Die Dagegen-Partei

So deutlich hat man das in Deutschland noch nicht gesehen, dass eine Partei die andere mit einer eigenen Internetseite angeht. Die CDU sieht in den Grünen die „Dagegen-Partei„, will damit dem Verlust von konservativen Wählerschichten an die neuen Bürgerlichen verhindern. Und wie könnte man besser sichtbar machen, wo die grünen überall ihre Stimme gegen den Fortschritt, die Zukunft oder gleich die Vernunft erheben, als eine digitale Karte. Und so hat man im Konrad-Adenauer-Haus eine Karte gebaut, ein Deutschland, das sich vor Schräglage kaum noch halten kann. Mit den Grünen rutscht das Land ab. Kleine Icons im Stile von Verkehrszeichen symbolisieren dann auch gleich, gegen welche Projekte die Grünen sind: Straßen, Bahnstrecken, Kraftwerke.

Nur manche Dinge fehlen. In Hessen zum Beispiel scheint die CDU das ewige Streitthema Atomkraftwerk Biblis vergessen zu haben, wie Benjamin Weiss von der Grünen Jugend Hessen bemerkt:

Über Negative Campaigning im Generellen kann man geteilter Meinung sein. Vor allem konservative Parteien nutzen diesen Mechanismus in den letzten Jahren verstärkt, um sich vom Gegner abzugrenzen und diesen zu diskreditieren. Im Internet hat man das in Deutschland aber noch nicht so deutlich sehen können. Und hier taucht das Problem auf: Denn wer sich die Internetseite der Dagegen-Partei ansieht, könnte fast die Grünen selbst als Urheber vermuten.  Nur sehr zurückhaltend übernimmt die CDU die Verantwortung für den Online-Auftritt, lässt mit grüner Farbgebung lieber den Eindruck einer Parteipräsenz stehen.

Ob bei so viel Mimikri nicht der positive Aspekt von Negative Campaigning verloren geht, bleibt offen. Und so darf man die Internetseite wohl eher als Nischenergänzung für das bundesweit gezündete Rhetorikfeuerwerk der Dagegen-Generalsekretäre verstehen. Immerhin zeigen die Christdemokraten einmal mehr das Interesse am Bürger und bieten an, sich mit eigenen Vorschlägen an die CDU zu wenden – wenn man sich auch über die Kontra-Stellung der Grünen ärgert. Auch wenn Hermann Gröhe das wie in einer schlechten Orthopädie-Werbung verkauft: Der Gedanke wäre manch anderer Partei gar nicht erst gekommen.

Update: Auch Spiegel Online hat sich der Sache gewidmet.

Negative Campaigning aus dem Social Web

Die britischen Wahlkämpfer Brown, Cameron und Clegg erfahren in diesem Jahr, dass Negative Campaigning nicht nur vom politischen Gegner kommen kann. Nein, auch das Web 2.0 schießt sich auf die Bewerber ein. Mit einfach zu bedienenden Werkzeugen kann jeder Nutzer selbst den gewünschten Kandidaten diffamieren oder der Lächerlichkeit preisgeben. Mit seinen eigenen Plakatmotiven, mit seinen eigenen Worten. Ein kurzer Überblick über die Tools.

David Cameron applaudiert sich selbst

David Cameron scheint es den Onlinern besonders angetan zu haben. Als Konservativer mit recht empathisch geführtem Wahlkampf sieht man sich im Netz dazu aufgerufen, seine wahre Seite zu zeigen. „Lassen Sie mich eins deutlich machen: Wir werden uns nie verändern, wir werden immer arrogante und rücksichtlose Konservative sein. Und wissen Sie was? Wir werden niemandem helfen. Denn es ist uns egal.“ Und das virtuelle Publikum applaudiert. Das Handwerkszeug für solche Mash-Ups bietet Speechbreaker, eine Website, auf der sich Redefragmente der Kandidaten neu arrangieren lassen.

Von den Reichen, für die Reichen

In die gleiche Kerbe schlägt ein Plakat, das ein Wahlplakat von David Cameron ein klein wenig uminterpretiert. Mit einem Werkzeug von andybarefoot.com kann man das Wahlplakat, das als Vorlage dient, mit eigenen Slogans und Logos hinterlegen. Die Ergebnisse finden sich auf mydavidcameron.com. Man kommt ins Grübeln, ob es sowas in Deutschland nicht auch für FDP-Plakate hätte geben müssen. Soziale Kälte und Klientelpolitik hätten jedenfalls gute Schlagzeilen abgegeben.

i don’t want to be rude, but

Eine dritte Spielerei hat es leider offensichtlich nicht lange im Netz gehalten, dabei findet sich auch hier eine schöne Idee. Nigel Farage, britisches Mitglied des Europaparlaments, hatte mit den Worten „I don’t wont to be rude, but“ eingeleitet zu einem rüpelhaften Frontalangriff (wunderbar anzuschauen auf YouTube, mit Reaktion von Martin Schulz) auf den neuen Ratspräsidenten Herman van Rompuy ausgeholt. Die Antwort ließ sich wohl auch mit einem Online-Tool bauen, das auch wenn es nicht mehr zu existieren scheint, doch wunderbare Ergebnisse produzieren konnte. Kommentieren muss man das wohl nicht mehr, lassen wir Bilder sprechen.

Rückblende Bundestagswahl 2009

Auch in Deutschland haben wir im vergangenen Jahr die Umwandlung von Parteiplakaten als Auftakt zum nutzergenerierten Negative Campaigning erlebt. Bei netzpolitik.org hatte man einen Wettbewerb ausgelobt, um die CDU-Wahlkampagne „Wir haben die Kraft“ umzuarbeiten. Die Gewinner können sich wirklich sehen lassen, nehmen den Urheber wirkungsvoll aufs Korn.