Endgegner Mitgliederschwund

Die CDU in Nordrhein-Westfalen will ihren Mitgliederschwund bekämpfen und startet dafür (mal wieder) eine Mitglieder-Werbe-Kampagne. Die eigenen Mitglieder werden aufgefordert, im Bekannten- und Freundeskreis für eine Mitgliedschaft in der CDU zu werben. Als Lektion aus vergangenen, wenig erfolgreichen Aktionen, setzt man dieses mal auf Belohnungen. Als Hauptpreis lockt (?) ein Essen mit dem Landesvorsitzenden und Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Vorgesgestellt hat sich die CDU das so:

Jedes Mitglied, das ein Neumitglied wirbt, nimmt an einer Verlosung teil. Pro Neumitglied kommt ein Los in die Lostrommel, so dass sich die Gewinnchance erhöht, je erfolgreicher ein Werber ist.

Und die Preise?

Anfang des kommenden Jahres werden per Los die Gewinner ermittelt.

Jeweils fünf Gewinner werden eingeladen zu

  • einem Essen mit dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann in Münster
  • einem Essen mit Generalsekretär Oliver Wittke in Düsseldorf,
  • einem Essen mit dem Chef der NRW-CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament Elmar Brok in Brüssel.

Außerdem werden die fünf erfolgreichsten Einzelwerber zu einer Fahrt nach Berlin mit einem Essen mit dem Landesvorsitzenden Norbert Röttgen eingeladen.

Ein interessanter Schritt für eine politische Werbe-Kampagne der CDU. Statt die Mitglieder besser mit Informationen und Handreichungen auszurüsten, setzt man auf den Spieltrieb und den Reiz der Gewinne. Neu ist die Methode allerdings nicht: Gene Koo wirft einen Blick auf das Soziale Netzwerk des Obama-Wahlkampfs my.barackobama.com genau aus dieser Perspektive:

It featured minimal graphics, no sound effects, and deeply flawed gameplay. Yet one of the most important game titles of 2008 was played by thousands and helped change the face of American politics. […]

MyBO awarded Obama supporters with points for taking real-world actions that would likely help the candidate win the primaries and the general election: making phone calls to voters, hosting gatherings, and donating money.

Prof. Dr. Christoph Bieber hat etwas später einen ähnlichen Vergleich für Deutschland auf die Piratenpartei bezogen:

Dabei ist „Spielen“ das zweite Schlüsselelement für den Erfolg der Piraten-Kampagne – denn die kollektive Anstrengung der „Nerds“ in schwarz-orange trägt Züge eines Rollenspiels. Die „Mission Bundestagswahl“ lässt sich in eine Folge einzelner „Quests“ zerlegen, an denen die über das ganze Bundesgebiet verteilten Mitspieler relativ koordiniert arbeiten. Gelöst wurden bisher die Aufgaben „Europawahl“, „Zulassung zur Bundestagswahl“, “Übernahme der Mehrheiten in den Sozialen Netzwerken“, das Extra-Level „Gewinnung von öffentlicher Aufmerksamkeit“ wurde etwas holprig erreicht, vielleicht auch unter Zuhilfenahme von „Cheats“. Und nun steht das vorerst letzte Level mit dem Endgegner „Wahlurne“ an.

Und nun zieht die CDU nach, übernimmt Kampagnenmuster von Obama und Piratenpartei? Nun, vollends tragfähig ist der Vergleich nicht: Es fehlen die digitalen „Highscores“ bei der CDU, und die Spieler werden nicht miteinander vernetzt. So kann ein Wettbewerb nur auf hypothetischer Basis entstehen. Aber vielleicht ist die Mitglieder-Werbe-Kampagne der CDU auch nur die Alpha-Version und wartet noch auf den ein oder anderen Patch.

via politik&kommunikation

Internetseiten zur Landtagswahl: Runde 2

Zwei Wochen vor der Landtagswahl ist nun jede der Parteien voll im Wahlkampf angekommen und wir können einen zweiten Blick auf die Internetseiten von Landesverbänden und Spitzenkandidaten werfen. Im Februar hatten wir erstaunlich moderne Internetseiten bei SPD und CDU angetroffen, aber noch eher schwache Auftritte der Spitzenkandidaten. Was hat sich bis heute getan?

