Facebook statt mybarackobama.com?

2012 möchte Barack Obama für weitere vier Jahre zum Präsidenten der USA gewählt werden. Deshalb starteten er und sein Team heute die offizielle Wahlkampagne „Obama for America„. Und wieder einmal steht ein YouTube-Video im Mittelpunkt der Kampagne.

Doch noch interessanter als der bekannte Einsatz von Videos ist die nun stärkere Integration von Facebook und die sich damit für die Kampagne öffnenden Kontaktdatenbanken. Mit nur drei Klicks kann man seine Unterstützung via Facebook bekunden und bekommt anschließend eine Auswahl seiner Facebookfreunde präsentiert, denen man mit nur einem weiteren Klick eine persönliche Nachricht mit dem Link zur Kampagne auf die Pinnwand posten kann.
Nachdem 2008 eigene Socialnetworksites der Kandidaten das Mittel der Wahl waren, bleibt nun zu beobachten, ob 2012 Facebook diese Rolle übernehmen wird.

State of the Union

Als Barack Obama am Dienstag zur Rede zur Lage der Nation antrat hatten es einige Journalisten bereits als eine seine letzten Chancen gesehen, um die Kritiker – auch in den eigenen Reihen – hinter sich zu bringen und seine von immer mehr Erosionen betroffene Präsidentschaft wieder etwas glatt zu bügeln. Doch nicht nur politisch wurde Obama in den vergangenen Monaten immer mehr in die Ecke gedrängt, sondern auch online musste er seine Chance nutzen, um nicht an Relevanz zu verlieren.

Am Tag danach sprechen die Einen von einer „Ruckrede„, die Anderen von einer „wegweisenden Rede“ – in der Obama seinen „Sputnik-Moment“ hatte. Verschiedene deutsche Medien titelenden heute mit Sputnik-Überschriften, da Obama in seiner Rede unter anderem einen Vergleich zu den politischen Herausforderungen in den 50er Jahren zog, als die Sowjets den USA mit dem ersten Satelliten im All zuvorgekommen waren. Während es damals um den Wettlauf im Weltraum ging, finde der heutige Wettlauf im Bereich Bildung und Forschung statt, um auf diese Weise neue Industriezeweige zu schaffen.
Insgesamt gesehen erhielt Obama für seine Rede weltweit ein positives Presseecho. Der Befreiungsschlag scheint also gelungen.

Ein Thema ist in der Berichterstattung jedoch deutlich untergegangen, nämlich Obamas Aktivitäten im Netz. Nicht nur politisch stand Obama in den letzten Wochen mit dem Rücken zur Wand. Galt Obama noch vor zwei Jahren als der unerreichbare, Followerspitzenreiter in den großen sozialen Netzwerken, haben ihm inzwischen die Lady Gagas dieseser Welt den Rang abgelaufen. Und auch ansonsten musste der einstige „Internetvorzeigepräsident“ viel Kritik einstecken, da von den Internet-Innovationsschüben nach den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit immer weniger zu spüren war.

Seine Rede zur Lage der Nation nutzte er deshalb nicht nur für seine politische Rehabilitation, sondern um auch zu zeigen, dass ihm und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Ideen für Onlineangebote noch nicht ausgegangen sind. Unter der eigens eigerichteten Website für die Rede, wurde und wird einmal mehr die vorbildliche Einteilung der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von politischen Veranstaltungen umgesetzt. Während in Deutschland häufig noch immer Kampagnenseiten nach dem Ende der Durchführungsphase eingestellt, z.T. sogar gelöscht, werden, hat das Team Obamas ein interessantes Komplettprogram aufgestellt. So berichtete die Seite bereits vorab über die wichtigsten Facts zu den traditionellen Reden zur Lage der Nation. In einer animierten Übersicht konnte man sich anschauen, wer während der Rede neben der First Lady sitzen wird und warum und auch die Verknüpfungen von Facebook und Twitter durften natürlich nicht fehlen.

State of the Union

Spannender noch, als das was vor und während der Rede auf der Website passierte, ist das, was nach dem Livestream auf der Seite angeboten wurde. Innerhalb kürzester Zeit stellte man ein mit erklärenden Visualisierungen ergänztes Video der Rede bereit und ein komplettes Wochenprogramm rund um Obamas Rede wurde angekündigt. So beantworteten noch am gleichen Abend Mitarbeiter des Weißen Hauses Fragen aus dem Netz und auch die nächsten Abende geht es so weiter.

Höhepunkt des Kalenders sind die Fragestunden mit Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden am Donnerstag.

Ob am Ende dieser Woche auch im Zusammenhang mit Obamas Onlineaktivitäten von einem Befreiungsschlag gesprochen werden kann wird sich zeigen. Deutlich ist jedoch, dass er sich auf seine alte Stärke zurück besonnen hat, nämlich bei wichtigen Ereignissen, die Wählerinnen und Wähler über das Internet hinzu zuziehen und an diesen zu beteiligen.

