Erschreckendes Twitter-Debüt

Kajo Wasserhövel ist Bundesgeschäftsführer und oberster Wahlkämpfer der krisengeschüttelten SPD und als solcher auch für den Internetwahlkampf zuständig. Die zuletzt neu gestaltete Präsenz der Sozialdemokratischen Partei im Netz hat positive Erwartungen geweckt. Um so schockierender, wie Wasserhövel heute in die Twitter-Welt eintrat.

kajogrossDabei ist zuerst der Zeitpunkt verwunderlich. In Wahlkampf-Maßstäben ist es nur noch eine Hand voll Zeit bis zur Bundestagswahl, als Kajo Wasserhövel heute seinen Account bei Twitter eröffnet. Als Leiter des Wahlkampfs sollte Wasserhövel die vielleicht am schnellsten an Bedeutung gewinnenden Plattform im Web eigentlich schon länger kennen. Dass er Twitter tatsächlich nicht kennt, zeigt sein erster Tweet:

schaue mir Twitter an und versuche es richtig zu verstehe :-)

Immerhin positiv anzumerken ist ja, dass er sich gar nicht einbildet, Twitter schon wirklich zu verstehen, wie viele andere es tun. Dennoch sollte er in seiner Position gar nicht genötigt sein, ehrlich seinen Informationsmangel zugeben zu müssen – er müsste Twitter schlicht aus dem Effeff kennen.

Ich bin mir nicht sicher, wie groß die Rolle von Twitter in einem Online-Wahlkampf der SPD auszusehen hat. Bestimmt wird Twitter nicht Hauptbestandteil der Kampagne. Eine lohnenende Ergänzung könnte es aber allemal darstellen, die kostenlose Reichweite wäre neben der obligatorischen Zweitverwertung durch die Medien erstrebenswert. Skizziert man nur mal eine mögliche Verwendung, zeigen sich schnell die Versäumnisse der SPD:

Frank-Walter Steinmeier wurde im Oktober zum Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten gekürt, etwa ein Jahr vor der Bundestagswahl. Sein Amt als Außenminister gehört zu den interessantesten und aufregendsten Berufen, die es in Deutschland gibt. Warum also nicht während seiner Arbeit twittern? Dass Steinmeier ein iPhone hat, ist der Netzgemeinde schon bekannt, technische Hindernisse wären so leicht auszuräumen. Der SPD-Kandidat hätte also ein ganzes Jahr Zeit gehabt, um sich und seine Arbeit und seine Person in kurzen Nachrichten einer interessierten Lesergemeinde zu vermitteln. Und das quasi kostenlos, mit dem iPhone aus dem Flugzeug oder vom Rücksitz der Limousine twitternd.

Verschenkte Aufmerksamkeit, nicht zuletzt durch Unwissen über die Möglichkeiten und Chancen der Plattform.

Wahlkampf offline

In keinem anderen Wahlkampf der jüngsten Zeit war so stark erkennbar wie wenig Geld die Parteien zur Verfügung hatten, wie in diesem Jahr in Hessen. Nachdem man im letzten Jahr in einen letztlich umfangreichen Wahlkampf viel Geld investiert hatte und auch kaum jemand daran dachte, dass es bereits 12 Monate später zu einer erneuten Wahl kommen würde, waren die Kassen nach der Landtagswahl relativ leer geräumt.

Doch wie bekannt kam es zu keiner Regierungsbildung und nun befinden sich die hessischen Parteien erneut im Landtagswahlkampf. Noch dazu im „Superwahljahr 2009“ in dem Europawahl und Bundestagswahl zu bewältigen sind. Zum Einen müssen die Parteien nun bereits für die anderen beiden Wahlen eingeplante Mittel anzapfen, zumAnderen wird auch darüber spekuliert, ob einige Parteien für den vorgezogenen Wahlkampf extra Kredite aufgenommen haben.
Dass die Kassen der Parteien jedoch schon bessere Zeiten erlebt haben und überall wo es möglich ist gespart wird, bemerkt man derzeit an einigen Stellen. So unter anderem auch an den Wahlplakaten.

