Der Spiegel feiert, doch hat er Recht?

Roland Koch hat die Wahl dramatisch verloren. Und das ist gut so. Die Anti-Ausländer-Nummer zieht offenbar nicht mehr – und darauf können wir endlich mal richtig stolz sein.
Kochs Absturz – Brutalstmögliche Quittung für den Populisten.

So schön ich eine solche Aussage finde, im Moment scheint sie nicht ganz der Realität zu entsprechen. Sicherlich, Roland Koch hat verloren, laut Hochrechnungen im Moment um die 12 Prozentpunkte. Aber ganz ehrlich, dass ist aus einer absoluten Mehrheit weniger dramatisch. Denn immer noch ist der hessische CDU-Politiker nicht aus dem Rennen, in den späteren Hochrechnungen steigt er sogar wieder richtig ein.

36,5% für die CDU, 37% für die SPD – klar ist das nicht. Und wenn man auf die so viel beschworene Lagerbildung sieht, dann liegt CDU/FDP als bürgerliches Lager im Moment sogar mit 53 Sitzen vor Rot-Grün mit 51 Sitzen (beide Zahlen Stand 21:41, ARD infratest dimap). Es wird wohl eine spannende Woche auf uns zukommen.

Eine wirkliche Abstrafung für Koch hätte aber anders ausgesehen.

0 Gedanken zu „Der Spiegel feiert, doch hat er Recht?

  1. Und was jetzt? CDU stärkste Kraft, Koch aber wohl abgewählt; SPD gefühlter Sieger, aber ohne Aussicht auf Koalition – bis einer umfällt. Und am allerschlimmsten: Die Linkspartei im hessischen Landtag. Ein schlechter Tag für unser Bundesland…

  2. Allerdings. Für mich gibts zwei realistische, wenn auch nicht ganz angenehme, Alternativen:

    1. Eine von der CDU geführte große Koalition mit der SPD, aber vermutlich einzig unter der Voraussetzung eines Personalwechsels

    2. Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und den Grünen. In wie weit Jörg-Uwe Hahn das ohne Imageverlust mit sich machen lässt, weiß man nicht. Vielleicht hilft auch hier ein Personalwechsel.

  3. Ich sehe am ehesten Neuwahlen auf uns zukommen, da:

    1. Koch keinen attraktiven Posten im Bund angeboten bekommt. D.h. er wird hier bleiben müssen, was beudetet, die Grünen fallen als Koalitionspartner weg, und Jamaika scheitert (Ich denke nicht, dass Al Wazir sich auf Koch einlassen wird)

    2. Ypsilanti zwar nicht mit Links will, aber die FDP nicht mit ihr. Eine große Koalition erscheint mir aufgrund der politischen, nicht nur der persönlichen Diskrepanzen, doch zu weit hergeholt.

    3. Weder Al-Wazir noch Hahn sich umwerfen lassen werden. Al-Wazir ist als Grünen Chef in Hessen sehr stark und erfreut sich großer Beliebtheit, Hahn hat die %-Werte gut gehalten und wird auch nur schwer austauschbar sein.

    Abgesehen von diesen alternativen könnte Ypsilanti mit Rot-Grün in eine Minderheitenregierung unter der Duldung von Links werden, was ich persönlich aber als schlimmste Möglichkeit ansehen würde. Die Linkspartei als Zünglein an der Waage bedeutet wohl politischen stillstand.

    Auf jeden Fall hat diese Wahl eindeutig etwas demonstriert: Die Wähler können keinen klaren Kurs erkennen, jedenfalls keinen, dem Sie eine Mehrheit geben.

  4. Hallo Stephan, danke für deinen Kommentar:

    1. Dass Koch nicht direkt in den Bund wechseln kann, dürfte keineswegs automatisch dazu führen, dass er in der hessischen Politik weitermacht. Auch eine Auszeit kommt sicherlich in Betracht.

    Die Grünen werden übrigens in Hessen in keiner Form der personellen Führung einer CDU zusammen arbeiten, dafür fehlt einfach im Moment jegliche Basis. Mehr noch als die SPD standen die Grünen in diesem Wahlkampf konträr zu Roland Koch.

    2. und 3. Al-Wazir wird sich nicht umwerfen lassen, hat dazu auch gar keine Veranlassung. Die Grünen in Hessen, jedenfalls die Landtagsabgeordneten, stehen geschlossen hinter ihm.

    Hahns Position sehe ich da schon schwieriger, denn er steht ja klar einer Möglichkeit im Weg. Im Gegensatz zu Koch kann man aber ihn nicht wegen eines schlechten Wahlergebnis fallen lassen – er hat ja sogar dazu gewonnen (warum auch immer).

    Duldung Links ist doch nichts anderes als Koalition, wird meines Erachtens nicht passieren. Eine große Koalition sehe ich nicht so unwahrscheinlich wie du, allerdings halte ich dafür einen personellen Umbau für notwendig – und auch möglich.