Screenshot: http://www.whitehouse.gov/state-of-the-union-2011

Ölkatastrophe im Internet

Bereits seit 50 Tagen versucht der Ölriese BP die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu beenden; bislang erfolglos. Nicht nur in den USA wächst der Zorn auf BP. Ein beachtlicher Teil der Proteste findet im Internet statt, doch auch BP selbst nutzt Plattformen wie Facebook zur Schadensbegrenzung.

Die Fakten lesen sich verheerend: Am 20. April 2010 kam es auf einer Ölbohrplattform im Golf von Mexiko zu einer Explosion, bei der elf Menschen starben. Zwei Tage später versank die Plattform im Meer und hinterließ ein offenes Bohrloch aus dem seitdem Öl austritt. Inzwischen gilt die Katastrophe als eine der schwersten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika und hat sogar einen recht umfangreichen Eintrag bei Wikipedia erhalten.

Die Handlungen und die Hilflosigkeit von BP führten zu etlichen Kampagnen im Internet. Vor allem bei Facebook sind inzwischen eine Reihe von Boykottaufrufen zu finden. Etwa in Form der Gruppe „Boycott-BP„, die inzwischen 461.962 Unterstützer hinter sich versammelt hat.

Doch auch BP selbst nutzt Facebook zur Schadenesbegrenzung für ihren Ruf. So informiert die Firmenleitung auf dem Profil über den aktuellen Stand vor Ort – beispielsweise mit einem Livestream – und bietet verschiedene Kontaktmöglichkeiten für Fragen und Anregungen sowie Hinweise für Volunteers. In der vergangenen Woche hatte BP-Chef Tony Hayward Facebook sogar genutzt um sich öffentlich für seine Aussage zu entschuldigen, dass er „sein vorheriges Leben zurückbekommen“ wolle. Vor allem die Angehörigen der elf bei der Explosion auf der Bohrplattform getöteten Arbeiter hatten dies als kränkend empfunden (siehe Focus Online).
Neben Facebook nutzt die BP-Kampagne außerdem Twitter, Flickr und YouTube.

Auch der offizielle Firmenauftritt von BP verspricht Aufklärung und Informationen, so sind inzwischen sogar auf der Starseite Bilder von der Katastrophe zu sehen. BP möchte damit anscheinend beweisen, dass man nichts verheimlichen wolle.

Trotzdem hat das Unglück vor allem die Umweltschützer auf den Plan gerufen. Greenpeace beispielsweise fordert mit seiner Kampagne „behind the logo“ zur Neugestaltung des BP-Logos auf. Die eingereichten Logos sind im Greenpeace-Flickr-Account zu finden.

Außerdem werden im Netz bereits an verschiedenen Stellen T-Shirs, Sticker und Wallpaper für den PC mit den veränderten Logos angeboten.

Der Fall BP zeigt einmal mehr, dass Protestbewegungen heute keine langen Wege mehr benötigen, sondern inerhalb kürzester Zeit, weltumspannend und vor allem effektiv funktionieren können.

Screenshot: http://www.flickr.com/photos/greenpeaceuk/4641406927/in/set-72157623796911855/

Das weiße Haus auf dem iPhone

Was hat man ihn beschrien, den Online-Wahlkampf des Barack Obama. Und wieviel Elan hat seine Regierung mit ins Amt genommen. Da passt es gerade richtig gut, dass das Weiße Haus nun auch auf dem iPhone zu finden ist. Seit gestern kann jeder iPhone-Nutzer (auch außerhalb Amerikas) die kostenlose Application des White House herunterladen. Damit bekommt er schnellen und einfachen Zugang zu Nachrichten, Fotos und Videos aus der Regierung von Barack Obama. Doch die wohl erstaunlichste Funktion verbirgt sich hinter dem kurzen Wort „Live“. Was genau damit gemeint ist und wie herausragend der dahinter steckende Gedanke ist, lässt sich recht einfach verdeutlichen. Ein Gedankenexperiment:

Als vor zwei Tagen die israelische Regierung sich in Berlin mit ihren deutschen Gegenübern traf, war man als Bürger ganz dicht dabei. Die neuesten Fotos konnte man sich direkt auf seinem Telefon ansehen, Videos von den Gesprächen von überall einfach aufrufen. Als Benjamin Netanjahu und Angela Merkel vor die versammelte Presse treten um in die Kameras zu lächeln und ihre Mitteilungen zu verkünden, kann sich jeder Deutsche und darüber hinaus live einwählen und das Video on-demand mitverfolgen.

Klingt unrealistisch? Nun, für Deutschland mag das der Fall sein. Doch in den Vereinigten Staaten ist es gerade Realität geworden. Es bleibt zwar abzuwarten, welche Veranstaltungen dann tatsächlich übertragen werden – zwei jedoch sind schon angekündigt. Obama nimmt Transparenz wörtlich.

