Politisches Morgengezwitscher

Thorsten Schäfer-Gümbel wird für diejenigen, die sich für Politik im und mit dem Internet interessieren, wohl auf ewig mit dem Kurznachrichtendienst Twitter verknüpft bleiben. Er war der erste deutsche Politiker, der im Jahre 0 nach Barack Obama eine gewisse Prominenz mit seinem Zwitschern erlangen konnte. Dabei ging der Erfolg nicht wirklich auf das Konto einer ausgefeilten Inhalts-Strategie, vielmehr war er eben erst einmal dabei und redete auch tatsächlich mit diesen Twitterati. Das war genug für die Presse, um ausgiebig darüber zu berichten. Nach der Wahl in Hessen 2009 wurde dieser Sachverhalt noch offensichtlicher. Schon legendär sind Schäfer-Gümbels Tweets über den morgendlichen Kaffee – die nicht zuletzt zur Parodie der Titanic führten…

Irgendetwas hat sich seitdem verändert. Wenn man nun morgens das erste Mal in die Twitter-Nachrichten schaut, berichtet Schäfer-Gümbel immer noch gern über Kaffee oder gern auch mal über den morgendlichen Stau auf der A5. Aber damit hört es nicht auf. Schäfer-Gümbel zeigt vielmehr, wie man auch als Landespolitiker sinnvolle und tagesaktuelle Botschaften in 140 Zeichen versenden kann. Ein paar Beispiele:

@tsghessen T. Schäfer-Gümbel
Anderes Thema: Europaeischer Finanzmarkt. Wir brauchen Europaeische Ratingagentur. Modell einen Non-Profit-Stiftung ueberzeugt mich.

6 hours ago via Twitter for BlackBerry®

@tsghessen T. Schäfer-Gümbel
Plenarwoche in Wiesbaden, heute Debatte zu ueberfuellten Unis o FHs. Wir haben vor einem Jahr schon Sonderprogramm beantragt.

13 Sep via Twitter for BlackBerry®

@tsghessen T. Schäfer-Gümbel
Wir koennen bei Steuern nicht weitermachen wie bisher. Deshalb muessen starke Schultern mehr tragen als schwache. Frage der Gerechtigkeit.

5 Sep via Twitter for BlackBerry®

@tsghessen T. Schäfer-Gümbel
FAZ berichtet heute ueber Vergabeaffaere um MP bei Digitalfunk. Da ist nur noch Sumpf, der MP + Finanzminister muessen Rede + Antwort geben.

2 Sep via Twitter for BlackBerry®

Und so kann man beliebig vor und zurück springen in der Timeline von @tsghessen. Mag man auch einwenden, dass die Sprache manches mal arg knapp oder holzschnittartig ist: Schäfer-Gümbel zeigt mit seinen Tweets, wie politisches Twittern eigentlich funktionieren sollte:

Er bringt glaubwürdig rüber, was er zu tagesaktuellen politischen Vorgängen denkt. Er macht das ganze selbst, über seinen Blackberry, aus dem Auto oder in einer anderen freien Minute. Die 9.385 Follower wissen jedenfalls, wie Schäfer-Gümbel die Dinge sieht. Trotz allem verliert er dabei nicht die Menschlichkeit, ist kein verlängerter Pressesprecher seiner Partei. Er zeigt Emotionen, ist auch schonmal zornig oder betroffen. Seine Kommunikation ist keine Einbahnstraße, den Dialog beherrscht er auch. Ebenso knapp und gerne auch mal sehr direkt: Seine @-Replies sprechen eine deutliche Sprache. Thorsten Schäfer-Gümbel liest, was andere ihm schreiben – und reagiert darauf.

Es sollten mehr Politiker so twittern, wie Thorsten Schäfer-Gümbel das tut. Vielleicht aber nicht unbedingt so viel Kaffee trinken.

Ein Gedanke zu „Politisches Morgengezwitscher

  1. Pingback: RSS-Reader-Roundup | 19. September 2011 | Bastian Dietz

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