Kurz notiert: Internetoffensive der Bundesregierung

Die Bundesregierung startet mit neuen Internetseiten ins Jahr 2012. Die passende Internetseite www.bundesregierung.de wurde komplett überholt und präsentiert sich so frisch und modern, wie man das lange nicht gesehen hat. Sogar Zugänge in Gebärdensprache und leichter Sprache werden angeboten. Zur Einschätzung verweisen wir einfach auf den geschätzten Kollegen und Gastautoren Achim Schaffrinna im Designtagebuch:

Das kontrastreiche, mit sinnvollen Abständen und Schriftgrößen versehene Screendesign, in dem wohldosiert Bilder zum Einsatz kommen und die Anbindung an soziale Netzwerke nicht, wie so oft, auf Kosten des harmonischen Gesamteindrucks erfolgt, kann man nur als intelligent bezeichnen. Mir jedenfalls gefällt das Interface ausgesprochen gut, vor allem auch dank einer attraktiven Typographie, die spürbar für Akzente sorgt, ohne sich dabei in der Vordergrund zu spielen. Offen gesagt steht ihr das bei einem solchen Webangebot, das derart heterogene Nutzergruppen kennt auch gar nicht zu. Pressevertreter wie Schüler, Politiker wie Politikinteressierter, Senioren wie Menschen mit Hör- und Sehschwächen – jeder muss gleichermaßen angesprochen werden.

Außerdem setzt die Kanzlerin jetzt nicht nur auf Präsentation im Internet, sondern will einen Dialog über die Zukunft der Republik führen – mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Internet als „Dialog über Deutschland“. Dazu heißt es:

Im Mittelpunkt stehen konkrete Handlungsvorschläge. Und zwar am besten solche, die die Bundespolitik mit Anregungen und Ideen konfrontieren – und der Kanzlerin die Möglichkeit eröffnen, diese weiterzuverfolgen: Sei es in der Gesetzgebung oder mit anderen Initiativen.

Damit der Bürgerdialog nicht nur auf der Onlineplattform stattfindet, wird die Bundeskanzlerin mit Bürgerinnen und Bürgern direkt diskutieren. Dies wird bei drei Bürgergesprächen Ende Februar und im März 2012 stattfinden.

Ziel des Zukunftsdialogs ist es, eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die nahe Zukunft unseres Landes anzuregen und konkrete Handlungsvorschläge und Denkanstöße für die politische Arbeit zu gewinnen.

In den ersten 24 Stunden sind über 800 Vorschläge abgegeben worden, die nun diskutiert und bewertet werden können. Während die Zahl der Vorschläge schon beachtlich ist und sicher noch weit größer werden wird, hält sich die Nutzerschaft bei den Kommentaren und Bewertungen noch zurück.

Wissenschaftler ins Netz

Die Geisteswissenschaftler, oh diese schlimmen Geisteswissenschaftler. Forschen über das Netz, aber halten sich davon selbst fern. So kritisiert mspr0 vorgestern die Forschungselite. Halb Kritik, halb Rant – aber mit großer Reichweite. Er schreibt:

„Ehrlich, ich bin ein Fan der Geisteswissenschaft! […] Aber heute, da habe ich ein Problem mit Euch. Nicht als Fachbereich, Disziplin oder Feld als ganzes, sondern mit den einzelnen Vertretern. Ich habe ein Problem mit Euch, dem denkfaulen, behäbigen und selbstgerechten Personal, das bräsig in der Uni sitzt, Paper über über Themen schreibt, die keinen interessieren und die keiner liest, während die Welt sich rasant verändert. Eine Veränderung, die tragischer Weise nur aus einer Richtung kommt, in die Ihr Geisteswissenschaftler verpasst habt, zu gucken. Ich habe ein Problem mit Euch, die Ihr aus eitler Attitüde heraus das neue Feld des Geistes, der Kultur und des Menschen habt links liegen lassen und damit Euch selbst – Eure gesamte gesellschaftliche Relevanz – aufgegeben habt!“

Und auch die alten neuen Medien blasen ins gleiche Horn. Es scheint, als habe das ZDF mit Hyperland die Aufforderung an uns abgeschickt:

„Dabei gab und gibt es seit Beginn des Web-Zeitalters eine ganze Menge sozialwissenschaftlicher Forschung zum Thema, wie aktuell der Überblick von Martin Emmer zeigt. Aber wer außerhalb der Fachwelt hat beispielsweise je von Gerhard Vowe gehört, der aktuell eine Forschungsgruppe zur politischen Online-Kommunikation leitet?“

Aber schon vor dieser Aufforderung, endlich auch online zu gehen, haben wir gemeinsam mit der DFG-Forschergruppe “Politische Kommunikation in der Online-Welt” an deren neuen Internetseite gearbeitet. Seit heute ist der Auftritt online und wir sind gespannt, wie stark sich die Forschergruppe selbst in die Online-Diskussion zu ihrem Forschungsgegenstand einbringt.

Wir empfehlen in jedem Fall ein Abonnement des Feeds.

Disclaimer: Wie schon im Text geschrieben haben wir als Antwortzeit Kommunikationsagentur die Internetseite umgesetzt.

Barrieren vor dem Bundestag

Mit viel Begeisterung wurde heute morgen die neue Webseite des deutschen Bundestages freigeschaltet. In den vergangenen Jahren war die Homepage vor allem für ihre Unübersichtlichkeit und bunte Ansammlung von Informationen bekannt. Deshalb wurde es um so erfreuter aufgenommen, als in der heutigen Pressekonferenz (Video!) mehr Transparenz und eine einfachere Handhabung der Webseite angekündigt wurde (die Website vor dem Relaunch).

Und tatsächlich präsentiert sich der deutsche Bundestag ungewöhnlich übersichtlich und mit vielen Bildern. Ein Herz für Petition zeigt der Punkt „Aktuelle Petitionen“ eine zentrale Position auf der Webseite ein. Zu recht aber kritisierten schon Kai Biermann und Christian Heise bei Zeit Online die immer noch mangelnde Transparenz und Dialogfreundlichkeit – trotz aller Ankündigungen.

Scheinbar völlig unbeachtet blieb beim Relaunch aber die Barrierefreiheit der Website, die für eine nicht gerade unerhebliche Zahl von Menschen in Deutschland relevant ist. Ruft man die Website des Bundestagses mit einem Browser für Sehbehinderte wie beispielsweise webformator auf, zeigt sich ein ernüchterndes Bild:

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Der Bundestag verstößt mit seinen Barrieren vor dem Internetauftritt auch gegen geltendes Gesetz. Im Paragraph 11 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen aus dem Jahr 2002 ist die Vorschrift dafür eindeutig:

(1) Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenden Verordnung schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nach Maßgabe der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten

1. die in den Geltungsbereich der Verordnung einzubeziehenden Gruppen behinderter Menschen,
2. die anzuwendenden technischen Standards sowie den Zeitpunkt ihrer verbindlichen Anwendung,
3. die zu gestaltenden Bereiche und Arten amtlicher Informationen.