Wenig Bewegung bei den Internetauftritten

Auf den großen Portalseiten der CDU Nordrhein-Westfalen und der NRWSPD hat sich nicht viel verändert. Lediglich in den großen Bilderbühnen finden sich nun immer mehr Hinweise auf die Landtagswahl. Bei der CDU scheint man Jürgen Rüttgers nun als sympathischen Familienmenschen positionieren zu wollen und lässt ihn daher häufiger gemeinsam mit seiner Frau auftreten. Die SPD setzt offensichtlich einige Hoffnung in das TV-Duell am morgigen Montag und fordert ihre Unterstützer auf, das TV-Duell gemeinsam auf TV-Parties im ganzen Land anzusehen. Dass sich nicht viel geändert hat auf den Seiten ist aber dank der guten Ausgangslage im Februar nicht wirklich tragisch. Zwar könnte man bei der CDU den Weg zu Grundinfos wie den Kandidatenlisten oder dem Programm noch etwas leichter machen, aber der gute Eindruck bleibt bestehen.

Wenig getan hat sich auch auf manchen anderen Seiten. Jürgen Rüttgers feiert immer noch seine Dialogbereitschaft und hat den Seitentitel „Meine Seite ist Ihre Seite“ immerhin um seinen Namen ergänzt. Die Auftritte der FDP und ihrem Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart ähneln sich immer noch sehr, auch wenn auf den liberalen Seiten nun Querverweise zur Themenseite Landtagswahl NRW und ein Countdown zum Wahltag eingebaut sind. Auch bei der LINKEN lockt weiterhin der Baukasten-Charme, ebenfalls um zahlreiche Links in der Seitenspalte ergänzt. Einen Internetauftritt ihrer Spitzenfrau Bärbel Beuermann sucht man immer noch vergebens. Aber es kann ja auch nicht jede Politikerin so engagiert online sein wie Sylvia Löhrmann.

Grüne wollen den Wechsel in NRW

Zwei Internetseiten jedoch wurden seit unserem letzten Artikel zum Thema im Februar generalüberholt. Wie schon damals angedeutet haben die Grünen in NRW ihren Auftritt einem Relaunch unterzogen und präsentieren sich als die junge, gestaltungshungrige Oppositionspartei. Zentrales Element der Seite ist ein gigantischer Countdown „bis zum Wechsel in NRW“. Darunter präsentiert sich die Seite handwerklich solide gemacht und ermöglicht jederzeit den schnellen Einstige in Themen, Wahlinfos oder Wahlkampfaktionen. Auch die Grünen greifen das TV-Duell auf und wollen live zur Austrahlung ein Transkript anfertigen – garniert mit grünen Kommentaren.

Hannelore Kraft erzählt ihre Geschichte

Ebenfalls neu gestaltet wurde der Auftritt der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Im Februar hatten wir über die alte Seite geschrieben:

Gegen die so innovative Optik der nrwspd.de wirkt es schon wie ein Rückfall in ein anderes Jahrzehnt, was den Besucher von hannelore-kraft.de erwartet. Auch wenn der Besucher persönlich von der SPD-Vorsitzenden angesprochen wird, wird er sich hier kaum gut aufgehoben fühlen. Die Seite wird dominiert von Pressemitteilungen und lieblos aufbereiteten Steckbriefen. Wenn man es nicht wüsste, käme man nicht einmal auf die Idee, dass Hannelore Kraft gerne Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen werden möchte.

Ganz im Stil der Seite der NRWSPD zeigt sich jetzt auch hannelore-kraft.de modern und freundlich gestaltet. Warum man Frau Kraft gleich zweimal auf der Startseite mit dem gleichen Foto ins Layout eingebunden hat, wird zwar das Geheimnis der Grafiker bleiben, aber das kann wenig am positiven Gesamteindruck ändern. Die praktische Bildbühne dominiert die Startseite und wird durch Meldungen, Termine und ein paar Bildverweise ergänzt.

Das wirkliche Highlight der Seite aber ist fast schon etwas schwer zu erkennen. Neben der Titelgrafik findet sich ein nicht einfach als Button zu erkennendes Bild von Hannelore Kraft in jungen Jahren, das überschrieben ist mit „Mein Name ist Hannelore Kraft. Mein Leben ist eine Geschichte aus NRW“ und zum „Kennenlernen…“ auffordert. Dahinter verbirgt sich eine wahnsinnig aufwändig und liebevoll gemachte Diashow, in der Hannelore Kraft ihre Lebensgeschichte erzählt. Mit detailverliebten Folien voller charmanter Fotos inklusive modischem Flashback stellt sich die Spitzenkandidatin dem interessierten Besucher vor. Besonders überzeugend ist, dass ihre Lebensgeschichte offensichtlich sehr gut zu ihrem politischen Programm zu passen scheint.

