Interview zum Hessenwahlkampf

1. Wie kamt Ihr dazu, über die Wahlen in Hessen zu bloggen? Was waren Eure Motive und Gründe?

Wir studieren beide an der Justus-Liebig Universität in Gießen Sozial- und Politikwissenschaften. In diesem Studium haben wir unabhängig von einander unsere Schwerpunkte auf Mediendemokratie und politische Kommunikation gelegt. Da bot es sich für uns an, den Internetwahlkampf in Hessen besonders hervorzuheben, zumal es bisher kein vergleichbar umfassendes Angebot gab.

2. Der erste Eintrag Eures Blogs hat Hitlers Wählerschaft zum Thema, also wo in Hessen 1932 besonders häufig die NSDAP gewählt wurde. War das ein Zufall oder Absicht?

Dazu müssen wir erklären, wie unser Blog entstanden ist. Homo Politicus war zuerst das politische Weblog von Malte. Christian hat ab und zu politische Beiträge auf seinem sonst privaten Blog veröffentlicht. Im Spätsommer 2008 haben wir unsere beiden Blogs verschmolzen. Dabei haben wir die alten Beiträge aus beiden Blogs übernommen. Der Beitrag über die NSDAP-Wählerschaft in Hessen ist zuerst auf Christians Weblog erschienen. Daher ist der Artikel nicht als erster auf dem Homo Politicus geschrieben worden, sondern ist einfach der erste Artikel, der von Christians Weblog übernommen wurde.

3. Seid Ihr mit der Berichterstattung der Mainstreammedien, z.B. Hessischer Rundfunk oder FAZ, zufrieden?

Bereits früh haben sich für uns erste Kontakte zu den Redakteuren von hr-online ergeben, deren Berichterstattung zum Wahlkampf nicht nur umfassend, sondern auch erfreulich aufgeschlossen ist. Hr-online hat die neuen Möglichkeiten des Internets nicht nur aufgegriffen und weiter verbreitet, sondern nutzt sie beispielsweise mit dem eigenen Twitter-Account @hronlinewahl auch selbst aktiv. Mit dieser Einstellung stehen sie allerdings ziemlich alleine. Die anderen Medien beschränken sich auf gelegentliche Berichte über den Internetwahlkampf und die etwas hinkenden Vergleiche mit dem amerikanischen Online-Wahlkampf von Barack Obama. Da besteht noch Verbesserungsbedarf.

4. Glaubt Ihr, dass von Seiten der Medien eine Kampagne gegen Andrea Ypsilanti gefahren wurde, wie in den letzten Wochen von Sozialdemokraten immer mal wieder behauptet wurde?

Wir denken, dass Andrea Ypsilanti und die hessische SPD den Medien auch genug Anlass geboten haben, negativ über sie zu berichten. Sicherlich ist die Überbetonung des Wortbruchs nicht gerade sachlich, das Brechen von Wahlversprechen ist keine Erfindung der SPD. Die Deutlichkeit des Wortbruchs dagegen ist bei der Bevölkerung auf kein Verständnis gestoßen, und dementsprechend haben die Medien auch berichtet.

5. Kann durch Blogs wie den Euren die Vormachtsstellung der etablierten Medien untergraben werden?

Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir in Deutschland eine gut funktionierende Medienlandschaft, die nicht nur Nachrichten, sondern auch Meinungen und Einordnungen bietet. Die Notwendigkeit einer Ersatzöffentlichkeit für politische Diskussionen ist daher in Deutschland nicht so dringend gegeben. Gerade in der Geschwindigkeit, mit der neue Meldungen verbreitet werden können, sind Dienste wie Twitter den alten Medien natürlich weit voraus. Die etablierten Medien nutzen aber diese Medien ja durchaus auch, bieten Onlineangebote der Zeitungen bis hin zu Blogs oder eigenen Twitter-Accounts an. Als Ergänzung funktionieren Blogs gerade durch ihre starke Vernetzung sehr gut, einen generellen Untergang der etablierten Medien halten wir aber für unwahrscheinlich.

6. Euer Blog heißt “Homo Politicus”. Ist dieser Name bewusst im Gegensatz zum viel beschworenen “Homo oeconomicus” gewählt?

Wir könnten an dieser Stelle eine breite Definition formulieren, wie sich die beiden Figuren von einander unterscheiden. Knapp müssten wir diese Frage aber mit „nein, nicht wirklich“ beantworten.

7. Welche Themen interessieren Euch besonders?

Aktuell dominiert natürlich der Hessenwahlkampf bei uns. Das Superwahljahr 2009 wird uns sicherlich auch weiterhin beschäftigen. Generell sind unsere Themengebiete aber weiter gefächert. Wir interessieren uns eigentlich für alles, was nur im Entferntesten mit Politik zu tun hat. Dominant wird vermutlich auch in Zukunft der Studienschwerpunkt Politische Kommunikation bleiben.

8. Wieviel Zeit verwendet Ihr im Schnitt täglich für den Blog?

In der heißen Wahlkampfphase ist es natürlich sehr viel. In der letzten Woche waren es schon die ein oder andere Stunde täglich. Im Herbst letzen Jahres war der Zeitaufwand schon deutlich geringer. Es gibt einfach auch immer Phasen, wo wenig Politisches passiert, für das wir uns interessieren.

