Internetseiten zur Landtagswahl: Runde 2

Zwei Wochen vor der Landtagswahl ist nun jede der Parteien voll im Wahlkampf angekommen und wir können einen zweiten Blick auf die Internetseiten von Landesverbänden und Spitzenkandidaten werfen. Im Februar hatten wir erstaunlich moderne Internetseiten bei SPD und CDU angetroffen, aber noch eher schwache Auftritte der Spitzenkandidaten. Was hat sich bis heute getan?

Wenig Bewegung bei den Internetauftritten

Auf den großen Portalseiten der CDU Nordrhein-Westfalen und der NRWSPD hat sich nicht viel verändert. Lediglich in den großen Bilderbühnen finden sich nun immer mehr Hinweise auf die Landtagswahl. Bei der CDU scheint man Jürgen Rüttgers nun als sympathischen Familienmenschen positionieren zu wollen und lässt ihn daher häufiger gemeinsam mit seiner Frau auftreten. Die SPD setzt offensichtlich einige Hoffnung in das TV-Duell am morgigen Montag und fordert ihre Unterstützer auf, das TV-Duell gemeinsam auf TV-Parties im ganzen Land anzusehen. Dass sich nicht viel geändert hat auf den Seiten ist aber dank der guten Ausgangslage im Februar nicht wirklich tragisch. Zwar könnte man bei der CDU den Weg zu Grundinfos wie den Kandidatenlisten oder dem Programm noch etwas leichter machen, aber der gute Eindruck bleibt bestehen.

Wenig getan hat sich auch auf manchen anderen Seiten. Jürgen Rüttgers feiert immer noch seine Dialogbereitschaft und hat den Seitentitel „Meine Seite ist Ihre Seite“ immerhin um seinen Namen ergänzt. Die Auftritte der FDP und ihrem Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart ähneln sich immer noch sehr, auch wenn auf den liberalen Seiten nun Querverweise zur Themenseite Landtagswahl NRW und ein Countdown zum Wahltag eingebaut sind. Auch bei der LINKEN lockt weiterhin der Baukasten-Charme, ebenfalls um zahlreiche Links in der Seitenspalte ergänzt. Einen Internetauftritt ihrer Spitzenfrau Bärbel Beuermann sucht man immer noch vergebens. Aber es kann ja auch nicht jede Politikerin so engagiert online sein wie Sylvia Löhrmann.

Grüne wollen den Wechsel in NRW

Zwei Internetseiten jedoch wurden seit unserem letzten Artikel zum Thema im Februar generalüberholt. Wie schon damals angedeutet haben die Grünen in NRW ihren Auftritt einem Relaunch unterzogen und präsentieren sich als die junge, gestaltungshungrige Oppositionspartei. Zentrales Element der Seite ist ein gigantischer Countdown „bis zum Wechsel in NRW“. Darunter präsentiert sich die Seite handwerklich solide gemacht und ermöglicht jederzeit den schnellen Einstige in Themen, Wahlinfos oder Wahlkampfaktionen. Auch die Grünen greifen das TV-Duell auf und wollen live zur Austrahlung ein Transkript anfertigen – garniert mit grünen Kommentaren.

Hannelore Kraft erzählt ihre Geschichte

Ebenfalls neu gestaltet wurde der Auftritt der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Im Februar hatten wir über die alte Seite geschrieben:

Gegen die so innovative Optik der nrwspd.de wirkt es schon wie ein Rückfall in ein anderes Jahrzehnt, was den Besucher von hannelore-kraft.de erwartet. Auch wenn der Besucher persönlich von der SPD-Vorsitzenden angesprochen wird, wird er sich hier kaum gut aufgehoben fühlen. Die Seite wird dominiert von Pressemitteilungen und lieblos aufbereiteten Steckbriefen. Wenn man es nicht wüsste, käme man nicht einmal auf die Idee, dass Hannelore Kraft gerne Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen werden möchte.

Ganz im Stil der Seite der NRWSPD zeigt sich jetzt auch hannelore-kraft.de modern und freundlich gestaltet. Warum man Frau Kraft gleich zweimal auf der Startseite mit dem gleichen Foto ins Layout eingebunden hat, wird zwar das Geheimnis der Grafiker bleiben, aber das kann wenig am positiven Gesamteindruck ändern. Die praktische Bildbühne dominiert die Startseite und wird durch Meldungen, Termine und ein paar Bildverweise ergänzt.

