Wahlprogramme mit Zugangshürden

Am 18. September werden in Berlin das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordntenversammlungen gewählt. Zeit also, auch als Nichtberliner einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien zu werfen.

Ernüchternde Erkenntnis: Mit dem Suchen der Programme verbringt man auch heute leider noch mehr Zeit als ursprünglich erwartet. Weiterlesen

Die Parteien und das Internet

Noch nie zuvor spielte das Thema Internet in einem deutschen Wahlkampf eine derart übergeordnete Rolle wie zur diesjährigen Bundestagswahl. An allen Stellen versuchten sich die Parteien gegenseitig mit ihren Kampagnen zu überbieten. Doch erweckte es den Eindruck, als ob das vielfach präsentierte „digitale Glanzpapier“ der Parteien lediglich aus Altpapier hergestellt wurde. Alle Parteien stellten dar, wie aktiv sie im Internet waren und was sie alles gemacht hätten, doch fragte man nach den Organisationsstrukturen hinter den Kampagnen, schaute man häufig in lange Gesichter. Noch immer wird das Internet an vielen Stellen als reine Präsentationsplattform von Wahlkampfmaterialien in digitaler Form angesehen. Wir haben deshalb den Test gemacht. Noch während des Wahlkampfes haben wir alle im Bundestags vertretenen Parteien angeschrieben und gefragt, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie im Rahmen des Bundestagswahlkampfes für ihre Onlineangebote beschäftigen.
 Das Ergebnis war ernüchternd, von den fünf angeschriebenen Parteien antworteten gerade einmal zwei promt und zwei antworteten erst gar nicht. Insgesamt meldeten sich auf die Frage nur CDU, Linkspartei und Bündnis90/Die Grünen. So schrieb die Linkspartei:

„Eine eindeutige Festlegung der Zahl der Kolleginnen und Kollegen, die sich mit sogenannten Neuen Medien befassen, ist leider schwierig zu ermitteln, weil unsere Redaktionen für Print- und Online-Medien zusammengelegt sind. In dem Arbeitsbereich „Redaktion“ des WahlQuartiers sind 20 Personen beschäftigt. Agenturseitig sind zwei – bei speziellen Projekten auch mehr – Mitarbeiter mit der Betreuung des Online-Wahlkampfes befasst.“

CDU:

„Ihre Frage nach den Mitarbeitern der neuen [Medien, M.K.] lässt sich nicht genau beantworten, da das Internet eine wichtige Querschnittsaufgabe in vielen Arbeitsbereichen der CDU-Bundesgeschäftsstelle darstellt. Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dauerhaft als Onlineredakteure bei der CDU. Zusätzlich beschäftigen sich im teAM Deutschland etwa 8-10 Personen schwerpunktmäßig mit Online-Aufgaben und 15 Personen sind im Schichtdienst für die Beantwortung der via Internet eingehenden Bürgeranfragen zuständig. Hinzu kommen dann noch zahlreiche Fachreferenten , die sich im Rahmen ihrer Aufgaben auch um Online-Angebote kümmern. […] Extern beschäftigen wir derzeit noch weitere Personen. Zwei bis drei Mitarbeiter von CDU TV und externe Programmierer und Grafiker in unserem Rechenzentrum. Das sind aktuell 5 Personen.“

Bündnis90/Die Grünen:

„In der Bundesgeschäftsstelle von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN arbeiten momentan 3 MitarberInnen im Bereich neue Medien, zusätzlich arbeiten c.a. 5 feste MitarbeiterInnen in den Agenturen im Rahmen unserer Accounts. Dazu kommen dann noch, je nach Bedarf, Teilzeitkräfte, Grafiker, Programmierer, etc.“

Was bleibt also als Fazit? Die deutschen Parteien sind auf dem richtigen Weg und erste neue und positve Ansätze sind zu erkennen. Doch solange das Internet an vielen Stellen weiterhin als reines Präsentationsmedium ohne Rückkanal gesehen wird, besteht noch viel Lernbedarf. Spannend bleibt deshalb auch die Frage, ob und in welcher Form das Internet in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielt. Politiker der verschiedensten Parteiströmungen hatten beispielsweise im Wahlkampf angekündigt, dass Überlegungen lohnenswert seien, einen Netzbeauftragten in der Regierung einzuführen. Ethusiastische Stimmen sprechen gar schon davon, dass zukünftig ein Ministerium das Thema Internet thematisch mit abdecken könnte. Woanders ist man uns da schon etwas voraus. Erst kürzlich erzählte Vincent Ducrey, seines Zeichens „French Government New Media Advisor“ der Sarkozy-Regierung (eine solche Bezeichnung erscheint in Deutschland nach wie vor wie ein Witz), dass er mit einem festen Team von 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die neuen Medien bespielen würden. Die Regierung Obama und ihren CIO Vivek Kundra (+ Team) muss man dabei erst gar nicht mehr erwähnen. Bildnachweis: flickr.com (kirklau)