Mit dieser Diashow könnte ein wenig dynamisch oder interaktives Element tatsächlich die Innovation des Online-Wahlkampfes 2010 sein. Dem Nutzer eine Geschichte erzählen, ihn so für die Anliegen und Person eines Kandidaten zu begeistern ist eine viel zu gute Idee, als dass sie eher versteckt auf der Seite platziert sein sollte. Ob bei einer zukünftigen Adaption durch andere Politiker und Politikerinnen dann ausgerechnet das wenig offene Flash als Basis dafür herhalten muss (man denke nur an die ausgeschlossenen iPad-Nutzer ;-) ), wird sich wohl noch zeigen.

Warmlaufen für die Landtagswahl NRW

Noch sind es ein paar Monate bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Am 9. Mai werden die Bürger zu den Wahlurnen ziehen und den amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers um seine Wiederwahl zittern lassen (so jedenfalls die letzten Umfrageergebnisse). Wir wollen auch auf diese Landtagswahl wieder ein Auge werfen und uns dabei wie im letzten Jahr auf die Online-Aktivitäten der Parteien konzentrieren. Dabei wollen wir uns in 3 Etappen die Internetseiten der Landesparteien und ihrer Spitzenkandidaten ansehen. In dieser ersten Stufe zeigen wir den Stand vor dem eigentlichen Wahlkampf.

CDU

Die Internetseiten der Partei des Ministerpräsidenten sehen modern aus. Gerade auf der Seite des Landesverbands wird dem Bürger der Weg zu den gewünschten Informationen sehr leicht gemacht. Eine große Bühne präsentiert die aktuellen Informationen, während über eine Hand voll hübsch gemachter Grafiken der Zugang zu handfesteren Infos aufgezeigt wird. Dazu gehört natürlich ein Link zur Internetseite des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ebenso wie die Möglichkeit zu Spenden oder Parteimitglied zu werden. Hier zeigt sich jedoch schon, dass wir auf der Suche nach den ersten Wahlkampfspuren zu früh sind. Es findet sich kein Verweis auf eine besondere Kampagne, die Kandidaten zur Landtagswahl oder das Wahlprogramm. Der modulare Aufbau der Seite wird es aber leicht machen, das in den nächsten Wochen zu ändern.

Der Ministerpräsident kommt dagegen mit seiner Webpräsenz nicht ganz so gut an. Zwar ist die Gestaltung auch frisch und übersichtlich, aber man hat dabei etwas die Nutzbarkeit vergessen. Ganz wichtig scheint den Machern der Seite gewesen zu sein, Jürgen Rüttgers als offen und dialogorientiert darzustellen. Man wird fast zur Kontaktaufnahme genötigt, so oft äußert der Ministerpräsident den Wunsch, mit dem Leser in Kontakt zu treten. Das geht soweit, dass sogar der Seitentitel im Browser nicht etwa „Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen“ lautet – sondern reichlich banal „Meine Seite ist Ihre Seite“.

CDU Landesverband NRW

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers

SPD

Die NRWSPD, wie sich der größte sozialdemokratische Landesverband selbstbewusst nennt, hat einen unwahrscheinlich gut gemachten Internetauftritt. Die Gestaltung könnte aber schon fast etwas zu progressiv für die alte SPD sein. Dennoch, bei der Konzeption der Seite stand ganz offensichtlich die Leserfreundlichkeit im Vordergrund. Auf einer großen Bühne werden vier aktuelle Meldungen durch geschaltet, in denen ein Politikfeld, die Landesvorsitzende Hannelore Kraft, der Blog der NRWSPD und das Wahlprogramm präsentiert werden. So bietet man dem Leser vier unterschiedliche Einstiegspunkte, um sich zu informieren. Darunter erscheinen die bei jeder Partei obligatorischen Pressemitteilungen, die wohl noch kein zufälliger Besucher der Website je gelesen haben dürfte. Die rechte Seitenleiste präsentiert, ähnlich wie bei der CDU, einige Grafiken mit Verweisen auf weitere Infos. Leider doppeln sich die Zugänge aus der Seitenleiste etwas mit denen aus der oberen Bühne. Damit aber ist in jedem Fall sichergestellt, dass der Besucher auch weiß, wohin er sich wenden will.