Das wirkliche Highlight der Seite aber ist fast schon etwas schwer zu erkennen. Neben der Titelgrafik findet sich ein nicht einfach als Button zu erkennendes Bild von Hannelore Kraft in jungen Jahren, das überschrieben ist mit „Mein Name ist Hannelore Kraft. Mein Leben ist eine Geschichte aus NRW“ und zum „Kennenlernen…“ auffordert. Dahinter verbirgt sich eine wahnsinnig aufwändig und liebevoll gemachte Diashow, in der Hannelore Kraft ihre Lebensgeschichte erzählt. Mit detailverliebten Folien voller charmanter Fotos inklusive modischem Flashback stellt sich die Spitzenkandidatin dem interessierten Besucher vor. Besonders überzeugend ist, dass ihre Lebensgeschichte offensichtlich sehr gut zu ihrem politischen Programm zu passen scheint.

Mit dieser Diashow könnte ein wenig dynamisch oder interaktives Element tatsächlich die Innovation des Online-Wahlkampfes 2010 sein. Dem Nutzer eine Geschichte erzählen, ihn so für die Anliegen und Person eines Kandidaten zu begeistern ist eine viel zu gute Idee, als dass sie eher versteckt auf der Seite platziert sein sollte. Ob bei einer zukünftigen Adaption durch andere Politiker und Politikerinnen dann ausgerechnet das wenig offene Flash als Basis dafür herhalten muss (man denke nur an die ausgeschlossenen iPad-Nutzer ;-) ), wird sich wohl noch zeigen.

Unterstützerkampagnen und Parteien: Das Kraftvoll in NRW

Nur selten bekommen Direktkandidaten in Wahlkämpfen öffentliche Aufmerksamkeit, die über den eigenen Wahlkreis hinaus geht. Sie treten als örtliche Gesichter ihrer Partei auf und arbeiten scheinbar nur in zweiter Linie für sich selbst. Im ‚Webrestaurant Kraftvoll‘ wird nun das Scheinwerferlicht auf die Kämpfer aus der zweiten Reihe gerichtet. In jeder Episode stellt der virtuelle Restaurantchef Stephan Braun einen oder mehrere Direktkandidaten aus der NRW-SPD vor. Die Arbeit hinter den Kulissen macht sich aber nicht die SPD, sondern Stephan Braun mit einigen Freiwilligen selbst. Ein Überblick über Unterstützerkampagnen in Deutschland.

schroeder98.de

Unterstützerkampagnen im Internet sind nicht erst seit Barack Obama zu finden, wie man als junger Mensch heute schon fast vermuten könnte. Schon im Bundestagswahlkampf 1998 fanden sich drei Sympathisanten von Gerhard Schröder zusammen und bauten mit schroeder98.de eine „nicht-autorisierte Schröder-Homepage“.  Die Kölner Illustrierte berichtete im August ’98:

„Der Wunsch, etwas über die Person Gerhard Schröder zu erfahren, wächst mit jedem Tag, den die Wahl im September näherrückt“, erklärt Oliver Zeisberger. Aus diesem Grund hat der Diplomkaufmann und selbständige Multimedia-Berater zusammen mit den Studenten Tim Bonnemann und Florian Koller die Initiative schroeder98.de gegründet. Das Ergebnis der Arbeit der drei Kölner kann im Internet unter www.schroeder98.de abgerufen werden. „Das Bild, das wir von Schröder aus den Kategorien Person, Crew, Politik und Unterstützer zusammensetzen“, so Zeisberger, „ist jetzt schon vielfältiger als alles, was im Internet derzeit gesammelt verfügbar ist.“

Für die politische Wissenschaft war die Trennung von offiziellen Parteistrukturen schon damals von Interesse. Dr. Christoph Bieber schreibt dazu in seinem 1999 erschienen Buch “Politische Projekte im Internet”:

“Eine kommerzielle ‘digitale Agentur’ aus Köln sicherte sich die Namensrechte und entwickelte das Angebot ohne direkten Kontakt zur SPD-Wahlkampfzentrale. Dieses Modell folgt dem Muster der amerikanischen ‘Political Action Comittees’, die als externe Unterstützergruppen in nahezu allen personenbezogenen Wahlkampagnen fungieren. Daß [sic!] dies in Deutschland erstmals in prominenter Stelle via Internet geschieht, liegt in den vergleichsweise geringen Kosten für die Entwicklung und Unterhaltung einer solchen Web-Site und dem damit verbundenen Werbeeffekt. Aus einer analytischen Perspektive ist hier aber vor allem das Aufbrechen der klassischen Akteursverteilung innerhalb einer Wahlkampagne von Bedeutung” (Bieber 1999: 143).

