Kolumne: Unterstützer (online) sammeln

Im September stehen neben der Bundestagswahl die Landtagswahlen in Bayern und Hessen an. Für die Parteistrategen gilt es also, die eigenen Mitglieder für den Wahlkampf zu aktivieren. Doch gerade das gelingt immer schwerer – zumal sich der Mitgliederschwund noch weiter fortsetzt und der Nachwuchs fehlt. Auch deshalb nehmen Nichtmitglieder als Unterstützer und Multiplikatoren im Wahlkampf inzwischen eine wichtige Rolle ein. Doch Nichtmitglieder gewinnt man selten als allgemeine Parteiunterstützer, sondern vielmehr für bestimmte Fachthemen. Und so schauen die Parteien schon seit längerer Zeit neidisch auf Angebote wie Campact und Avaaz, die über Onlineplattformen Unterstützer für verschiedene Themen suchen und bei Bedarf aktivieren können. Dabei geht es vor allem darum, dass sich Interessierte unkompliziert und ohne Verpflichtungen für die Mitarbeit melden können. Im Bundestagswahlkampf 2009 haben die Parteien bereits ansatzweise versucht, Elemente solcher Angebote zu übernehmen – in den meisten Fällen jedoch etwas halbherzig. 2013 nun wagen sie einen neuen Anlauf. So hat die CDU schon im vergangen Jahr ihre Unterstützerplattform CDUplus gelauncht. Auch die Grünen und die FDP haben inzwischen nachgelegt. Die Parteien schlagen mit diesen Aktivitäten den richtigen Weg ein, denn die Mitgliederverluste erfordern neue Formen der Mobilisierung von Unterstützern aller Art. Neue Mitglieder wird man damit sicher nicht im großen Stil gewinnen können, dafür aber Multiplikatoren für die eigenen Themen.

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, Februar 2013].

Die Landtags-Streams und der hessische Sonderweg

Gastbeitrag/Cross-Post von Gregor Landwehr

In Hessen soll der Privatsender FFH künftig die Landtagsdebatten übertragen – auf einer externen Internetseite und mit eingebundener Werbung. Mit dieser eigenwilligen Konstruktion des Streamings stehen die Hessen alleine da. Alle anderen Landesparlamente bieten die Übertragungen auf Ihrer Seite an, oder über öffentlich-rechtliche Partner. Nur in Brandenburg gibt es noch keine Livestream aus dem Parlament. Ein Überblick.

Einige Landesparlamente haben auf ihren Internetseiten bereits ganze Mediatheken zusammengestellt. Dort kann man sich einzelne Reden oder ganze Debatten als Videos anschauen und nach Rednern oder Stichworten suchen. Fast alle bieten einen Livestream an, also die Möglichkeit, sich eine Übertragung der Landtagsdebatten über einen Livestream anzuschauen. Nur in Brandenburg gibt es diesen Service bislang noch nicht, aber spätestens mit dem anstehenden Umzug des Parlaments soll sich das ändern.

teaser_livestreamIn der Regel sind in den Plenarsälen Kameras fest installiert, darüber organisiert die Landtagsverwaltung die Übertragung. Für das Streaming selbst gibt es in einigen Parlamenten einen Dienstleister. Die andere Variante ist die Übertragung durch einen Partner, wie einen Öffentlich Rechtlicher Sender. Diese Variante gib es etwa im Saarland oder in Niedersachsen. InBremen übernimmt einen Lokalsender die Übertragung. Nur in Hessen ging man einen anderen Weg: Dier Übertragung wurde hier an den Privatsender FFH vergeben.

Privatisierte Debatten ?

„Der Ältestenrats des Hessischen Landtags hat am 13.11.2012 entschieden, einen Livestream mit der Radio/Tele FFH GmbH Co. Betriebs-KG umzusetzen“, erläutert Heike Dederer, Pressesprecherin des Landtags. Als weiter Anbieter sei noch der Hessische Rundfunk in der Auswahl gewesen. Ob es eine Ausschreibung gab ließ die Sprecherin offen. So bekam der Privatsender die Aufgabe, die Landtagsdebatten zu übertragen. Weiterlesen

Die Privatisierung der öffentlichen Debatte

Der Hessische Landtag versucht sich schon eine ganze Weile an einer neuen Form von Transparenz. Mittlerweile darf man von der Tribüne und aus dem Plenum twittern und die Generaldebatte zum Haushalt übertrug der Hessische Rundfunk live. Aber wer auch abseits der Haushaltsdebatte etwas aus dem Hessischen Landesparlament mitbekommen wollte, war bisher aufgeschmissen. Nur im Landtag selbst gab es Zugriff auf Live-Übertragungen.