Gegen die so innovative Optik der nrwspd.de wirkt es schon wie ein Rückfall in ein anderes Jahrzehnt, was den Besucher von hannelore-kraft.de erwartet. Auch wenn der Besucher persönlich von der SPD-Vorsitzenden angesprochen wird, wird er sich hier kaum gut aufgehoben fühlen. Die Seite wird dominiert von Pressemitteilungen und lieblos aufbereiteten Steckbriefen. Wenn man es nicht wüsste, käme man nicht einmal auf die Idee, dass Hannelore Kraft gerne Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen werden möchte.

SPD Landesverband NRW

Spitzenkandidatin Hannelore Kraft

Grüne

Die Bündnisgrünen in Nordrhein-Westfalen präsentieren sich auf ihrer Internetseite mit einer seltsamen Mischung von modernen Designelementen und einer veraltet wirkenden Grundgestaltung. Es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, wenn man einen baldigen Relaunch vorhersagt. Inhaltlich dagegen sind die NRW-Grünen recht ansprechend aufgestellt. Die aktuellen Infos auf der Startseite prasseln nicht automatisiert und mehrmals am Tag rein, sondern scheinen von Hand ausgewählte Empfehlungen aus dem gesamten Fundus zu sein. Wie bei CDU und SPD wird auch von den Grünen die Seitenleiste für schnelle Grafiklinks benutzt, die hier hauptsächlich in Richtung Soziale Netzwerke weisen – aber auch darüber aufklären, dass die Internetseite CO2-neutral betrieben wird. Besonders bei den Grünen ein netter, augenzwinkernder Hinweis. Auch im Zuge des Relaunchs dürfte eine stärkere Themenfokussierung Einzug halten. Bisher bildet die Seite noch eher den termingehetzten Oppositionsalltag wieder und zeigt noch zu wenig auf, was man selbst besser machen möchte.

Offensichtlich in der To-Do-Liste des Grafikers einen Platz weiter oben war die Internetseite der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, die sich schon im neuen Design präsentiert. Die Website legt ganz klar das Augenmerk darauf, die Spitzengrüne als sympathisch und modern vorzustellen. Die üblichen Sozialen Netzwerke werden hier nicht nur mit einfachen Links verknüpft, sondern füttern den Inhalt der Seite teilweise mit indem Löhrmanns Linkempfehlungen aus Facebook eingebunden werden. Auch einen Blog betreibt Löhrmann auf ihrer Internseite. Doch irgendwie vermag man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles noch etwas zu blass bleibt. Wie der hellgrüne Hintergrund der Seite wirkt auch die Spitzenkandidatin in den unzähligen Links und Blogabsätzen wenig markant. Bei aller Kritik aber dennoch eine gut gemachte und benutzerfreundliche Internetseite.

Bündnis ’90/Die Grünen NRW

Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann

FDP

Den besten Eindruck von den Internetseiten der Landes-FDP und ihrem Spitzenkandidaten bieten die beiden oben stehenden Screenshots, die nahezu identisch aussehen. Bei der FDP aus Nordrhein-Westfalen wirken die Websites etwas liebloser als bei der politischen Konkurrenz, scheinen aus einem großen Baukasten innerhalb von kurzer Zeit zusammen geklickt zu sein. Da wundert es auch nicht weiter, dass der größte Teil der Startseite des Landesverbands aus Pressemitteilungen besteht, die mal mehr und mal weniger mit der bevorstehenden Landtagswahl zu tun haben. In der Seitenleiste wird es dagegen richtig modern, wenn die FDP den Entwurf ihres Wahlprogramms zur Diskussion freigibt. Eine Grafik weiter unten gelangt man zu den Sonderseiten für die Landtagswahl, bei denen man völlig überrascht sein muss. Sehr gut aufgegliedert stellt die FDP hier ihr Wahlprogramm, die Kandidaten und ihre wichtigsten Themenfelder vor. Es fehlt also scheinbar nur noch der Mut, diese so einfach angebotenen Informationen auf die Startseite zu übernehmen.