Für die Parteien waren die Unterstützerkampagnen also ein zweischneidiges Schwert. Während sie sicherlich begeistert waren, dass Begeisterung für ihre Kandidaten in eigenes Engagement umschlug, verloren sie doch die Kontrolle über einzelne Elemente ihres Wahlkampfes. Springen wir einige Jahre vorwärts und werfen einen Blick auf das Webcamp09, das sich für die Wiederwahl des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) stark machte.

Webcamp09

Als nach der gescheiterten Regierungsbildung von Andrea Ypsilanti im Herbst 2008 klar wurde, dass es sehr bald zu Neuwahlen kommen würde, kam auch im Umfeld der hessischen CDU die Idee einer Unterstützerkampagne auf. Im Gegensatz zu bisherigen Prototypen von Unterstützerkampagnen aber kam der Impuls nicht unmittelbar von Außerhalb, sondern ging von Mitgliedern der Jungen Union aus. Innerhalb weniger Wochen wurde das Webcamp09 auf die Beine gestellt – mit tatkräftiger Unterstützung der Landes-CDU. In unserem Bericht der Kampagnenpraxis zum Webcamp zeigten wir, wie nahe das Webcamp auch im Kampagnenalltag an die CDU angebunden war:

„Das Webcamp steigerte seine Bekanntheit durch gezielte und medienwirksame Provokationen wie einem Webvideo. Vor allem aber war die Internetkampagne Teil der Gesamtstrategie und erhielt darin einen klar definierten Platz. Die CDU bewarb das Webcamp auf allen eigenen Kanälen und baute es in ihre Kommunikation ein. Andererseits berichtete die Webcamp-Website über die Aktivitäten der CDU, insbesondere diejenigen im Internet, und machte sie zu einem Teil des Austauschs und der Auseinandersetzung auf der Plattform.“

Das erfolgreiche Konzept des Webcamps findet sich auch im Landtagswahlkampf 2010 in Nordrhein-Westfalen wieder. Ein Blick auf NRW für Rüttgers zeigt die Ähnlichkeiten auf. Wieder bloggen, twittern und schreiben Mitglieder der Jungen Union über den Wahlkampf und statt Roland Koch nun über Jürgen Rüttgers.

Kraftvoll – Das Webrestaurant

Mit dem Kraftvoll zeigt sich in NRW nun eine dritte Ausbaustufe der Unterstützerkampagnen. Nach der völlig eigenständig agierenden Kampagnenseite schroeder98.de und dem stark an die Partei gebundenen webcamp09 bildet das Kraftvoll wieder eine größere Eigenständigkeit – wird aber von der NRW-SPD mit Freude aufgegriffen. Die Videos von Stephan Braun und seinem Team finden sich im offiziellen Youtube-Kanal der SPD Nordrhein-Westfalen und werden im parteieigenen Blog und über Twitter prominent weiterempfohlen. In regelmäßigen Abständen werden im Kraftvoll in meist sechs bis sieben Minuten langen Videos die SPD-Direktkandidaten vorgestellt. Man hat sich für die Interviews das fiktive Setting eines Restaurants ausgedacht, in dem die Kandidaten von einem Kellner interviewt werden.

Stephan Braun, der den Kellner spielt und dessen Agentur die Videos produziert, hat schon im Kommunalwahlkampf mit diesem Konzept eine Unterstützerkampagne für den Wuppertaler Oberbürgermeisterkandidaten von der SPD umgesetzt. „Wir sind Bell“ hieß die Kampagne 2009 und suchte mit kreativen Ideen nach Unterstützern für Dietmar Bell. Im Vorfeld der Landtagswahl 2010 wurde Braun nun von der NRWSPD gefragt, ob er sich eine änhliche Arbeit auch für die Landtagswahl vorstellen könne. Drei konkrete Ideen wurden verfolgt: vom Supermarktverkäufer, über einen rasenden Reporter bis hin zum letztlich ausgewählten Restaurantbesitzer. Die Ideen seien zwar gemeinsam mit der SPD erörtert worden, doch seit dem genieße er völlige Freiheit, was seine Unterstützerkampagene angeht.