3 Tage, 72 Stunden, 48h

In den letzten Stunden vor der Wahl geben die Parteien doch noch einmal Gas. In den Fußgängerzonen der Republik wurden heute bereits im Morgengrauen die ersten Wahlkampfstände aufgebaut, Angela Merkel sprach zum Wahlkampfabschluss in Berlin und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier nutzte die Gunst der Stunde um in Detmold noch einmal die letzten unentschlossenen SPD-Symphatisanten zu mobilisieren.

Doch auch die individuelle Ansprache an die Wähler kam an diesem letzten Wahlkampftag nicht zu kurz. Etliche Bundestagsabgeordnete nutzen die verbleibenden Stunden für Hausbesuche, die Tageszeitungen waren vollgespickt mit jeweils passenden Werbeanzeigen der Parteien und die meisten Briefkästen wurden an diesem Wochenende von einer Werbeflyer-Flut überrollt.

Doch in diesem Jahr wird in den letzten Stunden nicht nur offline mobilisiert, sondern auch die Parteikampagnen im Netz erreichen ihren Höhepunkt. Alle Zeichen stehen auf Endspurt.

Das TeAM-Deutschland (CDU) ruft zu den letzten „72 Stunden“ auf, die Grünen zu „3 Tage wach“ und die Linkspartei zu „48h“. SPD und FDP haben zwar keine gezielten Countdown-Projekte gestartet, aber auch hier versucht man die Wähler mit Pop-ups auf den Startseiten zum wählen zu animieren.

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Screenshots: „72 Stunden“, „3 Tage wach“, „48h“

Wahlprogramme 2009

Dialogbereitschaft der Parteien findet man nicht im Onlinewahlkampf 2009 und man hat sich schon damit abgefunden. Aber die Parteien scheitern im Netz schon daran, den Wählern von oben herab zu erklären, wofür sie eigentlich antreten.

Obwohl nicht mehr viele Wochen bis zur Bundestagswahl bleiben, scheinen die Parteien selbst ihre Wahlprogramme verstecken zu wollen. Mitten im Wahlkampf erwartet man doch einen Verweis zu den Wahlprogrammen, der prominent auf der Startseite platziert ist – doch man muss sich in einigen Fällen erst mühsam durch die halbe Internetseite klicken.

Programme nur als PDF

Leider haben die Parteien auch nicht aus den letzten Wahlen gelernt. Weiterhin sucht man vergeblich nach visualisierten oder zumindest zusammengefassten Wahlprogrammen. Stattdessen bietet man den Nutzern nur die üblichen nutzerunfreundlichen Komplettprogramme in pdf-Form.  Immerhin bieten die meisten Parteien wenigstens eine Auflistung ihrer wichtigsten Ziele an. Mal in Form einer Top 8, mal als Top 10. Die Linkspartei sowie die Piratenpartei sind die einzigen, die ihre Wahlprogramme auch in html anbieten und damit den Zugang insgesamt erleichtern.

Eine Besonderheit bietet die FDP an, die in einer Synopse die Wahlprogramme der fünf großen Parteien gegenüber gestellt hat. Das macht das Vergleichen immerhin ein bischen einfacher, auch wenn man sich durch 67 eng beschriebene Seiten arbeiten muss.

Um zumindest den Suchprozess zu vereinfachen listen wir im folgenden die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Linkspartei und Piratenpartei. Als Veranschaulichung haben wir von allen Parteiprogrammen Wortwolken erstellt. Um die zentralen Inhalte der Programme darzustellen, haben wir Kopf- und Fußzeilen entfernt und den reinen Text bei wordle nach seiner Gewichtung sortieren lassen.

CDU

cdu

Das Wahlprogramm der CDU als
PDF (2,5 MB) | In 10 Punkten

SPD

spd

Das Wahlprogramm der SPD als
PDF (0,5 MB) | In 8 Punkten

FDP

fdp

Das Wahlprogramm der FDP als
PDF (0,3 MB) | Video

Bündnis 90/Die Grünen

Grün

Das Wahlprogramm der Grünen als
PDF (1,2 MB) | In 10 Punkten

Linkspartei

linke

Das Wahlprogramm der Linken als
PDF (0,3 MB) | Internet

Piratenpartei

piraten

Das Wahlprogramm der Piraten als
PDF (0,4 MB) | Internet