Nicht ganz so kurz ist der Weg für die Internseite des Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart. Der Eindruck der beliebig zusammengestellten Module will hier nicht wirklich weichen. Interessiert mag man den Link „Bürgerdialog“ anklicken und wird sich dann aber über ein hingeworfenes Formular zum Hochladen eigener Videos mit Fragen an den FDP-Chef ärgern. Keine persönliche Aufforderung zum Dialog ist nur bedingt höflich und signalisiert wenig Interesse. Ein ernüchternde Eindruck, den der „Innovationsminister“ von Nordrhein-Westfalen im Internet hinterlässt.

FDP Landesverband NRW

Innovationsminister Andreas Pinkwart

Linke

Landauf landab sieht fast jede Internetseite der Linken gleich aus. Ob Landesverband oder Ortsverband, alle setzen auf das bewährte Content-Management-System der Bundespartei samt mitgeliefertem Design. Aber nun muss das nicht zwangsläufig negativ sein. Im Gegenteil, die Gestaltung wirkt aufgeräumt und einladend; bietet den Gliederungen noch genug Möglichkeiten zur Anpassung an die eigenen Bedürfnisse. Würde man sich beider NRW-Linken noch etwas von der Vorliebe für Newsmeldungen als dominierenden Inhalt entfernen, könnte man sogar von ersten Wahlkampfspuren sprechen. Scrollt man ein bischen nach unten findet man leicht den Weg zur Kandidatenliste und dem Wahlprogramm, das für so viel Diskussion sorgte.

Von einer klar benannten Spitzenkandidatur halten die Linken in NRW offenbar nicht viel. Bärbel Beuermann führt die Landesliste an, doch findet man weder eine eigene Internetseite noch wird sie auf der Website des Landesverbands besonders hervor gehoben. Naja, vielleicht möchte man sich auch einfach auf Facebook mit ihr anfreunden.

Die Linke NRW

Piratenpartei

Als klarer Außenseiter geht die Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen ins Rennen. Doch die hohe Medienaufmerksamkeit zur Bundestagswahl und die schon fast klischeehafte Internetaffinität erlauben uns dennoch einen kurzen Blick. Stilecht wird die Parteiseite von einem Wiki betrieben, also von einer Wissensverwaltungs-Software, an der jeder Pirat mitarbeiten kann. Ob nun wirklich jeder Mitstreiter auch die Rechte hat, die Seite des Landesverbands zu bearbeiten?

Die neuen, unverkrampften Strukturen der Piratenpartei fördern mitunter auch die ein oder andere Stilblüte hervor. Der Spitzenkandidat der Piraten (Kapitän?) heißt Nico Kern und präsentiert sich im Netz nur mit seinem Wiki-Profil. Dabei trägt er sowohl hier als auch drüben bei twitter den Spitznamen „Teiler Doehrden“ und spielt damit auf den mehr chaotisch als politisch geprägten Kultfilm „Fight Club“ an. Das wirft eigentlich nur noch die Frage auf, nach welchem Kinohelden sich die anderen Spitzenkandidaten benennen würden. Ihr Einsatz, Herr Rüttgers.

Piratenpartei Landesverband NRW

Spitzenkandidat Nico Kern

Parteien im Web: Barrieren für Behinderte

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Mithilfe von Screenreader, Sprachausgabe und Braillezeile ist das Surfen möglich. Aber auch die Webseiten müssen einige Voraussetzungen mitbringen. Das Stichwort hierfür ist Barrierefreiheit. Wie sieht es in Sachen Zugänglichkeit bei den Kampagnen-Seiten der Parteien aus? Auch blinde und sehbehinderte Menschen möchten sich vor der Bundestagswahl über Personen, Programme und Themen informieren. Ist das möglich? Haben die Parteien an behinderte Bürger gedacht? Zusammen mit dem Accessibility-Experten Thomas Mayer habe ich die Startseiten der Parteien getestet.

CDU

CDU.de kommt sehr unübersichtlich daher. Es gibt keine Überschriften, die der Screenreader erkennen und anspringen kann. Ich muss mir die Seite komplett vorlesen lassen, weil ich auch keine Navigationsliste finde. Mich interessiert ein Video: „Eine Antwort auf die Angriffe der SPD“. Ich kann es nicht anklicken. Bei dem Kampagnen-Portal der CDU wurde offensichtlich nicht an Barrierefreiheit gedacht. Auffällig ist das Fehlen jeglicher HTML Strukturelemente. Die Schriftgröße kann im Internet Explorer nicht individuell eingestellt werden – das wäre für sehbehinderte User aber eine große Hilfe. Wichtige Inhalte, wie die Navigationsleiste in der rechten Spalte, sind als CSS-Hintergrundgrafiken angelegt. Damit sind diese Links für Nutzer von Screenreadern unzugänglich. Die Seite ist sehr Grafik-lastig, aber immerhin sind alle Bilder mit aussagekräftigen Alternativtexten versehen.