„Das ist schon enorm, nur wenige Parteien machen so etwas und sind so mutig, auf einen Teil ihres Einflusses zu verzichten.“

Die SPD wolle zwar natürlich wissen, was „mit ihren Namen passiert“, aber das ist für Braun nur verständlich. In allem anderen sei man aber völlig frei. Die NRWSPD gibt damit den Unterstützerkampagnen wieder mehr Freiheit und realisiert, dass so wertvolle Arbeit für ihren anvisierten Wahlerfolg auch außerhalb der eigenen Kapazitäten geschehen kann. Unterstützerkampagnen werden nicht mehr ignoriert oder ins eigene Team eingebunden, sondern als Ergänzung verstanden.

Ypsilantis solidarische Moderne

Andrea Ypsilanti, Sven Giegold, Katja Kipping, Franz Alt, Michael Brie, Arvid Bell, Franziska Drohsel und Sebastian Krumbiegel – allesamt sind sie Mitglieder des neu gegründeten Instituts Solidarische Moderne. Politiker aus dem linken Spektrum, aus SPD, Linker und Grünen gemeinsam mit Publizisten und Wissenschaftlern als Vorkämpfer einer sozialeren Politik? Eine Umschau durch Presse und Blogs.

Das Ypsilanti-Institut oder wie nah ist Rot-Rot-Grün?

„Viel Presse hier“ schreibt Sven Giegold und meint damit das Institut Solidarische Moderne, eine rot-rot-grüne Denkfabrik, die am Wochenende aus der Taufe gehoben wurde. Nicht ganz unbekannte Politiker aus SPD, Grünen und der Linkspartei wollen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Idealisten Konzepte für eine „solidarische“ Politik entwerfen. Die Presse greift die Gründung als große Neuigkeit auf und sieht, wohl nicht ganz zu unrecht, Andrea Ypslianti, die ehemalige hessische SPD-Vorsitzende aus Hessen, als treibende Kraft hinter der Idee. Florian Gathmann zieht auf SpiegelOnline Parallelen zu Ypsilantis Landtagswahlkampf von 2008:

„Allerdings klingt manches an dem neuen Think-Tank schon sehr nach Ypsilanti. „Soziale Moderne“ lautete das Motto ihres Landtagswahlkampfs 2008. Da ist es zur „Solidarischen Moderne“ nicht mehr weit. Kein Wunder, dass auch Hermann Scheer unter den Gründungsmitgliedern ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete war Ypsilantis designierter Superminister für Wirtschaft und Umwelt und gilt als Kopf hinter ihrem damaligen politischen Programm.“

Bei WELT ONLINE ist man wie zu erwarten etwas irritiert über so wenig Berührungsängste mit der Linkspartei und sieht eine rot-rot-grüne Koalition als Ziel des Instituts:

„Eine Ex-Spitzenkandidatin der SPD, eine Linkenpolitikerin, ein Sänger und ein Ex-Staatssekretär gehören zur Besetzung der neuen Denkfabrik „Institut Solidarische Moderne“. Das Projekt unter der Führung von Andrea Ypsilanti arbeitet offiziell gegen Schwarz-Gelb, inoffiziell aber schon an Rot-Rot-Grün.“

Fremdeln im eigenen Lager

Ungleich offener empfängt die taz den Think Tank und beschäftigt sich eingehender mit der Vision einer Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Die sei allemal nötig und möglich, aber die Parteien müssten in ihrer ganzen Breite einbezogen werden:

„Allerdings: Rot-Rot-Grün muss sich für alle drei auch politisch rechnen – und das tut es im Moment nicht. Vor allem die SPD zaudert, weil in ihrer Anhängerschaft nur eine Minderheit mit einer linken Koalition sympathisiert. Selbst wenn Gabriel und Nahles so eine Regierung 2013 wollen, ist schleierhaft, wie sie dies ihrer konservativen Klientel beibringen. So lange kein Netzwerker, kein Seeheimer, kein Traditionsgewerkschafter bei den neuen Zirkeln mit am Tisch sitzt, wird deren Wirkung überschaubar bleiben.“

Die FAZ sieht etwas spöttelnd auf das Projekt und lässt Kritiker aus den Reihen der Grünen auftreten:

„Skeptisch hat der Realo-Flügel der Grünen auf die Ypsilanti-Initiative reagiert. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Bonde bezeichnete gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (Dienstagausgabe) die Gründung des, wie er es formulierte, „Ypsilanti-Instituts für angewandte Kuba-Wissenschaften“ als Fehler. Bonde sagte der F.A.Z.: „Die Initiative geht in die schwarz-gelbe Falle und versucht, ein überkommenes Lagerdenken zu reaktivieren.“ Die alte Lagerlehre mit einem „linken Block“ und zu „Projekten“ aufgeladenen Bündnissen „stabilisiert nur Merkel/Westerwelle, statt ihre schnellstmögliche Ablösung voranzubringen“.“