In den letzten Wochen haben wir uns ausführlicher mit dem Wahlkampf der Parteien im Internet auseinander gesetzt und wollen nun auch die Plakatwerbung analysieren. Hierfür haben wir in den letzten Tagen die Wahlplakate in einigen hessischen Städten und Gemeinden fotografiert. Leider sind uns aber nicht alle Themenplakate vor die Linse gekommen, weshalb wir im folgenden eine kleine Auswahl anbieten.

Die finanzielle Notsituation der Parteien ist den Wahlplakaten dabei sehr deutlich anzusehen. Es wird fast einheitlich auf Schlichtheit und Text gesetzt. Anscheinend wurden für die Plakatgestaltungen dieses mal keine Werbeagenturen beauftragt, sondern Ideen und „Design“  kamen wohl direkt aus den Kampagnen. Man setze auf Inhalte, statt auf grafische Ausschmückungen. Doch über Sprüche wie „Wirklich wieder Koch?“ gehen die Inhalte meist dann doch nicht hinaus.
Selten wurden den Wählern solch kontrastarme Plakate geboten, die den Anschein erwecken, dass sie auf Grund der raschen Neuwahl in  Nacht und Nebelaktionen entstanden seien. Noch dazu kommt, dass es sich bei fast allen Themenplakaten um Negativwerbung (negative campaigning) handelt. Es wird also gezielt der Gegner angegriffen. Doch ohne Ausnahme bleiben diese themenlos, dies zeigen Sprüche wie „Unser Wort gilt“ der FDP.

plakatwand

Positive Ansätze können zumindest in den Plakaten der CDU gesehen werden, die zeigen, dass wenigstens etwas Geld in die Plakatgestaltung investiert wurde. So wird auf einem blauen, zur Jahreszeit passenden, Farbton der Leitspruch „In Zeiten wie diesen“ dargestellt, der sich von dem Rest des Plakates durch eine orangene Schriftfarbe absetzt.

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Noch schlichter sieht es bei SPD, FDP und Grünen aus:

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Anderes ist bei der  Linkspartei zu erkennen: während sie im laufenden Wahlkampf bisher kaum in Erscheinung getreten ist, stelltdie Linke die einzige hessische Partei dar, die es geschafft hat thematische Plakate samt Visualisierungen rechtzeitig fertig zu stellen. So geht die Partei beispielsweise mit einem Themenplakat auf das Thema „Arbeisplatzsicherheit“ ein. Doch anders als die CDU belässt man es nicht bei dem – auch hier wenig einfallsreichen – Slogan, sondern ergänzt diesen durch weitere Informationen, die erst beim genaueren Betrachten des Plakates zu erkennen sind. Aber das eigentlich interessante ist, dass der Slogan durch ein Bild von den Opelwerken in Rüsselsheim und eine Uhr, die fünf vor zwölf zeigt, ergänzt wird. In Anspielung an die aktuelle Krise bei Opel.

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Auffällig ist auch, dass die Grünen in diesem Jahr auf ein Spitzenkandidatenplakat setzen. Im letzten Wahlkampf hatten man auf Großplakatwänden noch auf Themenplakate gesetzt, während man nun ein Kopfplakat des Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir vorzieht. Dies ist für die Grünen schon ein Schritt bei dem es verwundert, dass er weitestgehend umkommentiert blieb. Denn gerade dort  waren reine Personenplakate bislang eher unbeliebt. Nun geht man den in der Gesellschaft angesagten Trend mit und präsentiert leicht verdauliche Kost für die Wählerinnen und Wähler, die den Wahlkampf lieber an Personen fest machen wollen als an, oftmals vielschichtigen, Parteien.

