Facebook als Bolognaplattfom

Bereits vor einiger Zeit haben wir uns an dieser Stelle mit der von dana boyd konstatierten Zweiklassengesellschaft im Internet auseinander gesetzt („Zweiklassensystem im Internet„). boyd ist der Meinung, dass (für die USA gesehen) eine Konkurrenz zwischen den beiden Plattformen Facebook und MySpace entstanden sei, die sich inzwischen bis zu einem Zweiklassensystem stilisiert hätte.

Inzwischen wurde diese Idee beispielsweise von Mercedes Bunz weiterentwickelt, die von einer Konkurrenz zwischen Twitter und den Facebook-Statusmeldungen ausgeht („The war of private news has just begun: facebook vs. twitter“). Auch deshalb lohnt sich nun ein genauerer Blick auf die Situation in Deutschland.

StudiVZ vs. Facebook

Betrachtet man die beiden unter jungen Erwachsenen besonders beliebten sozialen Netzwerke StudiVZ und Facebook kann man zu ähnlichen Ergebnissen wie boyd kommen. So spaltet sich die deutsche Studierendenschaft mehr denn je in StudiVZ- und Facebook-Anhänger. Bislang gibt es nur wenige, die mehrere Plattformen gleichzeitig nutzen. Besitzen sie doch mehrere Profile nebeneinander, werden diese häufig nicht in gleicher Weise genutzt. 2006 noch war StudiVZ eine Art Geheimtipp unter den Studierenden. Rasch konnte die Plattform eine immer größere Aufmerksamkeit und Nutzerzahl erreichen. Doch während StudiVZ zunächst vor allem ein Netzwerk der netzaffineren Studierenden darstellte kamen neben der weiteren Studierendenschaft nach und nach auch immer mehr Menschen außerhalb der Hörsäle hinzu. Dies führte letztlich auch zu der Gründung von SchuelerVZ und MeinVZ. Doch zeitgleich konnte Facebook in Deutschland an Einfluss gewinnen. Anders als in den meisten Ländern weltweit gehört Facebook, durch die frühe und starke Konkurrenz von StudiVZ, in Deutschland nicht zu dem reichweitenstärksten Netzwerken. Da Facebook jedoch das Ziel hat, auch in Deutschland eine Vormachtstellung aufzubauen, ist ein Kampf um die Studierendenschaft entbrannt.

Facebook als Bolognaplattform

Facebook konnte vor allem bei international ausgerichteten Studenten punkten, die beispielsweise nach einem Auslandsaufenthalt über die Plattform mit weltweiten Freunden in Kontakt bleiben können. Hier stellt es sich als Vorteil dar, dass Facebook die Beliebtheitsskala in den meisten Ländern anführt und dadurch das weltweit größte Netzwerk darstellt. StudiVZ wiederum vereint zwar in Deutschland die meisten Profile auf sich ist jedoch nicht international ausgerichtet. Dadurch tritt Facebook immer mehr als Netzwerk der weltweit orientierten Studierenden auf. StudiVZ dagegen hat sich mehr als lokal begrenztes Netzwerk positioniert. Man kann dabei zwar nicht wie boyd zwischen „ghetto“ und „honor-kids“ unterscheiden, sondern eher zwischen Facebook als Bologna-Netzwerk und StudiVZ als Netzwerk der alten Schule alten Studienordnung. Nicht nur die Studenten haben sich den Veränderungen angepasst und ihr Studium internationaler ausgerichtet, sondern auch deren digitalen Netzwerke, denen sie sich bedienen um miteinander zu kommunizieren. Die Studierendenschaft in den deutschen Hörsälen setzt sich also nicht nur realweltlich aus den verschiedensten Gesellschaftsgruppen zusammen sondern erscheint auch digital als dispers.

„cultural wall“

Doch Facebook und StudiVZ weisen keine Schnittstellen auf, die es ermöglichen beide Plattformen miteinander zu verbinden. Deshalb sind die Nutzergruppen räumlich voneinander getrennt. Die von boyd ausgemachte „cultural wall“ verhindert eine gemeinsame Kommunikation.

Bild: flickr.com (Paolo Màrgari)

Einmal Zukunft und zurück

Bereits nach dem ersten Tag des Personal Democracy Forum („Technology is changing politics“) muss man sich als deutscher Konferenzteilnehmer mit der Frage auseinandersetzen, was bei uns derzeit alles falsch läuft.