Wenig Resonanz in Blogs

In Blogs findet man dagegen bisher kaum Äußerungen zum Institut Solidarische Moderne. Die ausführlichsten Beiträge haben bezeichnenderweise zwei Gründungsmitglieder des Instituts geschrieben, die sich dann auch mit der internen Diskussion über den Namen beschäftigen. Till Westermayer ist nur wenige Stunden nach Vorstellung des Think-Tanks Mitglied geworden, hat sich aber vorher einige Gedanken gemacht und diese geblogt. Warum zum Beispiel der Name so stark an die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ erinnere oder er zu sozialdemokratisch sei:

„Mir ist der Name zu sozialdemokratisch. Aber gut – wenn zwei der drei Gründungsströmungen sozialdemokratisch sind, muss das vielleicht so sein. Natürlich ist »solidarisch« auch ein grüner Begriff, und ein – inzwischen weitgehend anerkanntes – grünes Thema. Trotzdem: gerade wenn dieser Think-tank sich um dieses Aufgabenfeld kümmern will […], dann frage ich mich schon, ob »solidarisch« das richtige Adjektiv ist. Ich würde ja sagen, dass eigentlich »grün« hier viel besser passt, oder zumindest »sozial-ökologisch«. Vielleicht wäre auch eine ganz neue Wortschöpfung notwendig. Oder eben beides – »Institut für eine solidarische und ökologische Moderne«.“

Wie eine Antwort darauf liest sich die Wortmeldung von Maik Babenhauserheide. Mit Verweis auf Westermayer schreibt er:

„Zur Namenskontroverse kann ich nur sagen, dass Solidarität für mich weder ein sozialdemokratischer Begriff ist noch an Progressivität vermissen lässt. Sicherlich hätte man dem Institut auch einen Namen geben können, der ganz unmissverständlich klarstellt, dass es sich hierbei nicht um einen altlinken Folkloreverein handelt, der den zum Teil gescheiterten linken Konzepten des Industriezeitalters nachhängt und auch das Thema Ökologie als linkes Projekt anspricht. Allerdings wäre das wohl zu einem Namensungetüm geworden , um das man lange hätte ringen müssen. Solidarische Moderne beschreibt meiner Meinung nach sehr gut die gemeinsame Wertebasis der beteiligten Personen. Auch ich bin in die Politik gegangen, weil ich an einer solidarischen Gesellschaft mitarbeiten möchte. Und das als Grüner!“

Nils Simon berichtet übrigens bei der Klimakrise, dass die namhaften Gründungsmitglieder gar nicht persönlich anwesend waren (Korrektur siehe Kommentar. Sein Beitrag ist trotzdem lesenswert).

Bild: wikimedia – Sven Teschke unter GFDL.

Warmlaufen für die Landtagswahl NRW

Noch sind es ein paar Monate bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Am 9. Mai werden die Bürger zu den Wahlurnen ziehen und den amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers um seine Wiederwahl zittern lassen (so jedenfalls die letzten Umfrageergebnisse). Wir wollen auch auf diese Landtagswahl wieder ein Auge werfen und uns dabei wie im letzten Jahr auf die Online-Aktivitäten der Parteien konzentrieren. Dabei wollen wir uns in 3 Etappen die Internetseiten der Landesparteien und ihrer Spitzenkandidaten ansehen. In dieser ersten Stufe zeigen wir den Stand vor dem eigentlichen Wahlkampf.

CDU

Die Internetseiten der Partei des Ministerpräsidenten sehen modern aus. Gerade auf der Seite des Landesverbands wird dem Bürger der Weg zu den gewünschten Informationen sehr leicht gemacht. Eine große Bühne präsentiert die aktuellen Informationen, während über eine Hand voll hübsch gemachter Grafiken der Zugang zu handfesteren Infos aufgezeigt wird. Dazu gehört natürlich ein Link zur Internetseite des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ebenso wie die Möglichkeit zu Spenden oder Parteimitglied zu werden. Hier zeigt sich jedoch schon, dass wir auf der Suche nach den ersten Wahlkampfspuren zu früh sind. Es findet sich kein Verweis auf eine besondere Kampagne, die Kandidaten zur Landtagswahl oder das Wahlprogramm. Der modulare Aufbau der Seite wird es aber leicht machen, das in den nächsten Wochen zu ändern.