Fazit: Ungenügend.

SPD

Obwohl Parteien nicht gesetzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, erfüllt SPD.de viele Standards. Es wird neben der Standard-Version eine barrierefreie Ansicht ohne Animationen und JavaScript-Spielereien angeboten. Beide Versionen sind gut mit Überschriften und Listen strukturiert, alles lässt sich prima mit der Tastatur steuern und die Alternativtexte für Grafiken sind aussagekräftig. Als einzige Partei bietet die SPD Sprunglinks an, die es Tastaturbenutzern ermöglichen, direkt zum Inhalt der Seite zu springen.

Fazit: Gut.

FDP

Auch FDP.de hat strukturierte Listen und Überschriften, die mein Screenreader erkennt. Manche Grafiken und Überschriften bestehen für den blinden Leser aber nur aus Zahlen-Kolonnen. Es gibt kleinere Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung von Hintergrundgrafiken. Als einzige Partei bietet die FDP einen Styleswitcher an, mit dem die Nutzer die Schriftgröße verändern können.

Fazit: Befriedigend.

Grüne

Gruene.de begrüßt mich mit einem Link „Großbanken wie die Deutsche Bank müssen zu Transparenz gezwungen werden“. Ich erwarte aber als erstes eine übersichtliche Linkliste, so dass ich schnell die gewünschten Inhalte ansteuern kann. Diese Liste erscheint auf meiner Braillezeile aber erst ganz unten. Außerdem fehlen strukturierende Überschriften. Es werden zahlreiche Banner und Animationen eingesetzt. Bis auf einige Schaltflächen mit englischen Texten sind die Alternativtexte der Grafiken aussagekräftig. Trotzdem sind grafische Banner problematisch: Sie funktionieren nur bei einem visuellen Zugang und lassen sich nicht an individuelle Anforderungen (z.B. Schriftgröße oder Farbe) anpassen – somit können sehbehinderte User die Seite kaum nutzen. Weitere Probleme gibt es bei der Schriftvergrößerung. Die Schrift lässt sich zwar vergrößern, aber schon bei geringer Vergrößerung werden Inhalte abgeschnitten und sind nicht mehr lesbar. Auch bei den Grünen ist der Einsatz von Hintergrundgrafiken problematisch. Einige Bereiche, wie „Meine Kampagne“ oder der komplette Kopfbereich der Seite, sind dadurch unzugänglich.

Fazit: Mangelhaft.

Linke

Die-Linke.de erfüllt einige Standards der Barrierefreiheit: Überschriften und Listen sind so strukturiert, dass sie ein Navigieren vereinfachen. Grafiken haben einen Alternativtext. Die Linke verwendet für einige grafische Banner das HTML longdesc-Attribut. Dadurch sagt mein Screenreader bei einer Grafik „Drücken Sie Eingabe für lange Beschreibung“. Wenn ich das tue, kommt aber keine lange Beschreibung. Das Attribut wird falsch eingesetzt. Durch die Verwendung einer bestimmten JavaScript-Funktion in den Links der Navigation, ist das Angebot für Menschen, die keine Maus nutzen können und stattdessen mit der Tabulator-Taste durch eine Seite navigieren, im Internet Explorer praktisch nicht mehr nutzbar – somit schließt die Partei alle motorisch eingeschränkten User aus, die z. B. durch eine Spastik keine Maus benutzen können. Davon abgesehen gibt es noch Probleme mit der Schriftvergrößerung im Internet Explorer. Einige Bereiche lassen sich nicht vergrößern. Bis auf das Logo der Partei sind alle Grafiken mit Alternativtexten versehen.

Fazit: Mangelhaft.

Piraten

Piratenpartei.de kommt ohne Schnörkel daher. Für blinde und sehbehinderte Nutzer ist das erfreulicher als die Grafik- und Animationslastigen Angebote anderer Parteien. Anscheinend wird das Standard-Template des Content-Managment-Systems Drupal eingesetzt. Das ist aber kein Nachteil. Im Gegenteil, diese valide und gut strukturierte Vorlage ist eine gute Voraussetzung für eine barrierefreie Website. Es gibt eine Navigation, Grafiken sind mit Alternativtext beschriftet. Spezielle Optimierungen bezüglich der Barrierefreiheit sind aber nicht erkennbar.

