Mehr Briefwahl wagen (?)

„Mehr Briefwahl wagen!“ Das zumindest empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung in einer aktuellen Veröffentlichung. Eine antragsfreie Briefwahl (Stichwort All-Postal-Voting) wird als Möglichkeit aufgeführt, die Wahlbeteiligung hierzulande dauerhaft zu erhöhen.

Ein Verweis auf unsere Schweizer Nachbarn darf dabei natürlich nicht fehlen. In der Schweiz erhalten die Wähler bereits seit vielen Jahren Ihre Wahlunterlagen vorab auf dem Postweg und es steht ihnen frei die ausgefüllten Unterlagen im Wahllokal abzugeben oder per Post zu schicken. Die Wahlbeteiligung konnte dadurch dauerhaft erhöht werden.

In der Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung heißt es weiter, dass die Akzeptanz der Briefwahl auch in Deutschland inzwischen sehr hoch sei. Laut einer Umfrage, die man beim Allensbach-Institut in Auftrag gegeben habe, mache es für 57,2 Prozent der Deutschen keinen Unterschied, ob sie am Wahlsonntag ins Wahllokal gehen oder ihre Stimme per Brief abgeben. Bei den jüngeren (16-29 Jahre) liege der Anteil sogar bei 72 Prozent. Deshalb sollen die politischen Entscheider davon überzeugt werden, sich für die Ausweitung der Briefwahl stark zu machen.

So weit so gut. An der Bertelsmann Veröffentlichung irritiert mich allerdings, dass der Brief als „(…) einziger flexibler Weg der Stimmabgabe (…)“ angesehen wird. Alternative Möglichkeiten der Stimmabgabe (eVoting!) finden dabei keine Erwähnung.

Digitale Formen der Stimmabgabe werden in den meisten Diskussionen inzwischen vollständig ausgeklammert. Zu unsicher. Dabei ist die Briefwahl keine bessere Variante. Wer garantiert mir, dass meine Wahlunterlagen überhaupt bis in die Wahlurne gelangen? Wahlunterlagen verschwinden zu lassen ist nach wie vor kein Hexenwerk. Da helfen auch Barcodes und Personalausweis-IDs nicht wirklich – auch wenn beides schon mal gute Schritte wären, um die mehrfache Abgabe von Stimmen zu verhindern.

Mich kann die Briefwahl einfach nicht überzeugen und ich bleibe dabei: Wenn eVoting als zu manipulationsanfällig angesehen wird, sollte man die Briefwahl ebenfalls nicht ausweiten.

CSU (sic!) will Online-Wahlen

Diese Meldung braucht keine großen Worte, sie liefert sie schon selbst. Markus Söder, CSU-Finanzminister in Bayern, möchte Online-Wahlen. Als digitale Briefwahlen ausgelegt sollte mit ähnlichen Sicherheitsmechanismen wie beim Online-Banking jeder Bürger, jede Bürgerin von zu Haus aus Wählen können. Es wäre ein Treppenwitz des Wahlrechts, wenn die auch hier mit einigen Bedenken betrachteten Briefwahlen ausgerechnet über das Internet neu legitimiert würden. Söder wörtlich im Interview bei welt.de:

Söder: Wenn Online-Banking möglich ist, kann auch Online-Voting machbar sein, das heißt die elektronische Briefwahl. Neben der Stimmabgabe in der Wahlkabine oder der klassischen Briefwahl kann es auch möglich sein, seine Stimme in Form einer elektronischen Briefwahl abzugeben. Eine Vision ist, dass dies 2018 schon möglich ist. Dazu muss allerdings aus Sicherheitsgründen die Signaturen-Gesetzgebung noch vorangebracht werden. Eine erste Möglichkeit für eine solche elektronische Briefwahl könnte das neue Instrument der Volksbefragung sein. Eine Online-Volksbefragung wäre ein hervorragender Testlauf für eine elektronische Wahl.

Normalfall Briefwahl

In der Schweiz finden an diesem Sonntag die Parlamentswahlen statt. Die in den deutschen Medien leider kaum beachtete Wahl bietet alleine schon durch early voting und eVoting ein durchaus spannendes Betrachtungsfeld. Während hierzulande nach jeder Wahl mit Erschrecken die immer wieder steigende Anzahl der Briefwähler kommentiert wird, ist die Briefwahl in der Schweiz inzwischen schon die Regel. Bei Wikipedia heißt es dazu:

„In der Schweiz ist die Briefwahl bei nationalen Wahlen und bei fast allen kantonalen und kommunalen Wahlen und Abstimmungen inzwischen der Normalfall. Sämtliche Wahl- und Abstimmungsunterlagen werden den Wählern vorgängig per Post zugestellt. Die Zahl der offenen Wahllokale, in denen die Stimme noch an der Urne abgegeben werden kann, wurde in den letzten Jahren deutlich reduziert. In der Schweiz schließen die Wahllokale am Abstimmungssonntag mittags um zwölf.“

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