Der Ministerpräsident kommt dagegen mit seiner Webpräsenz nicht ganz so gut an. Zwar ist die Gestaltung auch frisch und übersichtlich, aber man hat dabei etwas die Nutzbarkeit vergessen. Ganz wichtig scheint den Machern der Seite gewesen zu sein, Jürgen Rüttgers als offen und dialogorientiert darzustellen. Man wird fast zur Kontaktaufnahme genötigt, so oft äußert der Ministerpräsident den Wunsch, mit dem Leser in Kontakt zu treten. Das geht soweit, dass sogar der Seitentitel im Browser nicht etwa „Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen“ lautet – sondern reichlich banal „Meine Seite ist Ihre Seite“.

CDU Landesverband NRW

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers

SPD

Die NRWSPD, wie sich der größte sozialdemokratische Landesverband selbstbewusst nennt, hat einen unwahrscheinlich gut gemachten Internetauftritt. Die Gestaltung könnte aber schon fast etwas zu progressiv für die alte SPD sein. Dennoch, bei der Konzeption der Seite stand ganz offensichtlich die Leserfreundlichkeit im Vordergrund. Auf einer großen Bühne werden vier aktuelle Meldungen durch geschaltet, in denen ein Politikfeld, die Landesvorsitzende Hannelore Kraft, der Blog der NRWSPD und das Wahlprogramm präsentiert werden. So bietet man dem Leser vier unterschiedliche Einstiegspunkte, um sich zu informieren. Darunter erscheinen die bei jeder Partei obligatorischen Pressemitteilungen, die wohl noch kein zufälliger Besucher der Website je gelesen haben dürfte. Die rechte Seitenleiste präsentiert, ähnlich wie bei der CDU, einige Grafiken mit Verweisen auf weitere Infos. Leider doppeln sich die Zugänge aus der Seitenleiste etwas mit denen aus der oberen Bühne. Damit aber ist in jedem Fall sichergestellt, dass der Besucher auch weiß, wohin er sich wenden will.

Gegen die so innovative Optik der nrwspd.de wirkt es schon wie ein Rückfall in ein anderes Jahrzehnt, was den Besucher von hannelore-kraft.de erwartet. Auch wenn der Besucher persönlich von der SPD-Vorsitzenden angesprochen wird, wird er sich hier kaum gut aufgehoben fühlen. Die Seite wird dominiert von Pressemitteilungen und lieblos aufbereiteten Steckbriefen. Wenn man es nicht wüsste, käme man nicht einmal auf die Idee, dass Hannelore Kraft gerne Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen werden möchte.

SPD Landesverband NRW

Spitzenkandidatin Hannelore Kraft

Grüne

Die Bündnisgrünen in Nordrhein-Westfalen präsentieren sich auf ihrer Internetseite mit einer seltsamen Mischung von modernen Designelementen und einer veraltet wirkenden Grundgestaltung. Es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, wenn man einen baldigen Relaunch vorhersagt. Inhaltlich dagegen sind die NRW-Grünen recht ansprechend aufgestellt. Die aktuellen Infos auf der Startseite prasseln nicht automatisiert und mehrmals am Tag rein, sondern scheinen von Hand ausgewählte Empfehlungen aus dem gesamten Fundus zu sein. Wie bei CDU und SPD wird auch von den Grünen die Seitenleiste für schnelle Grafiklinks benutzt, die hier hauptsächlich in Richtung Soziale Netzwerke weisen – aber auch darüber aufklären, dass die Internetseite CO2-neutral betrieben wird. Besonders bei den Grünen ein netter, augenzwinkernder Hinweis. Auch im Zuge des Relaunchs dürfte eine stärkere Themenfokussierung Einzug halten. Bisher bildet die Seite noch eher den termingehetzten Oppositionsalltag wieder und zeigt noch zu wenig auf, was man selbst besser machen möchte.

Offensichtlich in der To-Do-Liste des Grafikers einen Platz weiter oben war die Internetseite der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, die sich schon im neuen Design präsentiert. Die Website legt ganz klar das Augenmerk darauf, die Spitzengrüne als sympathisch und modern vorzustellen. Die üblichen Sozialen Netzwerke werden hier nicht nur mit einfachen Links verknüpft, sondern füttern den Inhalt der Seite teilweise mit indem Löhrmanns Linkempfehlungen aus Facebook eingebunden werden. Auch einen Blog betreibt Löhrmann auf ihrer Internseite. Doch irgendwie vermag man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles noch etwas zu blass bleibt. Wie der hellgrüne Hintergrund der Seite wirkt auch die Spitzenkandidatin in den unzähligen Links und Blogabsätzen wenig markant. Bei aller Kritik aber dennoch eine gut gemachte und benutzerfreundliche Internetseite.

