Zum Abschluss des Netzwerk-Barometers

Sechs Wochen nach der Landtagswahl in Hessen haben wir die Aktualisierung des Netzwerk-Barometers eingestellt. Wir hoffen in den letzten Wochen einen interessanten und aufschlussreichen Überblick über die Performance der hessischen Spitzenkandidaten in den bekannten Social Networks gegeben zu haben.
Es wird deutlich, dass nach dem Wahltag am 18. Januar 2009 starke Entwicklungen zu verzeichnen waren. Nun scheint es jedoch ruhiger um die Profile der hessischen Spitzenkandidaten geworden zu sein. Trotzdem lohnt sich ein abschließender Blick:

Interview mit Dr. Christoph Bieber zum Abschluss des hessischen Netzwerk-Barometers

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Welchen Nutzen hatten und haben die Unterstützer für die Kandidaten?

Dr. Bieber: Das ist schwer zu sagen – wie man aus den Kampagnenumfeldern hört, war eine Vielzahl der Unterstützer nicht in Hessen wahlberechtigt. Die Zahl der Wählerstimmen dürfte sich so also nicht unbedingt erhöht haben. Ein wesentlicher Nutzen sind aber natürlich die Kontaktdaten der „Freunde“ bzw. „Follower“: in der nächsten Zeit werden sicherlich einige Anfragen und Aussendungen an die Unterstützer versendet werden. Für die Europa- und die Bundestagswahl kann so allmählich ein größerer Datenbestand aufgebaut werden.

Lässt sich anhand der Daten vermuten, dass die Social Network Sites im kommenden Bundestagswahlkampf eine größere Rolle einnehmen werden?

Dr. Bieber: Vielleicht nicht so sehr aufgrund der Daten, aber aufgrund ihrer aktuellen Popularität spielen Social Network Sites sicher eine große Rolle bei der Planung der Kampagnen zur Bundestagswahl. Erste Beispiele liefern die neuen Websites von SPD und CDU, die jeweils stark in Richtung Online-Communities zielen – zumindest nach deren eigener Aussage. Die FDP und die Grünen dürften nachziehen, bei der Linkspartei bin ich aufgrund der bisher doch sehr verhaltenen Online-Nutzung eher skeptisch.

Welche Rolle spielen Social Network Sites derzeit allgemein für die deutsche Politik?

Dr. Bieber: In praktischer Hinsicht noch keine allzu große – auch wenn die Parteien sich in die Community-Richtung bewegen, dominieren bei SPD und CDU doch deutlich die Video-Inhalte. Dennoch liegen in den SNS große Chancen zu einer Revitalisierung der Organisationsarbeit – intern mit den eigenen Mitgliedern wie auch extern mit neuen Unterstützern, die sich nicht über ein Parteibuch binden wollen. In dieser Konstellation könnte aber auch eine Konkurrenzsituation entstehen – denn es ist noch unklar, wie der Informationsfluss zu und zwischen den unterschiedlichen Gruppen geregelt werden kann.

Wodurch lässt sich erklären, dass Thorsten Schäfer-Gümbel trotz seiner Wahlniederlage im Zeitraum nach der Wahl ein starkes Wachstum seiner Follower/Unterstützer-Zahlen verzeichnen konnte?

Dr. Bieber: Durch – halbwegs – konsequentes Bespielen der neuen Kommunikationskanäle, die eine kontinuierliche Aktivität honorieren. Und schließlich entstehen bei ein paar tausend Unterstützern auch Netzwerkeffekte – das Verbindungsnetz erweitert sich durch die digitale Mundpropaganda nahezu selbsttätig.

Kann man insgesamt beurteilen, welchen Vorteil die Aktivität in sozialen Netzwerken für die Kandidaten hatte?

Dr. Bieber: Neben dem Nachrichtenwert für alte Medien lernen die Kandidaten vor allem den Umgang mit einer neuen Medienumgebung, die anderen Regeln folgt, als die alten Medien – das gilt sogar noch für die „klassischen“ Typen der Online-Kommunikation wie Websites oder einfache Mail-Kommunikation. Ein benefit ist sicher auch die Adressierung einer tendenziell jüngeren, vor allem aber kommunikationsfreudigen Klientel – wer in SNS unterwegs ist, vermittelt die Botschaften häufig weiter und trägt so zu einer Reichweitensteigerung bei. Allerdings kann sich das auch ins Gegenteil wenden – wenn ein Kandidat die Gepflogenheiten der Netzwerkkommunikation nicht kennt und sich dort Fehler leistet, bleibt das natürlich nicht geheim. Social Network Sites können positiv wie negativ verstärkend wirken und bieten damit Chance und Risiko zugleich.


Dr. Christoph Bieber ist wissenschaftlicher Assistent an der JLU Gießen und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Neuen Medien auf politische und gesellschaftliche Prozesse. Zu seinen Veröffentlichungen zählen unter anderem Publikationen zum Thema Online-Wahlkampf, die Zukunft der Mediendemokratie und Interaktivität. Dr. Bieber betreibt das Blog Internet und Politik.

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