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In Sachen Design scheint es also so, als ob den Parteien insgesamt gesehen entgangen sei, dass Plakatwerbung weiterhin ein wichgtiges Mittel im Wahlkampf darstellt, das nicht zu unterschätzen ist.
Bei der CDU hat man unterdessen jedoch in manchen hessischen Gemeinden (wie hier im Landkreis Marburg-Biedenkopf) das Gefühl, man versuche die fehlende Qualität in diesem Jahr durch Quantität zu ersetzen:

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Von den sogenannten „sonstigen“ Parteien ist momentan nichts zu sehen. Es ist zu erwarten, dass auch diese unter der finanziellen Belastung durch die Neuwahlen leiden und auf Wahlplakate, zumindest im großen Stil, verzichten werden. Es bleibt abzuwarten, ob die FWG noch plakatieren wird. Von unserer Seite konnten jedoch nur die hier dargestellten Plakate von CDU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei entdeckt werden.

Doch trotz all dem findet man immerhin eine Neuerung im Rahmen des diesjährigen Plakatwahlkampfes. Sowohl  SPD als auch Grüne bieten im Internet die Möglichkeit der Plakatspende. Eine neue, aber gar nicht mal so dumme Idee. Möglicherweise könnte hierin gar ein Web2.0-Element im Wahlkampf der Parteien erkannt werden. Denn die Spender haben die Möglichkeit online zu bestimmen, wo das von Ihnen gesponserte Plakat aufgestellt bzw. plakatiert werden soll. So kann sowohl der Standort als auch der Zeitraum der Plakatierung vom Spender entschieden werden. Dieser bekommt seine Spende also direkt vor Augen und kann sich vergewissern, dass mit seinem Geld auch das finanziert wurde, was er bezahlt hat. Aber das entscheidende dabei ist, dass er  – wenn auch in einen beschränkten Rahmen – die Möglichkeit hat, auf den Wahlkampf seiner Partei Einfluss zu nehmen. Das heißt nicht alleine die Partei-Kampagne bestimmt, wo Plakatwerbung zu erfolgen hat.
Interessant wäre natürlich zu erfahren, ob überhaupt und wenn ja wie stark dieses Möglichkeit von den Parteianhängern wirklich genutzt wird. Doch es bleibt zu erwarten, dass die Kosten für ein einzelnes Plakat zu hoch sind um wirklich viele Einzelspender zu finden.

Rückblick 2008

Nach der Betrachtung der neuen Plakate scheint es nun sinnvoll, sich vergleichend dazu die Plakate des letzten Wahlkampfes noch einmal vor Augen zu führen. Dabei fällt sofort auf, dass sich die Parteien im letzten Jahr vor allem graphisch ausgefeilter präsentierten.
Beispielsweise die SPD mit ihren Plakaten „Jeder kann…“, „Koch kocht…“ und der sogenannten „Koch-Initative gegen erneuerbare Energien e.V.“:

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Und auch die Grünen verbanden prägnante Sprüche mit interessanten Bildern:

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Aus dem Rahmen fiel dabei natürlich trotz allem die CDU-Kampagne gegen Ende des Wahlkampfes. Doch auch insgesamt setzte die CDU stärker auf Textbotschaften, als auf Grafiken oder Bilder:

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Weitere Motive findet man im großartigen Archiv von politik-visuell oder bei der CDU, SPD 1 & 2 &3, FDP, Grüne und bei der Linken.

Fazit

Ob nun die Parteien aus dem letztjährigen Wahlkampf die Erkenntnis mitgenommen haben, dass bildgewaltige Plakate sich nicht lohnen und aus eben diesem Grund auf großflächigsten Text gesetz haben, darf bezweifelt werden. Die These der knappen Kassen und eines damit einhergehenden Verzichts auf teure Werbeagenturen ist sicherlich nicht ganz haltlos, wenn auch nicht offiziell bestätigt.

