Angst vor dem Minarett

Was mit der Abstimmung in der  Schweiz losgetreten  wurde ist eine Diskussion, die nicht jedem schmeckt, die aber offenbar umso nötiger geführt werden muss. In den vergangenen Tagen habe ich ganz persönlich mit meinen Familienmitgliedern so ausführlich und erhitzt über ein Thema diskutiert, das sie schon lange beschäftigt und das ich aus eigener Überzeugung als zu wenig relevant angesehen habe.

Beim abendlichen Anschauen von Frank Plasbergs Diskussion über das Minarett-Verbot in der Schweiz war erstaunliches zu beobachten. Es war erneut der trotzige Wolfgang Bosbach, der die Ängste in der Gesellschaft am deutlichsten symbolisieren konnte. Bosbach ist ja beileibe kein unerfahrener Politiker, der auch schon zahlreiche positive Begegnungen mit Moslems hatte und auch von diesen berichtet. Doch die Angst und Verunsicherung, die schon fast aus seinen Augen hervorleuchtete, war nicht zu übersehen. Worum aber geht es dieser großen Mehrheit in unserer, aber auch der Schweizer Gesellschaft?

Minarette sind nicht das Problem

Es kann nur schwerlich der Bau von Minaretten an sich sein. Unabhängig von der Frage, ob es etwas in der Verfassung eines Landes zu regeln gilt, das eigentlich mehr die städtischen Bauordnungen betrifft, muss es doch um weit mehr gehen. Die Schweizer haben mit ihrem Protestwahlgang mehr eine Meinungsäußerung abgegeben, als das tatsächlich ein praktikables Gesetz hervor gegangen wäre. Man muss sich nur verdeutlichen, dass nach der nun beschlossenen Regelung die repräsentativste, schönste und größte Moschee gebaut werden darf – nur auf einen Turm an ihrer Seite muss sie verzichten.

In Deutschland ist der Bau von Minaretten weit weniger umstritten, als die kurzfristigen Befragungen der sensationsgierigen Fernsehprogramme das vermuten lassen. Kaum jemand wir das oben beschriebene Szenario eines repräsentativen Moscheebaus gut heißen, solange auf das Minarett verzichtet wird. Eine wahrscheinlichere Stufe wäre da schon gleich der ganze Moscheebau an sich. Ein Blick ins Detail zeigt aber, wie aberwitzig auch diese Vorstellung anmuten muss. Denn es ist beileibe nicht so, dass es keine Moscheen in Deutschland gäbe. Sie sind vielmehr nicht als solche sichtbar. Problematisch wird hier nur die Manifestation in Form von orientalisch anmutender Architektur. Ein Lagerhaus in deutschem Einheitsweiß getüncht darf so viel Gebetsteppiche beherbergen, wie man sich das nur vorstellen kann.

Verdrängte Säkularisierung

Doch ich bin der Meinung, dass selbst eine solche Skepsis vor Moscheebauten nur ein Symptom ist und nicht die eigentliche Malaise. Michel Friedmann sprach gestern bei Plasberg von der Angst einer säkularisierten Gesellschaft vor dem Sakralen. Weil immer weniger Deutsche in eine Kirche oder Religionsgemeinschaft gehen, müssten die sehr diszipliniert wirkenden Moslems bedrohlich wirken. Doch diese Analyse trifft nicht annähernd das Problem. Vielmehr scheint die deutsche Gesellschaft nicht begriffen zu haben, dass und wie stark sie mittlerweile säkularisiert ist. Man begreift sich immer noch als christlich und kann nur so überhaupt einen Dualismus der Religionen, eine Konfrontation von Christentum und Islam in Deutschland annehmen.

Würde man dagegen begreifen, welch geringe Rolle die Religion im Alltagsleben der meisten Menschen spielt; würde man sich verdeutlichen, wie viele Atheisten und Agnostiker es in unserem Land gibt: Man wäre dennoch nicht am Kern des Problems angekommen. Was aber kann der Kern noch sein?

Teil einer Kultur

Der viel berufene Unterschied der Kulturen jedenfalls wohl kaum. Die deutsche Jugend zeigt das eindrücklich. Wer weiß schon noch, welche Musik aus welchem Kulturraum kommt. Selbst in unserer provinziellen, kleinstädtischen Gegen sieht man auf den Jugendseiten der Tagesschau die Lieblingsmusik der Jugendlichen und Teenager, die auf Bushido ebenso abfahren wie auf Fler. Die beiden Rapper setzen bewusst auf die gleiche Musik. Doch während Bushido eigentlich Moslem ist, betont Fler sein Deutschsein. Daran stören wird sich niemand. Fakt ist doch, dass jeder in Deutschland lebende Bürger, egal welcher Staatsangehörigkeit, zwangsläufig Teil einer gemeinsam entstehenden und sich immer wieder wandelnden Kultur ist.

In den Gesprächen mit meinen Eltern und Großeltern kommt man irgendwann zu dem immer gleichen Punkt, den ich für den entscheidenden halte. Das Bild von Moslems ist bei ihnen nicht durch persönliche Erfahrungen geprägt, sie kennen höchstens den türkischen Reifenhändler am Ortseingang. Mit einem Moslem, der seinen Glauben auslebt, sind sie noch nie in Kontakt geschweige denn in eine Diskussion gekommen. Nein, ihr Bild ist geprägt von einer medialen Berichterstattung, die von Ehrenmorden und Genitalverstümmelung, von Zwangsverheiratungen und Kopftuchstreitigkeiten an Schulen bestimmt ist.

