Versteckspiel im Netz

Die Parteien kämpfen in diesem Jahr nicht nur um die Stimmen am Wahltag, sondern auch um die Vorherrschaft im Internet. Medien aller Branchen erwecken den Eindruck, als sei das Internet schon zum wahlentscheidenden Kommunikationsmittel geworden. Der Branchenverband Bitkom hält fest, das Netz sei die wichtigste Informationsquelle für Jüngere und werde zum zentralen Medium für die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern. Meedia.de hält dagegen und bilanziert eine „ernüchternde“ Reichweite der Parteiwebsites. Ein erster Blick ins Netz.

Ob nun das Internet die wichtigste oder eine vollkommen überschätzte Informationsquelle für den Bürger ist, darüber soll man ruhig weiter streiten. Doch auch die niedrigen Zahlen von Meedia.de zeigen immer noch Nutzerzahlen von 30.000 bis 50.000 Besuchern im Monat. Das ist mehr, als man auf den meisten Wahlkampfveranstaltungen erreicht – wenn man nicht gerade die Kölnarena oder das Olympiastadion füllen kann. Für diese Besucher also sollten die Websites eine Möglichkeit sein, sich über die Kandidaten und die Politik der Parteien zu informieren. Wie leicht machen es nun die Parteien den Bürgern, an die einfachsten Informationen zu kommen? Wir haben die Startseiten von CDU, SPD, FDP, Grünen und der Linken analysiert.

Dazu haben wir die erste Seite der Internetauftritte etwas abgedunkelt und nur die Teile wieder hell eingefärbt, in denen entweder das Wahlprogramm, die Kandidaten oder eines der Mitmach-Portale der Parteien vorgestellt wurden. Als Größe für den Ausschnitt der Seiten haben wir die kleinstmögliche Fläche genommen, auf der sich eine Partei präsentiert. Der CDU reichen für ihre Startseite 572.000 Pixel. Das gleiche Format haben wir daher auch den anderen Parteien zugestanden. Nicht zuletzt auch aus dem Grund, dass viele Nutzer einen nicht allzu großen Bildschirm benutzen und auf den ersten Blick ohnehin nicht mehr sehen können.

cdu

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gruene

linke

Das Ergebnis ist enttäuschend. Die Parteien räumen den relevantesten Informationen den wenigsten Platz ein. Wichtig ist für sie vielmehr, eine Illusion  von Aktualität zu schaffen, indem sie Meldungen und Berichte aus dem Wahlkampf einbinden. Zugegeben, auch für diese Inhalte muss es Platz auf der Startseite einer Partei im Wahlkampf geben. Dennoch müssen sich die Verantwortlichen fragen, ob das wirklich die Information ist, die ein großer Teil ihrer Besucher sucht.

Besonders drastisch fällt das Ergebnis bei der FDP aus. Nur in der Navigationsleiste findet sich ein Hinweis auf das Programm, den Hinweis auf die Mitmach-Arena der FDP werden auch nicht alle Besucher zu schätzen wissen. Ein ähnliches Bild bietet sich bei der Linken, die immerhin auf Programm und Kandidaten in der Navigation verweist und mit einer Wortwolke Zugang zu weiteren Informationen gewährt. Bei den Grünen sieht es nicht wesentlich anders aus, Links in der Navitgation und ein Verweis auf das eigene Netzwerk dominieren gemeinsam mit den aktuellen Elementen die Startseite.

Fazit

Wie es besser geht, zeigen SPD und CDU. In einer „großen Koalition der Nutzerführung“ scheinen sich deren Internetseiten mehr am Interesse des Besuchers zu orientieren. Die CDU schafft es trotz einer großen Bühne für ihre News auch auf Angela Merkel und die Wahlkampfveröffentlichungen hinzuweisen. Sogar einen gesonderten Zugang für einzelne Zielgruppen wie Frauen, Senioren oder die Jugend bringt die CDU auf ihrer übersichtlichen Startseite unter.

Die beste Übersicht bietet eindeutig die Internetseite der SPD. Die als hochinnovativ angepriesene „Content-Box“ auf der Startseite ermöglicht einen schnellen, unkomplizierten Zugang zur Vorstellung des Kandidaten und seines Kompetenzteams, verweist ausführlich auf Steinmeiers Deutschland-Plan und listet sogar kurz und bündig 8 konkrete Ziele auf. Auch auf die Plattform wahlkampf09 wird verwiesen.