Bündnis ’90/Die Grünen NRW

Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann

FDP

Den besten Eindruck von den Internetseiten der Landes-FDP und ihrem Spitzenkandidaten bieten die beiden oben stehenden Screenshots, die nahezu identisch aussehen. Bei der FDP aus Nordrhein-Westfalen wirken die Websites etwas liebloser als bei der politischen Konkurrenz, scheinen aus einem großen Baukasten innerhalb von kurzer Zeit zusammen geklickt zu sein. Da wundert es auch nicht weiter, dass der größte Teil der Startseite des Landesverbands aus Pressemitteilungen besteht, die mal mehr und mal weniger mit der bevorstehenden Landtagswahl zu tun haben. In der Seitenleiste wird es dagegen richtig modern, wenn die FDP den Entwurf ihres Wahlprogramms zur Diskussion freigibt. Eine Grafik weiter unten gelangt man zu den Sonderseiten für die Landtagswahl, bei denen man völlig überrascht sein muss. Sehr gut aufgegliedert stellt die FDP hier ihr Wahlprogramm, die Kandidaten und ihre wichtigsten Themenfelder vor. Es fehlt also scheinbar nur noch der Mut, diese so einfach angebotenen Informationen auf die Startseite zu übernehmen.

Nicht ganz so kurz ist der Weg für die Internseite des Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart. Der Eindruck der beliebig zusammengestellten Module will hier nicht wirklich weichen. Interessiert mag man den Link „Bürgerdialog“ anklicken und wird sich dann aber über ein hingeworfenes Formular zum Hochladen eigener Videos mit Fragen an den FDP-Chef ärgern. Keine persönliche Aufforderung zum Dialog ist nur bedingt höflich und signalisiert wenig Interesse. Ein ernüchternde Eindruck, den der „Innovationsminister“ von Nordrhein-Westfalen im Internet hinterlässt.

FDP Landesverband NRW

Innovationsminister Andreas Pinkwart

Linke

Landauf landab sieht fast jede Internetseite der Linken gleich aus. Ob Landesverband oder Ortsverband, alle setzen auf das bewährte Content-Management-System der Bundespartei samt mitgeliefertem Design. Aber nun muss das nicht zwangsläufig negativ sein. Im Gegenteil, die Gestaltung wirkt aufgeräumt und einladend; bietet den Gliederungen noch genug Möglichkeiten zur Anpassung an die eigenen Bedürfnisse. Würde man sich beider NRW-Linken noch etwas von der Vorliebe für Newsmeldungen als dominierenden Inhalt entfernen, könnte man sogar von ersten Wahlkampfspuren sprechen. Scrollt man ein bischen nach unten findet man leicht den Weg zur Kandidatenliste und dem Wahlprogramm, das für so viel Diskussion sorgte.

Von einer klar benannten Spitzenkandidatur halten die Linken in NRW offenbar nicht viel. Bärbel Beuermann führt die Landesliste an, doch findet man weder eine eigene Internetseite noch wird sie auf der Website des Landesverbands besonders hervor gehoben. Naja, vielleicht möchte man sich auch einfach auf Facebook mit ihr anfreunden.

Die Linke NRW

Piratenpartei

Als klarer Außenseiter geht die Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen ins Rennen. Doch die hohe Medienaufmerksamkeit zur Bundestagswahl und die schon fast klischeehafte Internetaffinität erlauben uns dennoch einen kurzen Blick. Stilecht wird die Parteiseite von einem Wiki betrieben, also von einer Wissensverwaltungs-Software, an der jeder Pirat mitarbeiten kann. Ob nun wirklich jeder Mitstreiter auch die Rechte hat, die Seite des Landesverbands zu bearbeiten?

Die neuen, unverkrampften Strukturen der Piratenpartei fördern mitunter auch die ein oder andere Stilblüte hervor. Der Spitzenkandidat der Piraten (Kapitän?) heißt Nico Kern und präsentiert sich im Netz nur mit seinem Wiki-Profil. Dabei trägt er sowohl hier als auch drüben bei twitter den Spitznamen „Teiler Doehrden“ und spielt damit auf den mehr chaotisch als politisch geprägten Kultfilm „Fight Club“ an. Das wirft eigentlich nur noch die Frage auf, nach welchem Kinohelden sich die anderen Spitzenkandidaten benennen würden. Ihr Einsatz, Herr Rüttgers.