Angst ums Recht

Seltsam genug, dass es nicht kulturelle, religiöse oder persönliche Vorbehalte sind, sondern rechtliche. Denn ausgerechnet unser Rechtssystem ist das mit den geringsten Anpassungsschwierigkeiten. Nahezu alle Bereiche, die mit einem fundamental ausgelebten Islam Probleme aufwerfen könnten, sind zweifelsfrei geregelt. Verfassungsfeindliche Tendenzen werden beobachtet und geahndet. Ehrenmorde und Frauenbeschneidung sind kein juristisches Streitthema, sondern klar bestimmt. Und Fragen nach Kopftüchern und Schwimmunterrichtsbefreiung sind auf dem Weg dahin.

Was uns also fehlt, ist eine bewusste Zurückstellung der rechtlichen Diskrepanzen und eine Betonung des gemeinsamen Lebens. Wir sind uns näher, als wir denken und es wird Zeit, dass wir einander begegnen.

Bild: flickr Grauer Mausling

6 Gedanken zu „Angst vor dem Minarett

  1. Auch in der Schweiz fragt man sich, wie man die Fragen und Ängste so lange übersehen und daher nicht bekämpfen konnte:

    Wir haben den Kampf gegen diesen eidenbenzischen Pseudodenk nie wirklich aufgenommen, weil wir uns nicht vorstellen konnten, dass eine Mehrheit solche logischen Bocksprünge mithüpfen würde. Wir sind unterlegen, weil wir uns so überlegen glaubten. Weil uns das selbstgefällige Gefühl, Recht zu haben, wichtiger war als die Anstrengung, Recht zu bekommen. Wie Tom Lehrer einmal gesungen hat: «They won all the battles, but we had all the good songs.»

  2. Folgendes widerspricht Deiner These, dass nur Menschen ein Problem in der „Islamisierung sehen, die nicht im Kontakt zu Muslimen stehen:

    „Es scheint, dass sich in der Tendenz Menschen für ein Ja entschieden haben, die in direktem Kontakt mit den problematischen Seiten des Islam stehen – eher jüngere Wähler, eher Frauen.

    Ja, das ist auch mein Gefühl. Ich habe im Vorfeld der Abstimmung viele Schulen – sowohl Gymnasien als auch Berufsschulen – besucht. Die Zustimmung unter den Jungen war immer sehr gross. Diese kam aber nicht einfach aus dem nichts und war auch nicht von den Plakaten getrieben. Die Zustimmung entstand vor allem aus den persönlichen Kontakten, die viele junge Leute am Arbeitsplatz, in der Schule und Abends im Ausgang mit schlecht integrierten Muslimen gemacht hatten.“

    http://www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/lukas_reimann_1.4096471.html

  3. @Jule: Ich sehe das nicht wirklich als Widerspruch. Vielmehr sogar als Bestätigung. Ich will das kurz zu erklären versuchen:

    Wenn, entgegen meiner These, dass mangelnder Kontakt das Problem darstellt, gerade der Kontakt erst zum Problem wird, dann wird eine unzulässige Schlussfolgerung angestellt. Natürlich gibt es Probleme bei der Integration, natürlich entstehen Parallelgesellschaften. Aber man sollte das eben nicht als Kern, als Wesen von muslimischer Präsenz in unserer Gesellschaft sehen. Denn es gibt ja eben auch Moslems, die ihre Religion bewahrt haben und trotzdem oder gerade deshalb zum Teil unserer Gesellschaft wurden.

    Wenn ich also sage, dass der Kontakt zu Moslems fehlt, dann meine ich genau das. Man darf nicht nur auf die Probleme sehen, sondern muss auch den Kontakt zu den unzähligen erfolgreichen Integrationsbeispielen sehen.

  4. „Wenn ich also sage, dass der Kontakt zu Moslems fehlt, dann meine ich genau das. Man darf nicht nur auf die Probleme sehen, sondern muss auch den Kontakt zu den unzähligen erfolgreichen Integrationsbeispielen sehen.“

    Mit Verlaub, aber das ist ja eine schöne Theorie, aber mit der Realität hat das nichts zu tun. Wenn es so viele erfolgreiche Integrationsbeispiele gäbe, dann wären die auch deutlich sichtbar. Sind sie aber nicht.
    Es hilft eben gerade nicht, nur auf die gelungenen Integrationen zu schauen, denn solange diese von den nicht Gelungenen in den Hintergrund gedrängt werden, ist ein ausblenden der Probleme einfach falsch.
    Und genau dieses Ausblenden wird mit der „Politischen Korrektheit“ zu genüge getrieben. Man muss auch mal realistisch sein, auch wenn das nicht wahrgemommen wird, es gibt nicht viele integrierte arabische Muslime.

  5. Ich tue mich immer etwas schwer, wenn von der „Realität“ die Rede ist. Denn eigentlich kann man doch immer nur den eigenen Erfahrungsraum als solches beschreiben.

    Persönlich bin ich der Meinung, dass die gelungenen Beispiele von Integration bei weitem in der Mehrheit sind. Und ich bin auch der Auffassung, dass auch Political Correctness es erfordert, über Missstände zu sprechen. Aber es geht dabei häufig nicht mal um die Kritik an Problemen an sich, sondern um eine Vergrößerung auf die Allgemeinheit. Wenn wir Probleme kritisieren, bin ich selbstverständlich konstruktiv dabei. Aber die Probleme, die wir haben, als Parabel auf ein hoffnungsloses Integrationsprojekt, auf eine Integrationsfeindlichkeit aller Muslime zu drehen, das halte ich für abwegig.

  6. Pingback: Auch Deutsche f

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