Nicht siegen, um zu gewinnen

Wohl nur kurzfristig hat die leichte Begeisterung über den vermutlich gar nicht so unrealistischen Deutschland-Plan von Frank-Walter Steinmeier die Nachrufe auf die SPD verstummen lassen. Die aktuellen Umfragezahlen aller Institute jedenfalls sehen noch keine Spur einer Trendwende der ach so gebeutelten Sozialdemokraten.

Bertrand Benoit von der Financial Times schreibt den richtigen Beitrag in diese Zeit – mit der einfachen Botschaft, dass für die SPD keinesfalls alle Felle davon geschwommen sind. Er beschreibt zwei Fehler, die man vor allem als Beobachter aus dem Ausland machen kann; doch auch die Inländer sind davor nicht gefeit.

„There are two mistakes one can make when watching the election. The first is to think of it as a Merkel-Steinmeier confrontation. If it were, there would indeed be no doubt as to the outcome.

This is a competition between parties, and since no single grouping is popular enough to muster an outright majority in the Bundestag it is a contest between groups of parties, potential ruling alliances.“

Der erste Fehler, so Benoit, sei es, von einem Duell zwischen Merkel und Steinmeier auszugehen. Auch von einem Schlagabtausch von CDU und SPD will er nichts wissen, sondern rückt ganz pragmatisch die späteren Regierungskoalitionen beziehungsweise die Optionen dafür ins Bild. Es stehen sich also nicht Merkel und Steinmeier, nicht CDU und SPD gegenüber, sondern eine christliberale Koalition kämpft mit knappem Vorsprung gegen alles, was sie verhindern könnte. Ehrlicherweise gesteht Benoit aber sogleich ein, dass es sich dabei im wahrscheinlichsten Falle um eine große Koalition handeln muss. Für ihn allerdings kein Grund, von einer Niederlage der SPD zu reden. Ganz im Gegenteil:

„The second would be to define victory in similar terms for the CDU and SPD. As in 2005, Ms Merkel’s goal is for the CDU and the small Free Democratic party to obtain enough votes to form a coalition. Mr Steinmeier’s goal is to prevent this.

This matters because whether a re-elected Ms Merkel leads a centre-right alliance or another grand coalition would make a huge difference in areas ranging from tax policy to nuclear energy. Indeed, as grand-coalition chancellor over the past four years she implemented more measures from the SPD’s 2005 manifesto than from her own campaign pledges.“

Für Benoit ist es das logischste Wahlziel der SPD, eine erneute große Koalition anzustreben. Damit habe man die Möglichkeit, weiter an der Zukunft des Landes mitzuarbeiten. Man solle dabei nicht davon ausgehen, dass der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Schwarz-Rot klein sei. Es gebe große Unterschiede in den verschiedensten Politikfeldern von Steuerpolitik bis zum Atomausstieg.

Über diesen anderen Blickwinkel auf die Wahl hinaus weist Benoit auf einige Erkenntnisse der Wahlforscher hin, die auch Jörg Schönenborn vom ARD Deutschland-Trend erwähnt. Da ist die Rede vom weitgehend ausgeschöpften Wählerpotenzial der CDU und FDP auf der einen Seite und den großen Reserven der mit der SPD sympathisierenden Nichtwählern. Benoit und Schönenborn ziehen auch beide den Vergleich zur vergangenen Wahl und den großen Kampagnenerfahrungen der SPD.

Wie auch immer der Wahlkampf in den nächsten Wochen verlaufen wird. Steinmeier muss bei der Bundestagswahl im September nicht siegen, um zu gewinnen.

Foto: flickr Stephanie Booth

Ein Gedanke zu „Nicht siegen, um zu gewinnen

  1. Passend dazu ein akutelles Umfrageergebnis von Infratest-Dimap (Quelle: Frankfurter Rundschau, 07.08.2009):
    20% der SPD-Wähler sind sich „weniger sicher/überhaupt nicht sicher“ ihre Stimme im September ihrer Partei zu geben. Auch bei den Anhängern der Grünen sind sich 19% noch unentschlossen.
    Dagegen stehen 11% bei CDU/CSU und 6% bei der FDP, die ihr Potential damit schon relativ ausgeschöpft haben.

    Weiterhin sind 11% der Anhänger der Linkspartei noch unentschlossen.

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