Piratenpartei Landesverband NRW

Spitzenkandidat Nico Kern

Mit Kurznachrichten in die Medien

Innerhalb von nur 71 Tagen musste Thorsten Schäfer-Gümbel Ende 2008 vom einfachen Abgeordneten zum landesweit bekannten Spitzenkandidaten der hessischen SPD werden. Er knüpfte an den damals viel beachteten Online-Wahlkampf des amerikanischen Präsidenten Barack Obama an und erzeugte damit große Medienresonanz. Mit Werkzeugen wie dem Kurznachrichtendienst Twitter machte er ohne millionenschwere Imagekampagne Schlagzeilen als Politiker des Internetzeitalters.

Nach der gescheiterten Regierungsbildung der hessischen SPD im Jahr 2008 musste sich Thorsten Schäfer-Gümbel unerwartet als der neue Spitzenkandidat bekannt machen. Zudem hatte die SPD – wie die anderen hessischen Parteien – durch den zweiten Wahlkampf innerhalb eines Jahres kaum Zeit, einen Wahlkampf auf herkömmliche Art zu planen und umzusetzen. Auch die finanziellen Mittel waren knapp und mussten entsprechend gezielt eingesetzt werden. Daher setzte Schäfer-Gümbel zur Landtagswahl 2009 stark auf Online-Wahlkampf. Gemeinsam mit der Kölner barracuda digitale agentur wollte er die die Medienaufmerksamkeit nutzen, die US-Präsident Barack Obama wenige Monate zuvor auf innovative Kampagnen im Internet gelenkt hatte.

Schnell über das Internet bekannt werden

Neben seinen Aktivitäten auf YouTube und den bekannten Sozialen Netzwerken (Facebook oder Wer-kennt-wen) setzte Schäfer-Gümbel auf den Kurznachrichtendienst Twitter. Dort können kurze Textnachrichten mit bis zu 140 Zeichen veröffentlicht werden. Durch die Begrenzung der Zeichenzahl lassen sich die Nachrichten schnell lesen und erreichen interessierte Leser fast in Echtzeit, die ebenso spontan antworten und so eine öffentliche Diskussion entstehen lassen. An diesem schnellen, kurzlebigen Nachrichtenfluss nehmen die Nutzer entsprechend insbesondere über internetfähige Mobiltelefone teil. Auf diesem Weg erhielt der Politiker Schäfer-Gümbel direkte Rückmeldungen und baute wechselseitige Kommunikationsbeziehungen zu seinen Twitterkontakten auf – zu einem Zeitpunkt, zu dem Twitter in Deutschland noch wenig verbreitet war und hauptsächlich von Medienexperten und Journalisten beachtet wurde.

Neugier auf Online-Kommunikation bringt Medienaufmerksamkeit

Durch diesen gezielten Einsatz des Internets konnte Schäfer-Gümbel große Aufmerksamkeit durch die »klassischen« Massenmedien erlangen. Nach der US-Präsidentschaftswahl waren die Journalisten an berichtenswerten Internetaktivitäten von Politikern besonders interessiert. Zahlreiche Medien wie die BILD-Zeitung und das ZDF verglichen Schäfer-Gümbel deshalb mit dem eben gewählten Obama. Auch wenn die Berichterstattung sich ironische Anmerkungen über die ungleichen Verhältnisse nicht nehmen ließ, hatte sich Thorsten Schäfer-Gümbel große Medienaufmerksamkeit verschafft und auf diese Weise seinen Bekanntheitsgrad innerhalb kurzer Zeit gesteigert. Dadurch, dass er Twitter auch nach der Wahl konsequent nutzt, hat er sich darüber hinaus Glaubwürdigkeit als Internetpolitiker erarbeitet.

Die barracuda digitale agentur und der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel tauschen sich gern über Online-Wahlkampf aus. Beide sind auch bei Twitter als @oliverbarracuda und @tsghessen ansprechbar.

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Diesen Report haben wir als Mitglieder der KampagnenPraxis geschrieben. Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft junger Fachleute an der Schnittstelle zwischen politischer Kommunikation und den Internetmedien. Wir zeigen Kampagnen- und Kommunikationsverantwortlichen lokaler und regionaler politischer Akteure in zweiwöchentlichen Reports Beispiele, wie sie das Internet erfolgreich nutzen können. Abonnieren Sie unsere Reports einfach auf unserer Internetseite.