    In deiner letzten Einschätzung stimme ich dir zu, wir sind wieder beim Problem des Wählerwillens, das wir ja schon von der letzten Bundestagswahl kennen. Das hängt aber vielleicht auch damit zusammen, dass die Politik immer noch zu stark in Lagern denkt. Inhaltlich könnte, gerade in Hessen, eine Ampel durchaus in Frage kommen.

  5. Das interessante ist nur: sowohl SPD als auch CDU sprechen wieder vom „klaren Regierungsauftrag“, den beide wohl erhalten haben…

    Noch als Nachtrag:
    Wenn ich Koch richtig einschätze, ist der genauso hart in eine Auszeit zu bringen wie Edmund Stoiber.

  6. Über die Diskussion um den Wählerwillen kann ich auch nur noch lachen. Interessant fand ich am Wahlabend, dass SPD und Grüne sofort darauf hinwiesen, dass eine Mehrheit Roland Koch nicht mehr wolle. Fakt aber ist: Die CDU bekam 3595 Stimmen mehr als die SPD – Frau Ypsilanti wollten also ganz offenbar noch weniger Wähler als Herrn Koch. Nach der Logik von Kurt Beck müsste sie sich also auch zurückziehen, da sie in Hessen zudem auch noch das zweitschlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten zu verantworten hat. Und die Grünen haben etwa ein Viertel ihrer Stimmen verloren und liegen deutlich hinter der FDP. Hätte die Chaostruppe von der SED-Nachfolgepartei nur 4,9 Prozent der Stimmen geholt, hätte es also doch wieder für eine bürgerliche Regierung unter Roland Koch gereicht. Ich verstehe deshalb nicht, mit welcher Begründung SPD und Grüne die FDP so stark unter Druck setzen – eine sog. Jamaika-Koalition käme genauso in Frage, dafür müssten sich dann die Grünen unter dem Wahlverlierer Al-Wazir (oder jemand anderem) bewegen. Insgesamt sieht die Situation so verfahren aus, dass Neuwahlen im Herbst die einzige Lösung zu sein scheinen. Denn: Nicht nur wegen des heftigen Wahlkampfs gibt es zwischen CDU und SPD keinerlei Schnittmengen. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die SPD Koch zum Ministerpräsident wählt, der ja doch bisher das perfekte Feindbild abgab. Innerhalb einer Ampel würde es für die FDP programmatisch sehr schwer werden, so gibt es z.B. in Sachen Flughafenausbau, Schul- und Energiepolitik keine Übereinstimmungen mit SPD und Grünen – wie soll das funktionieren? Auf der anderen Seite war das Programm der FDP bisher eher selten ein Hindernis für was auch immer gerade anstand… Jamaika werden die Grünen ihren Anhängern nicht verkaufen können, da sie von vielen ihrer zentralen Punkte abrücken müssten. Interessant bleibt, wie es mit der Ex-SED weitergeht. Ich kann nur hoffen, dass ein Linksbündnis nicht zustande kommt. Der Witz dabei ist allerdings, dass diese Koalition programmatisch gesehen die einfachste und (für die Beteiligten) erfolgversprechendste Variante wäre. Für Hessen wäre es eine Katastrophe. Also doch Neuwahlen?! Problem hierbei: Wer geht dann noch zur Wahl? Und was kommt dann dabei raus? Etwas Positives habe ich heute aber doch noch entdecken können: Da die Zwergenpartei NPD nur 0,9 Prozent der Stimmen bekommen hat, kriegt sie keinen Cent von der Parteienfinanzierung. Deshalb werden die wohl weiterhin im Wald nach Gold graben müssen… ;-)

  7. Schöner Beitrag, vielen Dank. Dir scheints ja wieder besser zu gehen ;-)

    Ich kann dir in vielen Punkten folgen, auch wenn ich bei der FDP mehr Bewegungspotential sehe als du.

    Auch muss man hier landespolitische Befugnisse berücksichtigen, die die Diskrepanzen zwischen CDU und SPD nicht mehr ganz so groß erscheinen lassen. Über Mindestlohn muss in Hessen doch ohnehin niemand reden, und die Positionen beim Flughafenausbau waren relativ ähnlich (Die CDU hat ihre Schlüsse schon gezogen, die SPD wartet noch auf ihre Anwälte).

    Abstriche müsste die SPD in der Schulpolitik machen, würde aber dafür vielleicht ein Ende der U+ erreichen können – oder/und Karin Wolff abschaffen.

    Wir werden sehen, ich persönlich halte Neuwahlen zwar für bequem – aber die falsche Lösung. Siehe dazu auch der Artikel des hochgeschätzten Franz Walter auf Spiegel Online.

  8. Achja, besonders gut gefällt mir, dass jemand von den Linken als Ex-SED redet (muss man immer wieder betonen). Auch der Verlust der Parteienfinanzierung für die NPD, herrlich.

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