Mehr Infos bei TechPresident und im Blog des Weißen Hauses. Danke an Axel Bruns für den Hinweis.

Einmal Zukunft und zurück

Bereits nach dem ersten Tag des Personal Democracy Forum („Technology is changing politics“) muss man sich als deutscher Konferenzteilnehmer mit der Frage auseinandersetzen, was bei uns derzeit alles falsch läuft.

Schon in der Begrüßungsrede rief Andrew Rasiej die Regierungen auf, entschieden gegen eine Zensur im Internet zu arbeiten. Mehrfach griffen auch andere Redner das Thema auf und teilten bewusst Seitenhiebe nach Europa aus. Gemeint war damit sicherlich auch Deutschland, das derzeit gefährlich Entwicklungen in dem Gebiet zeigt. Vielen Referenten und Teilnehmern scheint es aber auch nicht bewusst zu sein, welche Netzpolitik zur Zeit in Deutschland gemacht wird.

dana boyd stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob jemand überhaupt Social Network Sites benutzt, sonder nur noch um die Auswahl aus dem reichhaltigen Angebot von MySpace bis Facebook.

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boyd, die genauso wie die beiden anderen Hauptacts des heutigen Tages Jeff Javis und David Weinberger ihr Können als Rednerin bewies, sprach deshalb zum Thema „Zweiklassengesellschaft in Social Network Sites“ anhand der beiden Plattformen Facebook und MySpace. Sie betonte innerhalb ihres Vortrages inbesondere, dass es keine „universelle Onlineöffentlichkeit“ gibt. Die Ursache dafür kann in der räumlichen Trennung der Social Network Sites gesehen werden. Während es bei der Email-Kommunikation egal ist, ob Freunde und Bekannte über Hotmail oder Yahoo miteinander kommunizieren entstehen durch Social Network Sites in den meisten Fällen räumlich von einander abgeschnittene Communitys. Für Deutschland besonders interessant: In diesem Gedankengang wird die vielfach postulierte „Netzcommunity“ wiederlegt.

Für die Konferenzteilnehmer nett war natürlich auch die Rede von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, der über Skype ins Auditorium geschaltet war und von Andrew Rasiej interviewt wurde.

So plauderten beide über Iphone-Apps für Einwohner und Touristen und auch eine Verbindungsunterbrechung wurde völlig problemlos und locker von den Gesprächspartnern hingenommen. Insgesamt fiel vor allem auf, dass Bloomberg als Bürgermeister weiß wovon er spricht und niemand dies für eine Besonderheit, sondern vielmehr für selbstverständlich hielt.

Den Rest des Tages füllten etliche weitere Sessions, die viele neue Erkenntnisse brachten. Doch erst der letzte Programmpunkt, verschiedene thematische Brainstormings, verdeutlichten endgültig den Unterschied zwischen US-amerikanischer und deutscher Netzpolitik. Zusammen mit vier weiteren Teilnehmern wurden Ideen zum Thema „international politics“ ausgetauscht. Und während in Deutschland derzeit verzweifelt alles daran gesetzt wird, Politiker und Bürger über das Internet in Kontakt zu bringen, ist dieser Schritt in den USA schon Schnee von gestern. Vielmehr überlegt man den Schritt weiter, wie Netzkommunikation zwischen verschiedenen Regierungen und noch viel spannender zwischen Regierungen und einer ausländischen Bevölkerung möglich werden. Ein konkretes Beispiel wäre, wie man es ermöglichen könnte, dass die deutsche Bevölkerung mit der US-amerikanischen Regierung kommuniziert? Eine für uns Deutsche wahnwitzig klingende Idee, die hier völlig ernsthaft diskutiert wird.

Wenn es danach geht, scheinen wir in Deutschland noch mitten in der Steinzeit zu stecken und erst langsam das Werkzeug zu entdecken, während in den Vereinigten Staaten mit dem weiterentwickelten Werkzeug inzwischen Eisen bearbeitet wird. Während man in Deutschland immer wieder Barack Obama und seinen Internetwahlkampf  wie eine Monstranz vor sich her trägt, zeigte sich bereits am ersten Konferenzkonferenztag das wahre Interesse der deutschen Parteien an dem Thema. Denn die deutschen Teilnehmer lassen sich mit Leichtigkeit an einer Hand abzählen.  Nachdem Joe Rospers (Obama ’08) mit der Frage „How many republicans are here today?“ und nur wenigen Meldungen die Lacher auf seiner Seite hatte, müsste man die Frage auch nach der Anzahl der deutschen Teilnehmer stellen bzw. noch besser der deutschen Parteimitarbeiter. Denn nirendwo würden sich so viele Tipps und Ideen sammeln lassen wie direkt vor Ort, aber die deutsche Parteielite ist derweil allen Anschein noch damit beschäftigt, das Netz zu filtern und Blogger zu verklagen.

Brave old world…

Bild: flickr Phil Hawksworth