Es gibt noch einiges aufzuholen auf den Parteipräsenzen im Internet. Unabhängig vom Ruf nach immer mehr direkter Kommunikation mit dem Wähler, nach dem Rückkanal in die Politik – zuerst sollten die Parteien die Möglichkeiten des herkömmlichen Internet nutzen, bevor sie sich in die Zukunftswelt des Web 2.0 begeben.

Als zusätzliche Information für unsere Leser haben wir noch Screenshots der Internetseiten von Parteien, Kandidaten und deren sozialen Netzwerken hochgeladen. Alle Bilder: die jeweiligen Parteien.

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5 Gedanken zu „Versteckspiel im Netz

  1. Interessant Idee, bin mir aber nicht sicher, ob der Bewertungsmaßstab „in denen entweder das Wahlprogramm, die Kandidaten oder eines der Mitmach-Portale der Parteien vorgestellt wurden“ so sinnvoll ist. Ist es das, was auf den Parteiseiten gesucht wird? Und wenn ja – um mal am Beispiel der grünen Seite zu bleiben – „Deine Grüne Minute“ ist ein Teil der Mitmachkampagne. Die ganzen Berichte oben in der Leiste zielen auf grüne Wahlkampfthemen. Zudem finde ich die Ausschnittswahl seltsam – weil bei der CDU alles draufpasst, müssen bei den anderen genau die gleichen Ausschnitte genommen werden?

  2. Ich wage mal zu behaupten, dass den Wähler die Wahlkampfaktionen der Parteien nicht interessieren, wenn er auf deren Internetseiten geht. Dafür muss ich nur in meinen Bekanntenkreis schauen und sehe dort, wie man sich informiert. Da geht es nicht um Aktivitäten und Neuigkeiten, sondern um Personen und Programme. Die Mitmach-Portale der Parteien haben wir eigentlich auch nur reingenommen, damit es bei der FDP nicht ganz so leer aussieht. Wären wir konsequent gewesen, hätten wir auch die Mitmachkampagne rauslassen müssen.

    Der Ausschnitt mag etwas willkürlich gewählt sein, aber er deckt sich in etwa mit dem, was man auf einem kleineren Bildschirm auf den ersten Blick sehen kann. Es ist wichtig, dass Besucher einer Seite nicht lange nach den Informationen suchen müssen, sondern sie im besten Falle direkt vor Augen haben.

  3. Guter Post, der unterstreicht, dass die Parteien alles andere als mit ihrer programmatischen Linie bei dieser Bundestagswahl wuchern.Man hört ja auch ständig, dass es sich hier eher um einen personalisierten Wahlkampf handelt. Wenn man allerdings bedenkt, dass Merkel und Steinmeier ein zweites Duell ausgeschlossen haben, muss man sich fragen was für ein Wahlkampf in 2009 überhaupt geführt wird. Kein personaler und kein programmatischer Wahlkampf. Worauf konzentriert man sich also? Die Instrumente das Wahlkampfs – deswegen wird momentan soviel über die Aktivität der Parteien im Internet geredet. Mehr Neues gibt es ja auch nicht in diesem Wahlkampf 09.

  4. „Da geht es nicht um Aktivitäten und Neuigkeiten, sondern um Personen und Programme. Die Mitmach-Portale der Parteien haben wir eigentlich auch nur reingenommen, damit es bei der FDP nicht ganz so leer aussieht.“

    Warum soll’s bei der FDP nicht leer aussehen, wenn’s da leer aussieht?

    Ich bleibe aber bei meiner Behauptung, dass es nicht so ganz einfach ist, zu entscheiden, was „Personen und Programme“ sind. Streng genommen: Link zum Wahlprogramm bzw. zu dessen Kurzfassung, Link zur Liste der Personen, die auf der Liste stehen. Weit gefasst: selbst das „Schwarz-gelb nein danke“ auf dem grünen Hintergrund ist letztlich Programm. Und die Neuigkeiten, SpitzenkandidatInnen-Videos etc. verstehe ich erst recht als Mittel, die Themen des Wahlprogramms und die Personen zu präsentieren.

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