Gerade bei SPD und Grünen fällt der Unterschied am Meisten auf, deren Wahlplakate im letzten Jahr hochprofessionell wirkten. Auch die Linke konnte grafisch im letzten Jahr mehr überzeugen. Die FDP präsentiert sich gestalterisch auf ähnlich niedrigem Niveau. Einzig die CDU konnte optisch dazu gewinnen, die neue Plakatserie sieht wesentlich reifer und souveräner aus.

Ein schlechtes Jahr für die SPD

2008 war nun wirklich nicht das Jahr der Sozialdemokraten. Dabei war man so zuversichtlich in das Wahljahr gestartet. Schließlich begann Roland Koch sich gerade durch die Debatte um straffällige Jugendliche selbst zu demontieren und die SPD-Spitzenkandidatin erlebte einen nicht erwarteten Sympathieaufschwung. 50 Prozent aller Hessen wünschten sich Anfang des Jahres Andrea Ypsilanti als neue Ministerpräsidentin, nur 33 Prozent hätten lieber Roland Koch wieder im Amt gesehen. Doch der erste Dämpfer ließ nicht lange auf sich warten.

Wolfgang Clement, der ehemalige Superminister der Ära Schröder, stellte in einem Gastbeitrag für die Welt am Sonntag Andrea Ypsilanti auf Grund ihrer Klima- und Energiepolitik als nicht wählbar dar und spielte damit Roland Koch einen indirekte Steilvorlage. Clement selbst gehört seit 2006 dem Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG an. Die hessische SPD-Basis forderte daraufhin empört den Parteiausschluss Clements.

Trotz all dem schaffte es die hessische SPD Roland Koch und seiner CDU einen starken Stimmenverlust zu zufügen und so lag die SPD am Ende fast gleich auf mit der CDU. Der Einzug der Linken in den Landtag und das für die anderen Parteien schmerzhafte Erwachen in einem Fünfparteiensystem führte jedoch dazu, dass kein einfaches Bündnis der Farbcoloration schwarz-gelb oder rot-grün zustanden kam.

Wahlniederlage in Niedersachsen

Taggleich erlebten die Sozialdemokraten einer bitteren Wahlniederlage in Niedersachsen. Der amtierende Ministerpräsident Christian Wulff erreichte 42,5 Prozent und konnte, trotz des Einzuges der Linken, zusammen mit der FDP die Mehrheit stellen. Die SPD konnte nur 30,3 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. In dem niedersächsischen Wahlkampf schaffte es die SPD kaum, an prominenter Stelle aufzufallen. Viele Wähler kannten den SPD-Spitzenkandiaten Wolfgang Jüttner auch im Wahlkampf einfach nicht.

Regierungsbildung in Hessen?

In Hessen gestaltete sich die Regierungsbildung derweil als besonders schwierig. Andrea Ypsilanti hatte im Wahlkampf – und zu ihrem späteren Bedauern, noch in der Elefantenrunde am Wahlabend – beteuert, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei jeglicher Art kategorisch abzulehnen. Doch als sich zeigte, dass keine andere Möglichkeit mehr offen stehen würde, musste Ypsilanti sich entscheiden zwischen den beiden Möglichkeiten. Neuwahl oder doch das Wagnis einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

Am Ende hoffte man in einer rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung und Unterstützung der Linkspartei die Lösung gefunden zu haben. Diesen Plan machten relativ schnell die eigenen Abgeordneten und in diesem Zusammenhang damals vor allem die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger zu Nichte.

