Ich bin Deutschland. Ich bin Muslim.

Seit 31 Jahren wird mir beim ersten Kennenlernen immer wieder die gleiche Frage gestellt. „Woher kommst du?“ Auch wenn es nicht so gemeint ist, impliziert diese Frage immer auch ein „Du bist keiner von uns“. Und ich habe die Frage immer mit: „Aus Syrien“ beantwortet, da wo meine beiden Eltern herkommen. Ich war halt Ausländer. So war sie halt meine Welt. Ich bin mit dem Stempel, den man mir aufgedrückt hat, klargekommen. 26 Jahre lang. Dann bin ich mit 26 Jahren das erste Mal in Syrien gewesen. Ich habe das Land und die Menschen dort schätzen und lieben gelernt. Die Syrer sind sehr kontaktfreudige Menschen. Innerhalb von 4 Wochen hatte ich 60 neue Nummern in meinem Handy. Aber obwohl mich die Menschen dort herzlich aufgenommen haben, habe ich für mich festgestellt: „Ich bin kein Syrer.“ Auch wenn dort ein Teil meiner Familie lebt, ist das nicht meine Heimat. Ich bin in Aachen geboren und großgeworden. Meine Heimat heißt Deutschland.

Seit dem ich das für mich erkannt habe, lautet meine Antwort auf die Frage: „Woher kommst du?“ immer „Aus Deutschland“. Verdutzte Gesichter sind zumeist die Reaktion: „Achso… ja aber ich meine… also deine Eltern“. „Die sind beide Deutsche“. „Ja, gut aber ich meine… also ursprünglich…“

Ich bin Deutscher. Aachen ist meine Heimatstadt und Deutschland ist meine Heimat. Ich bin seit 31 Jahren Teil dieser Gesellschaft. Ich fiebere in der WM mit der deutschen Nationalmannschaft mit. Wenn ich die Bilder der Deutschen Einheit sehe, kommen mir die Tränen. Ich wähle hier. Ich lebe hier. Ich arbeite hier. Und ich habe meine Mutter hier begraben.

Auch wenn meine Antwort „Aus Deutschland“ meist nicht erwartet wird, hat man scheinbar kein Problem damit.

Es ist aber nun des Schicksals Fügung, dass ich auch noch Muslim bin. Und meine Religion ist ein Teil von mir. Ein sehr intimer Teil sogar. Und ein Teil meiner Religion ist die Moschee. Und genauso wie ich zu Deutschland gehöre, gehört meine Moschee zu Deutschland. Inklusive Minarett.

In Syrien stehen Kirchen, die knapp 2000 Jahre alt sind. Inklusive Kirchturm. Sie gehören so zum Stadtbild, wie die Christen zu Syrien gehören. In Syrien gibt es sogar drei Dörfer (eines davon ist Maloula), die immer noch Aramäisch sprechen, die Sprache, die Jesus sprach.

Durch den Volksentscheid in der Schweiz und die dadurch losgetretenen Debatten in Deutschland spürt man es jedoch wieder… dieses Unterschwellige: „Du bist keiner von uns“.
„Du darfst deine Moschee ja bauen, aber das Minarett passt mir nicht. Es stört einfach. Ich möchte es nicht sehen.“ Das Minarett, was man aber verbieten will, ist ein Teil meiner Moschee, ein Teil meiner Religion und ein Teil meiner Identität. Wer meine Moschee aber nicht sehen will, der will auch mich nicht. Das ist die Botschaft, die bei mir ankommt. Die Aussage „Du darfst deine Moschee doch bauen, aber nur ohne Minarett“ ist gleichzusetzen mit der Aussage „Ich mag Ausländer, aber nur nicht ihre Hautfarbe“

Menschen, die aus welchem Grund auch immer, ein Land verlassen und in ein neues Zuhause ziehen, bringen das, was ihnen am wichtigsten ist, mit. Nach der Familie ist das ihre Religion. Das haben Menschen schon immer getan. Überall auf der Welt. Wer diese Mitbringsel nicht respektieren will, der respektiert den Menschen nicht. Und wer Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion nicht respektiert, der trägt rechtes Gedankengut in sich, auch wenn er sich das nicht selbst eingestehen will.

Tamim Swaid ist 31 Jahre alt und lebt  in Aachen. Er ist User Interface Designer und Gründer des Startups CoboCards.com. Für uns hat er seinen Kommentar bei CARTA auf Stephan Russ-Mohls „Medienhype um Minarette“ zu einem Gastbeitrag erweiter.

Bild: Minarett in Rendsburg, flickr by sahinakif