr als Verlautbarungsorgan der Kampagnenmaschine zu verstehen. Bei den Grünen versucht man dem entgegen zu wirken, indem man zahlreiche Autoren gewonnen hat. Bundestagsabgeordnete der NRW-Grünen schreiben ebenso selbst wie die Landesvorsitzenden, die Spitzenkandidatin oder Direktkandidaten. Die größere Bedeutung im aktuellen Wahlkampf aber haben nicht die Parteiblogs, sondern eine ganz neue Gattung.

Bei Wir in NRW schreiben Journalisten, die von ihren Zeitungen nicht genug Freiraum bekommen. David Schraven erklärt bei den Ruhrbaronen:

Betreiber des Blog ist Alfons Pieper. Genau, der ehemalige langjährige Vize-Chefredakteur der WAZ. Ein politisches Schwergewicht mit dicken Drähten in die Landesverwaltung. Dazu kommen einige handverlesene Autoren, die unter Tucholsky-Pseudonymen Interna aus dem Haus Rüttgers verbreiten. Und aus dem Lager der CDU stammen. Es heißt, ihnen sei peinlich, wie Rüttgers seine eigene Partei stromlinienförmig gestriegelt habe. Und dagegen wollten sie sich wehren. Im Dienste der Demokratie. Ich nehme den Leuten das ab.

Michael Spreng sieht ebenfalls eine direkte Verbindung zur CDU. Die geheimnisvolle Quelle nennt er Mister X:

Dieser Mister X (dahinter stecken ehemalige CDU-Mitarbeiter, die Rüttgers nur zu gut kennt) ist ein medienerfahrener Mann, der weiß, mit welchem Timing die Enthüllungen ihre schädlichste Kraft entfalten. Zusammen mit dem schwarz-gelben Chaos in Berlin ist dies eine so unheilvolle Kombination, dass wahrscheinlich auch stärkere Naturen als Rüttgers wenig dagegen ausrichten könnten. Aber noch eine Woche muss er diesen Zangenangriff durchstehen. Wahlkampf ist wirklich kein Vergnügen.

Es ist schon faszinierend, dass politische Blogs nach 2005 noch einmal zu einiger Bedeutung kommen in Deutschland, ohne dass sie im engsten Sinne als Blogs zu sehen sind. Natürlich, die Beitragsform und die Veröffentlichungsart sind die eines Blogs, aber es scheint sich mehr um einen Ausweg für politisch gegängelte Journalisten zu handeln. Die engen Quellenverbindungen der Nachrichtenmacher in die Parteizentralen würden einem Blogger nie offen stehen.

Die Frage nach der Bedeutung der Blogs im Landtagswahlkampf sollte also eigentlich umformuliert werden und lauten: Wie schlimm ist es eigentlich bestellt um die politische Presse in Nordrhein-Westfalen?