Verlust des Koalitionspartners in Hamburg

Doch auch anderswo in Deutschland sah es nicht besser für die Sozialdemokraten aus. Denn in Hamburg zeichnete sich nach der Bürgerschaftswahl und der Wahlniederlage der SPD der Verlust des potentiellen Koaltionspartners und das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene ab. Und während man auf Seiten der Hamburger SPD noch erzürnt hoffte, dass ein solches Bündnis auf Grund mehrerer inhaltlicher Knackpunkte noch während den Koalitionsverhandlungen scheitert, kam die Zusammenarbeit schneller zustande als die meisten Beobachter erwartet hatten. Für die SPD schmerzhaft kam dabei hinzu, dass auch in anderen Bundesländern die Rufe nach dem Ende eines automatisierten Bündnisses zwischen Grünen und SPD bei den Mitgliedern der Grünen lauter wurden und Jamaika und Schwarz-Grün nicht mehr überall für völlig utopisch gehalten wurden.

Rücktritt von Kurt Beck

Kurt Beck, damaliger SPD-Bundesvorsitzender, machte in all dieser Zeit eine eher unglückliche Figur und schaffte es auch nicht eine Ordnung in die Debatte um die politische Situation in Hessen zu bringen. Ypsilanti wertete dies als Persilticket für das von ihr geplante rot-rot-grüne Bündnis.
Nach massivem öffentlichem und innerparteilichem Protest, aber vor allem auch unter Einfluss der Medien trat Kurt Beck dann am 7. September 2008 von seinem Amt als Parteivorsitzender der SPD zurück. Seinen Posten übernahm der ehemalige Parteivorsitzende Franz Müntefering, der mit seinem Comeback für viele der einzige SPD-Lichtblick in diesem Jahr darstellte.

„Wortbruchdebatte“ in Hessen

Nach dem ersten Scheitern der Wiesbadener Regierungsbildung startete Andrea Ypsilanti nach der Sommerpause einen erneuten Anlauf für eine rot-grüne Minderheitsregierung. Im Rahmen einer Reihe von Regionalversammlungen wurde die Basis auf das Bündnis eingestimmt und nahm wieder langsam an Fahrt auf.

Diese Zeit wurde vor allem von der so genannten „Wortbruchdebatte“ dominiert. Die, zum Schrecken der Bundespartei, auch vor den hessischen Landesgrenzen nicht halt machte. So hielten im Deutschlandtrend der ARD im November 2008 59 Prozent der Wähler die Aussage „SPD und Linkspartei arbeiten nach der Bundestagswahl“ für nicht glaubwürdig. Damit erreichte der Schaden nicht mehr nur die hessische SPD sondern war auch bundesweit angekommen.

Zweiter Versuch der Regierungsbildung in Hessen

Die hessische SPD ging trotzdem weiter ihren Weg und schaffte es, einen Koalitionsvertrag mit den Grünen auf die Beine zu stellen. An diesem Papier war sehr deutlich zu erkennen, in welcher Position sich die SPD befand. In den Bereichen Schul- und Umweltpolitik waren teilweise fast wortwörtliche Auszüge aus dem Landtagswahlprogramm der Grünen wieder zu finden, die SPD also viele Zugeständnisse machte. Doch noch immer war die eigene Fraktion uneinig. In den Medien wurde teilweise gar von der abstrusen Idee berichtet, dass SPD-Abgeordnete den Wahlakt zur Ministerpräsidentenwahl Anfang November mit den Digitalkameras ihrer Mobiltelefone in der Wahlkabine dokumentieren sollen, um somit Druck auf mögliche Abweichler auszuüben. Doch soweit ließen es die vier in die Öffentlichkeit getretenen „Abweichler“ erst gar nicht kommen. Trotz der eindeutigen Entscheidungen auf den Parteitagen von SPD (95 Prozent Zustimmung) und Grünen (98 Prozent Zustimmung), entdeckten diese am Tag vor der Wahl ihr Gewissen.

Ende des „Experiments Ypsilanti“

Damit war das „Experiment Ypsilanti“ gescheitert und die Regierungsbildung an ihrem endgültigen Ende. Nach dem sich die anderen Parteien relativ schnell auf Neuwahlen geeinigt hatten, musste auch die SPD sich dem Druck beugen. Die Abgeordneten sahen sich gezwungen, den Landtag am 18. November 2008 aufzulösen. Andrea Ypsilanti gab frustriert auf, als Nachfolger wurde der bis dahin weitgehend unbekannte Abgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel aus Gießen benannt.

