Klimafundamentalismus als Wahlkampfrezept?

Nicht nur personell ist die Grüne Partei auf Bundesebene bei genauerem Blick weit weniger harmonisch, als es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag. Das aktuelle Postengefecht Özdemir gegen Ratzmann steht offensichtlich stellvertretend für konkurrierende Personalinteressen in der Partei. Die Namen Künast und Trittin wird man diesbezüglich sicher noch des öfteren hören.

Vielleicht noch strittiger ist das Stammthema der Grünen, der Umweltschutz. Selbstverständlich will das neu formierte Wahlkampfteam um die beiden Führungspersonen diese Kernthema grüner Kompetenz stark in Szene setzen. Doch nicht einmal bei diesem, den Grünen doch so heimischen Gebiet, herrscht Einigkeit in der Partei. Ganz im Gegenteil, man schaue sich nur die noch unterdrückte Debatte über neue und effizientere Kohlekraftwerke an. Der Spiegel schreibt über „das letzte Tabu“ der Grünen, das Nein zu Kohlemeilern. In Hessen war das Kohlekraftwerk „Staudinger“ ein großes Thema im Wahlkampf, in Tübingen baut der grüne Oberbürgermeister Boris Palme mit am Kohlekraftwerk Brunsbüttel.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hubert Kleinert war in den ’80er Jahren ein Weggefährte Joschka Fischers. Heute ist er Politikprofessor und äußert sich zum grünen Positionskampf folgendermaßen:

„Es geht oft mehr um Prinzipien als um vernünftige Politik. Atomkraft ist Teufelszeug und damit Ende. Und gerade jetzt, wo die Union wieder ihre Lieber zur Atomkraft entdeckt, möchte die Partei nicht wackeln. Sie will klare Kante zeigen und beweisen, dass sie sich in der Ablehnung der Kerntechnik von niemanden übertreffen lässt.“ [Spiegel 30/08]

Die Reaktionen dafür bekommt er natürlich prompt zugestellt, ein offener Brief der grünen Jugend und ein simples „naiv“ von Renate Künast. Pragmatismus scheint in Umweltfragen nicht mal debattierbar.

Und vielleicht kommen die Grünen schon nach der nächsten Bundestagswahl in die Situation, damit ihre Glaubwürdigkeit in der Umweltpolitik leichtfertig zu riskieren. Ob nun mit der SPD neue Kohlekraftwerke gebaut würden, oder mit der CDU der Atomausstieg verschoben wird – vielleicht muss ja ein grüner Bundesminister für Umwelt solche Entscheidungen treffen.

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