Schon in der Begrüßungsrede rief Andrew Rasiej die Regierungen auf, entschieden gegen eine Zensur im Internet zu arbeiten. Mehrfach griffen auch andere Redner das Thema auf und teilten bewusst Seitenhiebe nach Europa aus. Gemeint war damit sicherlich auch Deutschland, das derzeit gefährlich Entwicklungen in dem Gebiet zeigt. Vielen Referenten und Teilnehmern scheint es aber auch nicht bewusst zu sein, welche Netzpolitik zur Zeit in Deutschland gemacht wird.

dana boyd stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob jemand überhaupt Social Network Sites benutzt, sonder nur noch um die Auswahl aus dem reichhaltigen Angebot von MySpace bis Facebook.

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boyd, die genauso wie die beiden anderen Hauptacts des heutigen Tages Jeff Javis und David Weinberger ihr Können als Rednerin bewies, sprach deshalb zum Thema „Zweiklassengesellschaft in Social Network Sites“ anhand der beiden Plattformen Facebook und MySpace. Sie betonte innerhalb ihres Vortrages inbesondere, dass es keine „universelle Onlineöffentlichkeit“ gibt. Die Ursache dafür kann in der räumlichen Trennung der Social Network Sites gesehen werden. Während es bei der Email-Kommunikation egal ist, ob Freunde und Bekannte über Hotmail oder Yahoo miteinander kommunizieren entstehen durch Social Network Sites in den meisten Fällen räumlich von einander abgeschnittene Communitys. Für Deutschland besonders interessant: In diesem Gedankengang wird die vielfach postulierte „Netzcommunity“ wiederlegt.

Für die Konferenzteilnehmer nett war natürlich auch die Rede von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, der über Skype ins Auditorium geschaltet war und von Andrew Rasiej interviewt wurde.

So plauderten beide über Iphone-Apps für Einwohner und Touristen und auch eine Verbindungsunterbrechung wurde völlig problemlos und locker von den Gesprächspartnern hingenommen. Insgesamt fiel vor allem auf, dass Bloomberg als Bürgermeister weiß wovon er spricht und niemand dies für eine Besonderheit, sondern vielmehr für selbstverständlich hielt.

Den Rest des Tages füllten etliche weitere Sessions, die viele neue Erkenntnisse brachten. Doch erst der letzte Programmpunkt, verschiedene thematische Brainstormings, verdeutlichten endgültig den Unterschied zwischen US-amerikanischer und deutscher Netzpolitik. Zusammen mit vier weiteren Teilnehmern wurden Ideen zum Thema „international politics“ ausgetauscht. Und während in Deutschland derzeit verzweifelt alles daran gesetzt wird, Politiker und Bürger über das Internet in Kontakt zu bringen, ist dieser Schritt in den USA schon Schnee von gestern. Vielmehr überlegt man den Schritt weiter, wie Netzkommunikation zwischen verschiedenen Regierungen und noch viel spannender zwischen Regierungen und einer ausländischen Bevölkerung möglich werden. Ein konkretes Beispiel wäre, wie man es ermöglichen könnte, dass die deutsche Bevölkerung mit der US-amerikanischen Regierung kommuniziert? Eine für uns Deutsche wahnwitzig klingende Idee, die hier völlig ernsthaft diskutiert wird.

Wenn es danach geht, scheinen wir in Deutschland noch mitten in der Steinzeit zu stecken und erst langsam das Werkzeug zu entdecken, während in den Vereinigten Staaten mit dem weiterentwickelten Werkzeug inzwischen Eisen bearbeitet wird. Während man in Deutschland immer wieder Barack Obama und seinen Internetwahlkampf  wie eine Monstranz vor sich her trägt, zeigte sich bereits am ersten Konferenzkonferenztag das wahre Interesse der deutschen Parteien an dem Thema. Denn die deutschen Teilnehmer lassen sich mit Leichtigkeit an einer Hand abzählen.  Nachdem Joe Rospers (Obama ’08) mit der Frage „How many republicans are here today?“ und nur wenigen Meldungen die Lacher auf seiner Seite hatte, müsste man die Frage auch nach der Anzahl der deutschen Teilnehmer stellen bzw. noch besser der deutschen Parteimitarbeiter. Denn nirendwo würden sich so viele Tipps und Ideen sammeln lassen wie direkt vor Ort, aber die deutsche Parteielite ist derweil allen Anschein noch damit beschäftigt, das Netz zu filtern und Blogger zu verklagen.

Brave old world…

Bild: flickr Phil Hawksworth