Wolfgang Clement tritt aus der SPD aus

Die  nächste negative Schlagzeile lies nicht lange auf sich warten. Der Fall Wolfgang Clement wurde erneut aufgegriffen. Die SPD-Führung hatte in Berlin am 24. November 2008 das Verfahren mit einer Rüge durch das Parteischiedsgericht abgeschlossen und sah damit von einem Parteiausschluss ab. Clement unterdessen reichte die Rüge aus, um der SPD endgültig den Rücken zu kehren und öffentlichkeitswirksam am Folgetag aus der Partei auszutreten. Als einen Grund für den Austritt nannte er auch eine mangelnde Abgrenzung der SPD zur Linkspartei.

Die aktuelle Situation

Auch die letzten Sonntagsumfragen der großen Meinungforschungsinstitute lassen wenig Hoffnung zu. So steht die SPD derzeit in allen Umfragen zwischen 23 Prozent und 26 Prozent. Keine gute Ausgangslage für das Superwahljahr 2009 mit Bundes-, Europa- und mehreren Landtagswahlen. Den Auftakt macht die hessische Landtagswahl am 18. Januar 2009, die Wahl scheint für die SPD bereits jetzt gelaufen.

Es zeigt sich also, dass sich die Sozialdemokraten derzeit auf allen Ebenen in einem selbstzerstörerischen Richtungsstreit befinden. Deshalb wird vieles von der kommenden Landtagswahl in Hessen abhängen, die zeigen wird, ob eine Handlungsfähígkeit der SPD überhaupt noch vorstellbar ist. Mehr denn je zeigt sich, dass die SPD es schaffen muss, ihre verschiedenen Flügel zu vereinen. Nur so kann sie es verhindern, im kommenden Jahr bei den anstehenden Wahlen in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei idea.de

Hessenwahlkampf 2.0 – SPD

Am 18. Januar wird der neue hessische Landtag gewählt. Ein extrem kurzer Wahlkampf wird es werden. Noch dazu haben sich die Parteikassen noch nicht richtig vom letzten Wahlkampf erholen können, der gerade einmal ein Jahr her ist. Gute Voraussetzungen also, dass die hessischen Parteien also das eher kostengünstig als Werbemittel einzusetzende Internet neu für sich entdecken. In einer fünfteiligen Serie nimmt Homo Politicus 4 Wochen vor der Wahl die Internetauftritte der hessischen Parteien unter die Lupe.

SPD Hessen im Internet, www.spd-hessen.de

spd_startspd_lvBeim Aufruf der Adresse spd-hessen.de erscheint am heutigen Samstag nicht sofort die Internetseite des Landesverbandes, sonder eine Landeseite mit Videoübertragung vom Landesparteitag (die übrigens im Gegensatz zu der der CDU bei mir funktioniert). Außerdem wird direkt auf die Internetseiten der Partei und des Spitzenkandidaten hingewiesen, zu Wahlkampfhilfe aufgerufen und sogar auf die Profile Schäfer-Gümbels bei Sozialen Netzwerken wie Facebook, Wer kennt wen, YouTube und StudiVZ hingewiesen. Das verspricht eine ungekannte Innovationsfreude.

Der Auftritt des Landesverbands begrüßt dann auch in sehr freundlichem Design mit dem Motiv der „wiederkehrenden Roten“ im Titel. Man kann darüber streiten, ob das Plakatmotiv eine so geschickte Wahl war, doch die drei lachenden Weihnachtsmänner machen mir persönlich einfach gute Laune. Auch der ganz oben zu sehende Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel lächelt kaum weniger freundlich aus dem Monitor. Direkt unter seinem Porträt bekommt man weitere Informationen über den doch etwa unbekannten Abgeordneten angeboten. Gut gelöst. Weiterlesen

Weihnachtswortbruch ?