Fazit: Befriedigend.

Zusammenfassung

Bis auf das Angebot der SPD hat jede Website größere und kleinere Probleme mit der Barrierefreiheit. Nur bei der SPD ist erkennbar, dass das Thema Barrierefreiheit bei der Entwicklung berücksichtigt wurde. Befriedigend sind die Auftritte der FDP und der Piratenpartei. Diese Websites wurden nicht speziell auf Barrierefreiheit optimiert. Sie profitieren aber von ihrer zeitgemäßen Umsetzung, die eine Grundversorgung in Sachen Barrierefreiheit sicherstellt. Die Grünen haben vor allen Probleme mit der individuellen Anpassbarkeit ihrer Inhalte. Die Linke disqualifiziert sich durch nur einen kleinen aber sehr schwerwiegenden Fehler. Nicht akzeptabel ist das Angebot der CDU.

Die Autoren:

Heiko Kunert (33) ist Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH). Er erblindete mit sieben Jahren durch einen Tumor. In seinem Blog und bei Twitter schreibt er über seine Arbeit und das blinde Leben in Hamburg.

Thomas Mayer (41) arbeitet für den BSVH als Berater im Projekt „barrierefrei informieren und kommunizieren“. BIK testet Websites auf ihre Zugänglichkeit und informiert Agenturen, Unternehmen und Behörden bei der Gestaltung ihrer Internet-Angebote.

Wahlprogramme 2009

Dialogbereitschaft der Parteien findet man nicht im Onlinewahlkampf 2009 und man hat sich schon damit abgefunden. Aber die Parteien scheitern im Netz schon daran, den Wählern von oben herab zu erklären, wofür sie eigentlich antreten.

Obwohl nicht mehr viele Wochen bis zur Bundestagswahl bleiben, scheinen die Parteien selbst ihre Wahlprogramme verstecken zu wollen. Mitten im Wahlkampf erwartet man doch einen Verweis zu den Wahlprogrammen, der prominent auf der Startseite platziert ist – doch man muss sich in einigen Fällen erst mühsam durch die halbe Internetseite klicken.

Programme nur als PDF

Leider haben die Parteien auch nicht aus den letzten Wahlen gelernt. Weiterhin sucht man vergeblich nach visualisierten oder zumindest zusammengefassten Wahlprogrammen. Stattdessen bietet man den Nutzern nur die üblichen nutzerunfreundlichen Komplettprogramme in pdf-Form.  Immerhin bieten die meisten Parteien wenigstens eine Auflistung ihrer wichtigsten Ziele an. Mal in Form einer Top 8, mal als Top 10. Die Linkspartei sowie die Piratenpartei sind die einzigen, die ihre Wahlprogramme auch in html anbieten und damit den Zugang insgesamt erleichtern.

Eine Besonderheit bietet die FDP an, die in einer Synopse die Wahlprogramme der fünf großen Parteien gegenüber gestellt hat. Das macht das Vergleichen immerhin ein bischen einfacher, auch wenn man sich durch 67 eng beschriebene Seiten arbeiten muss.

Um zumindest den Suchprozess zu vereinfachen listen wir im folgenden die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Linkspartei und Piratenpartei. Als Veranschaulichung haben wir von allen Parteiprogrammen Wortwolken erstellt. Um die zentralen Inhalte der Programme darzustellen, haben wir Kopf- und Fußzeilen entfernt und den reinen Text bei wordle nach seiner Gewichtung sortieren lassen.

CDU

cdu

Das Wahlprogramm der CDU als
PDF (2,5 MB) | In 10 Punkten

SPD

spd

Das Wahlprogramm der SPD als
PDF (0,5 MB) | In 8 Punkten

FDP

fdp

Das Wahlprogramm der FDP als
PDF (0,3 MB) | Video

Bündnis 90/Die Grünen

Grün

Das Wahlprogramm der Grünen als
PDF (1,2 MB) | In 10 Punkten

Linkspartei

linke

Das Wahlprogramm der Linken als
PDF (0,3 MB) | Internet

Piratenpartei

piraten

Das Wahlprogramm der Piraten als
PDF (0,4 MB) | Internet