9. Welche wichtigen (persönlichen) Erfahrungen macht Ihr durch das Bloggen?

Wir befinden uns in einer Phase, in der sich politische Kommunikation gerade durch das Internet in Deutschland erst entwickelt. Andere Länder wie Frankreich oder die USA sind da schon wesentlich weiter. Für uns persönlich ist besonders interessant, die große Vernetzung des politischen Internets in Deutschland aus der Nähe betrachten zu können.

10. Könnt Ihr einschätzen, wieviele Menschen Ihr mit Eurem Internetangebot erreicht?

Natürlich haben wir auch unsere Statistik, mit der wir die tatsächlichen Besucher und Abonnenten erfassen können. Mit der Reichweite hat dies allerdings nur indirekt etwas zu tun. Insgesamt können wir schon sagen, dass wir von der Reichweite unserer Berichte gerade in den letzten Tagen und Wochen ziemlich überrascht worden sind.

11. Kennt Ihr noch andere Blogs, die speziell über die hessischen Wahlkämpfe berichten?

Es sind leider noch eher wenige Blogs, die sich speziell mit dem hessischen Wahlkampf beschäftigen. Es gibt durchaus gerade bundesweit Blogs, die hin und wieder auf gewisse Entwicklungen oder Aspekte eingehen. Hessische Blogs zum Wahlkampf sind aber rar gesät.

12. Wie schätzt Ihr die Rolle des Web 2.0 für die nächsten Wahlkämpfe in der BRD ein? Ist die Hessenwahl 2009 ein Präzedenzfall?

Sowohl bei den großen Medien wie auch bei den Bundesparteien wird der hessische Internetwahlkampf schon sehr genau beobachtet. Sicherlich gibt es da auch Lerneffekte, wie man mit gewissen Mitteln umgeht. Da ihr aber das Web 2.0 im Besonderen ansprecht, kann Hessen gar nicht so viel Erfahrungen bieten. Einzig Thorsten Schäfer-Gümbel beginnt gerade, den Gedanken der Kommunikation in beide(!) Richtungen zu begreifen und umzusetzen. Besonders interessant wird wohl der Bundestagswahlkampf im Herbst, der sich gerade in diesen Tagen mit dem Relaunch des SPD-Internetauftritts bereits ankündigt.

13. Haben die Politiker in Sachen Internet noch Nachholbedarf?

Diese Frage kann man einfach nur mit JA beantworten. Der größte Kritikpunkt ist, dass die Parteien das Internet nicht als Kommunikationsmedium, sondern nur als digitales Wahlkampfplakat begreifen. Sie haben scheinbar kein Interesse daran, mit dem Wähler in Dialog zu kommen, sondern wollen ihm lieber ihre vorgefertigten Antworten präsentieren.
Selbst bei der schlichten Präsentation übrigens gibt es noch ganz große Schwächen. Eine Einführung dazu bietet unsere Analysen der Internetseiten der hessischen Parteien und Spitzenkandidaten.

14. Versucht Ihr, neutral zu berichten, oder fließen auch Eure politischen Meinungen in Eure Beiträge ein?

Wir wollen uns nicht auf eine immer neutrale Berichterstattung festlegen, gerade außerhalb der Wahlkampfzeiten kann man bestimmt eigene politische Überzeugungen und Meinungen erkennen. Wenn wir allerdings wie jetzt eine Analyse des Wahlkampfs im und außerhalb des Internets machen, versuchen wir natürlich sachlich und neutral zu bleiben. Leider machen manche Parteien das mit ihren miserablen Auftritten nicht gerade einfach.

15. Wieviel technisches Know-How braucht man, um eine Homepage wie die Eure zu realisieren?

Für das Schreiben unserer Beiträge ist das Wissen aus unserem Studium ein großer Bonus, da man viele Entwicklungen einfach in größere theoretische Zusammenhänge einordnen kann. Wir beschäftigen uns eben an der Universität auch mit praktischen, politischen Themen. All das fließt natürlich auch in das Blog ein.

Die Gestaltung oder Administration des Blogs ist eigentlich eher zweitrangig. Christian arbeitet neben dem Studium als Grafiker, daher hat er das auch bei der Gestaltung eingebracht.

16. Was glaubt Ihr, welche Koalition nach dem 18.1.09 in Hessen regieren wird – und wieso?

Vor der heutigen (8. Januar) infratest-dimap-Umfrage hätten wir die Frage vielleicht noch anders beantwortet. Seitdem aber der Vorsprung von CDU und FDP nicht geschrumpft, sondern noch etwas gewachsen ist, ist wohl eine schwarzgelbe Koalition die realistischste Prognose.

17. Was passiert nach der Hessenwahl? Werdet Ihr über die Europa- und Bundestagswahlen berichten?

Ganz einfache Antwort: Ja. Wir hoffen natürlich, über einen klugen und offenen Internetwahlkampf bei beiden Wahlen berichten zu können. Aber auch über das Gegenteil werden wir schreiben. Auch über das Internet hinaus lässt sich bestimmt der ein oder andere interessante Aspekt berichten. Es lohnt sich also weiter, auf dem Homo Politicus vorbei zu schauen.

Erschienen drüben bei www.wahlkampf-in-hessen.de.vu, vielen Dank für das nette Interview.

Ein Gedanke zu „Interview zum Hessenwahlkampf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.