Das Netz hat gewählt

01-18_17-30-03_zdfinfokanal_wahl-im-web-01-19-01-58-33In den Maßstäben der sonst so kritischen Twitter-Gemeinde war die Rückmeldung zur Sendung „Wahl im Web“ des ZDF schon überwältigend gut. Etwas mehr als zweieinhalb Stunden hatte Markus Kavka mit Unterstützung durch sein Team aus Wissenschaftlern und Studenten von den Nebenwirkungen der Landtagswahl im Internet berichtet.

Zwischen den sehr positiv aufgenommenen Analysen des ZDF-Hauswissenschaftlers Professor Korte und den Hintergrundinformationen des Lokalmatadors und Netzpolitikexperten Dr. Bieber bestimmte tatsächlich das Online-Geschehen die Sendung. Auf neudeutsch „Netzscouts“ titulierte Studenten beobachteten die Blogosphäre, die Kurznachrichtenflut auf Twitter und das althergebrachte Fernsehprogramm und brachten ihre Erkenntnisse direkt und unmittelbar in die auf dem ZDF Infokanal und heute.de live übertragene Sendung ein.

Vor allem vor dem Hintergrund des noch taufrischen Sendeformats ist das Ergebnis durchaus vorzeigenswert. Im vergangenen Jahr hieß es noch „Kleber statt Kavka“ und berichtet wurde nicht von der Landtagswahl in Hessen, sondern von der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Die Kulisse der Sendung war aber auch da schon ähnlich, man sendete in beengter Atmosphäre aus der Cafeteria der American University in Washington. Etwas großzügiger waren die Platzverhältnisse am Zentrum für Medien und Interaktivität in Gießen dann schon und so hatte man auch Platz für mehr Zuschauer – was der Sendung stark zu Gute kam.

Für viele unerwartet kam die Masse an Informationen, die hauptsächlich über den Kurznachrichtendienst Twitter auf die Beobachter hereinbrach. Mehrere hundert Nachrichten sammelten sich innerhalb weniger Stunden an und offenbarten somit gleich ein bestimmendes Problem der Sendung, nämlich den kontinuierlich herein kommenden Meldungen Herr zu werden und sie aktuell und relevant in das Format zu integrieren. Dem gegenüber stand eine schon fast bemitleidenswerte Unterbeschäftigung der Netzscouts, die die Blogosphäre zu beobachten hatten – hier tat sich über die ganze Zeit kaum nennenswertes.

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Einige Kritik mussten die Macher sich aus dem Internet gefallen lassen, wenn mal wieder ein wenig chaotisch zwischen dem ZDF-Hauptprogramm und den Netzbeobachtern auf dem ZDF Infokanal hin und her geschaltet wurde. Da blieb schon mal der Ton auf der Strecke oder gerade redende Experten mussten schnell unterbrochen werden. Warum man für die Berliner Runde der Generalsekretäre der großen Parteien (und der CSU, seit wann tritt die eigentlich in Hessen an?) für mehrere Minuten den Sender räumen musste, stieß bei einigen Kommentatoren auf Unverständnis.

Markus Kavka als neuer Moderator dagegen hatte die Sympathie nicht nur des Saalpublikums ganz auf seiner Seite. Charmant und vor allem auch kompetent und interessiert dirigierte er den Live-Marathon für alle Beteiligten, so dass sich keiner übergangen oder verloren vorkam. Natürlich waren die zweieinhalb Stunden mit den verschiedensten Elementen nicht ausreichend, um jedem einzelnen vollauf gerecht zu werden. Die Mischung aber hat „Wahl im Web“ sehr ausgewogen hinbekommen.

Einen ambitionierten deutschen Neustart des auf die amerikanische Wahlen zugeschnitten Programms hat das ZDF also hingelegt, bleibt die Frage nach der Zukunft des Formats. Gerade zur kommenden Bundestagswahl wird sicherlich noch weitaus mehr Netzaktivität nicht nur bei Parteien sondern eben auch bei den politischen Internetnutzern zu verzeichnen sein. Eine gute Gelegenheit für die Mainzer, mit dem neuen Format eine dauerhafte Innovation in ihrem Wahlberichterstattungsprogramm zu etablieren. Aber auch die Europawahl und die Landtagswahlen könnten sich für eine Neuauflage des Formats anbieten.

Die Zuschauer würde es sicherlich freuen, wenn dabei die Mannschaft die gleiche bliebe. Mit dem sich pudelwohl fühlenden Markus Kavka hat man den absolut richtigen Moderator gefunden, Parteienexperte Karl-Rudolf Korte schien die direkt über das Internet hereinkommenden Fragen zu genießen und der Netzpolitik-Forscher Christoph Bieber könnte ohnehin mehrere Stunden einer solchen Sendung mit seinen Erklärungen füllen. Wir werden sehen, wie viel Mut zum Neuen auf dem Lerchenberg in Mainz zu finden ist.

3 Gedanken zu „Das Netz hat gewählt

  1. Sehr schön zusammengefasst :) Ich fand es auch sehr gelungen und ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass man mit einem solchen Konzept auch den Sprung vom Spartensender ins große ZDF schafft.

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