Eine liberale Kultusministerin

Einen nicht besonders guten Ruf genoß die bildungspolitische Arbeit der vergangenen Regierungszeiten von Roland Koch. Weder Schüler noch Eltern nahmen Verbesserungen wahr, sondern hauptsächlich die immer weiter steigenden Anforderungen nicht zuletzt durch die Schulzeitverkürzung G8. Auch die im vorletzten Wahlkampf so erfolgreich kämpfende und dann tragisch an sich selbst gescheiterte SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti führte ihren damals 13-jährigen Sohn als Beispiel für sichtbaren G8-Stress der Schüler an. Das alles soll natürlich anders werden, versprach auch die CDU. Umso mehr Veränderung könnte man erwarten, da nun mit Dorothea Henzler eine FDP-Ministerin das Amt übernimmt.

Dorothea Henzler

abg40Seit fast 14 Jahren sitz Dorothea Henzler für die Liberalen im Hessischen Landtag. Geboren ist sie allerdings,  jenseits der hessischen Landesgrenzen, vor 60 Jahren im bayrischen Türkheim. Stets über die Landesliste eingezogen ist sie zuständig für die Wahlkreise Hochtaunus I und II sowie Groß-Gerau I und II. In der FDP-Fraktion hat sie in 4 Jahren als parlamentarische Geschäftsführerin und 5 Jahren als stellvertretende Fraktionsvorsitzende einige Verantwortung übernommen und es ist so nicht verwunderlich, dass sie eines der 3 von der FDP ausgehandelten Ministerämter angeboten bekommt. Henzler ist seit 11 Jahren bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, aber dass es bei dem ihr angebotenen Amt vermutlich das Kultusministerium werden würde, war nicht von vorneherein auszumachen. Immerhin hatte Roland Koch nur eine einzige Aussage zu Personalien im Wahlkampf gemacht, nämlich dass Jürgen Banzer gesetzt sei für eben dieses Ministerium, das er seit einem Jahr kommissarisch mitführte.

Liberale Bildungspolitik:
Mehr Geld gleich mehr Freiheit

franklinEin Zitat von Benjamin Franklin steht über den bildungspolitischen Forderungen im Wahlprogramm der hessischen FDP:

Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen

Getreu diesem Motto hat es die Wahlkampfforderung nach 2500 neuen Lehrerstellen (die Grünen waren da mit 1000 Stellen regelrecht zurückhaltend) tatsächlich bis in den Koalitionsvertrag geschafft, selbst wenn die FAZ einen finanziellen Mehraufwand von 50 Millionen Euro kalkuliert. Mit Hilfe dieser zusätzlichen Stellen möchte die Koalition die im Wahlkampf versprochene hundertfünfprozentige Lehrerversorgung der Schulen sicher stellen, die so für ein dauerhaft garantiertes Unterrichtsprogramm sorgen soll. Den Schulen soll dabei die Möglichkeit gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob man den nun einen Lehrer, einen Sozialpädagogen oder einen Schulpsychologen einstellen wolle.

Als Nebeneffekt der zusätzlichen Lehrkräfte soll außerdem die Klassengröße je nach Schulform um durchschnittlich 10% verkleinert werden. Dabei lässt die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP aber offen, ob die geforderten 25-30 Schüler eine Maximal- oder Durchschnittsgröße darstellen. Außerdem gilt die Forderung scheinbar nur für die Eintrittsklassen.

henzlerbildungDie inhaltlichen Ziele liberaler Bildungspolitik gibt die zukünftige Ministerin auf ihrer Internetseite in einer Aufzählung von Schwerpunkten an:

1. Erhalt der drei Bildungsgänge
2. Erhalt der Schulvielfalt
3. Bildung so früh wie möglich
4. Bildung so individuell wie möglich
5. Bildung so eigenverantwortlich wie möglich
6. Bildung so umfangreich wie möglich

G8 und Schulsystem

Die umstrittene Schulzeitverkürzung, die unter dem Stichwort G8 für massive Verärgerung bei allen Beteiligten gesorgt hatte, will die FDP-Ministerin nicht zurück nehmen. Und auch weiterhin soll diese Verkürzung in der Mittelstufe stattfinden, da die Oberstufen in den Gymnasien die verschiedenen Schüler zusammen führe und so unbedingt dreijährig bleiben müsse. Um die Auswirkungen der Reform abzumildern, soll aber vor allem der Lehrplan entrümpelt werden und zusätzlich durch Synergieeffekte zwischen einzelnen Fächern Zeit eingespart werden. Biologie und Physik könnten doch die Themen „Auge“ und „Optik“ prima zusammen fassen.

Der von SPD und Grünen bevorzugten gemeinsamen Schule erteilt Henzler eine ganz klare Absage. Für sie ist besonders die Hauptschule dringend notwendig und brauche eine Neuorientierung auf größeren Praxisbezug. Um die Schüler besser auf den frühen Berufseinstieg vorzubereiten, sei auch eine engere Zusammenarbeit mit beruflicehn Schulen, Handelskammern und der Wirtschaft nötig.

Ehrgeiziges Programm

Die Erwartungen der enttäuschten Eltern und Schüler, denen sich Henzler nur allzubald stellen muss, sind groß. Ebenso groß wohl, wie die Pläne der liberalen Ministerin. Schon die Fragen der hr1-Hörer zeigen die grassierende Ungeduld. Wie schnell wohl die Lehrplanentzerrung kommt? Wie schnell wohl das nötige Geld für die Schaffung neuer Lehrerstellen fließt? Die CDU jedenfalls wird künftig bei allen Problemen mit den Hessischen Schulen ganz geschickt an Frau Henzler und ihre FDP verweisen.

Foto: Landtag Hessen, Photocase ‚ohneski‘