Nächstes Jahr soll sich das nun ändern. Aber nicht der Landtag selbst oder der öffentlich-rechtliche Hessische Rundfunk überträgt in Bild und Ton, sondern der private Rundfunksender FFH. Weiterlesen

Kampagnen-Reichweite mit Google

Stell dir vor, du willst eine Kampagne durchführen, um für dein Anliegen zu werben. Willst überzeugen, weil du die besseren Argumente hast. Aber kaum jemand bekommt es mit, weil du es nicht schaffst, die nötige Reichweite aufzubauen.

In den kommenden Tagen können wir beobachten, wie das Gegenteil aussieht: Google startet eine Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht und setzt dafür einen einfachen Textlink auf der Startseite von google.de. Vermutlich haben noch nie so viele Menschen Zugang zu einer politischen Kampagne im Internet gehabt.

Microtargeting – Wahlkampf mit Datensätzen

Kaum ein Thema der letzten beiden US-Präsidentschaftswahlkämpfe hat die Beobachter hierzulande so sehr begeistert wie die Internetaktivitäten der Kandidaten. Es geht um Apps, Social Media und Mobilisierungsnetzwerke. Nur selten rücken dabei jedoch die Datenbanken als Fundament solcher Netzaktivitäten in den Vordergrund. Dabei spielen die Datenbanken der Parteien bereits seit Jahrzehnten eine nicht zu unterschätzende Rolle in amerikanischen Wahlkämpfen.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten pflegen umfangreiche Datenbanken mit Informationen über die wahlberechtigte Bevölkerung. Die Parteien versprechen sich davon, potentielle Wähler zu erkennen und mit den passenden Botschaften und Themen anzusprechen. Durch den Siegeszug des Computers und des Internet haben die Datenbanken in den Parteizentralen einen regelrechten Aufschwung erlebt und wurden spätestens im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 auch für eine größere Öffentlichkeit sichtbar.

Intelligente Algorithmen

So sorgte Barack Obama 2008 für einige Aufmerksamkeit, als er Microtargeting einsetzte – also die zielgenaue, themenspezifische Wähleransprache-, indem er seine freiwilligen Helfer Millionen von Daten sammeln ließ. Während Microtargeting bei Google zu passenden Suchergebnissen und passender Werbung führt, sind es im politischen Bereich die auf die Einzelperson zugeschnittenen Spendenaufrufe und Themenansprachen. Intelligente Algorithmen helfen außerdem dabei, Voraussagen über das Spendenverhalten, die Wahlbeteiligung und das Engagement zu treffen und damit die Ansprache zu optimieren.

Nach 2008 werden auch in diesem Jahr wieder freiwillige Helfer von Obama rekrutiert, um Daten zu sammeln. Auf der Internetplattform call.barackobama.com kann sich quasi jeder im Auftrag von Obama als Telefonunterstützer betätigen. Dazu wird den Unterstützern vom System vollkommen automatisch die Telefonnummer eines potentiellen Wählers zugewiesen. Dieses Telefonat kann direkt auf der Internetseite dokumentiert werden. Auf diese Weise ist bereits im vergangenen Wahlkampf ein umfangreicher Datenberg entstanden, der Obama in diesem Wahljahr einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gegenüber seinem Konkurrenten Mitt Romney verschafft hat.

Der gläserne Wähler

Doch nicht nur auf die selbsterhobenen Daten wird zurückgegriffen, sondern auch sogenannte Data-Mining-Dienstleister kommen zum Einsatz. Dadurch gelangen die Kampagnenstrategen an für ihre Zwecke sehr wertvolles Wissen darüber, was potentielle Wähler einkaufen, wo sie wohnen, welche Autos sie fahren, was sie lesen und womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen. Das Verknüpfen solcher kommerziellen Daten mit den eigenen Daten ist zwar auch in den USA nicht gern gesehen, aber scheinbar inzwischen gängige Praxis.

Die Wähleransprache hat sich also grundlegend verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen TV-Werbung und Postwurf-Aktionen alleine ausreichten. Vielmehr wird in immer stärkerem Maße versucht, die Wähler persönlich und möglichst individuell anzusprechen. Der gläserne Wähler ist in den USA also Realität geworden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei politik-digital.de und ist Teil der Themenserie zur US-Wahl 2012.