In der Nacht zum Sonntag hat die sechs Wochen Frist begonnen, ab der Parteiplakate für die kommende Landtagswahl geklebt werden dürfen.
Zumindestens unter der Hand hatten sich die hessischen Parteien eigentlich darauf verständigt, dass es keinen Plakatwahlkampf vor Weihnachten geben wird. Vor allem auch aus Kostengründen, da die Kassen der Parteien auf Grund des zweiten Wahlkampfes innerhalb eines Jahres und dem kommenden „Superwahljahr“, für den jetzigen Landtagswahlkampf nicht mehr besonders viel hergeben.

Während, die in vielen hessischen Städten und Gemeinden bereits aufgestellten Plakatwände noch leer sind, haben sich SPD und CDU in Gießen über das Wochenende dran gemacht erste Plakatständer an den Straßenlaternen zu installieren. Und so grüßt seit heute die Gießener Bürgerinnen und Bürger nicht nur der CDU-Weihnachtsbaum („Gesegnete Weihnachten.“), sondern auch der SPD-Weihnachtsmann. Das SPD-Plakat zeigt zwei Weihnachtsmänner (bzw. im Großformat drei) mit der Überschrift „Die Roten kommen wieder!“ und einem Weihnachtsgruß des Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel (mittlerweile in Hessen nur noch TSG) darunter.

Laut Gießener-Allgemeine sei auch die FDP in den Plakatwahlkampf eingestiegen (kann von meiner Seite aus bisher noch nicht bestätigt werden). Derzeit würden nur die Grünen und die Linkspartei noch bis nach Weihnachten warten wollen, um dann in den Plakatwahlkampf einzusteigen.

Doch andernorts hat es auch die Linkspartei scheinbar nicht mehr ausgehalten. So waren heute Abend in der Gießener Nachbarstadt Wetzlar bereits, an allen offiziellen Plakatflächen der Stadt, Informationsplakate der Linkspartei für eine Wahlveranstaltung zu finden. Während dort alle anderen Parteien sich bisher an die Abmachung halten.

In Gießen schieben sich derweil SPD und CDU gegenseitig die Schuld, für das Plakatieren, in die Schuhe. So kündigte die Gießener CDU an, erst zum Jahreswechsel die eigentlichen „Themen- und Kopfplakate“ zu kleben. Denn man habe sich nur dazu entschlossen zu plakatieren, da ein vollständiger Plakatverzicht in Gießen insbesondere an der SPD gescheitert sei. Diese machen wiederrum aufmerksam, dass die CDU ihre Plakatierung Medienwirksam inszeniert habe und ein möglicher Verzicht nicht erkennbar gewesen sei.

Insgeamt bin ich nun vor allem gespannt darauf, wie die CDU in den nächsten Tagen auf die Weihnachtsmänner reagieren wird („Das neue Weihnachtsmärchen der SPD!“ oder ähnlich???)…

Nur noch eine Anekdote am Rande:
Nur wenige 100 Meter von CDU und SPD entfernt, stach einem dann die nächste Werbung ins Auge und zeigte mal wieder, dass auch die kommerziellen Plakatwandbetreiber manchmal nicht so richtig darauf achten, was sie kleben.
Zwei Plakatwände nebeneinander: Auf der linken Seite ein Plakat der „Christoffel-Blindenmission“ mit der Überschrift „Auf Wiedersehen, Mama!“, und der Aufforderung für Spenden um Graue-Star-Operationen in Entwicklungsländern durchführen zu können. Doch das nächste Plakat direkt rechts daneben, wirkte in diesem Kontext dann doch sehr unpassend. So warb dort eine Brauerei für ihr „Königliches Dunkel“….
Werbung ist manchmal doch eine schwierigere Sache, als man annimmt…