Eröffnungszug

Viel hat sich bewegt, seit wir dieses Blog vor mittlerweile mehr als 3 Jahren gemeinsam neu gegründet haben. Damals war „Politik und Internet“ ein Thema, über das man vereinzelt sprach – meist, wenn gerade Wahlkampf war. Mittlerweile hat das Internet seinen Einfluss auf so viele Lebensbereiche manifestiert, dass auch in der Politik die Wechselwirkungen nicht mehr zu übersehen sind. FDP– und Grünen-Abgeordnete diskutieren über ein Internetministerium, der Innenminister setzt sich öffentlich mit dem Thema Open Data auseinander und, ja, man vergisst es oft, die Kanzlerin betreibt immer noch ein Video-Podcast. Im ganzen Land werden Bürgerhaushalte ausprobiert, mehrere MinisterInnen (lassen) twittern und es gibt eine neue Partei, die vor allem mit und im Internet bekannt geworden ist.

Szenenwechsel: Vor nicht ganz einem Monat saßen wir in Köln mit dem ehemaligen Redaktionsteam der Kampagnenpraxis zusammen und diskutierten die Zukunft von Politik und Gesellschaft im Internet. Aber es waren nicht die Erfolgsbeispiele, die wir in 50 Ausgaben unserer Reports zusammen gestellt haben, die das Gespräch dominierten. Sondern der Gedanke, was wir erreicht haben. Haben wir mit den konzentrierten Infos, den Beispielen effizienter und innovativer Kampagnen zum Nachbauen wirklich etwas bewirkt? Verändert sich politische Kampagnenführung mit dem Internet? Bei allen guten Beispielen scheint es fast so, als müsse man mit dem Blick aus der Totalen ganz einfach Nein sagen. Ich glaube, dass es vier grundlegende Probleme gibt, die jeden Fortschritt in Sachen Kampagnenarbeit verhindern. Diese Punkte wird nicht jeder teilen, mancher wird sich angegriffen fühlen. Aber ich denke, dass sich etwas tun muss. Und wir hoffen, damit etwas bewegen zu können; eine Diskussion anzustoßen, die dringend nötig geworden ist. Weiterlesen

Was Piraten von der Causa Mack halten

Schon interessant, wie die Piraten aus dem Main-Kinzig-Kreis sich zum Streit und zur Position Daniel Mack positionieren. Im Interview mit GNZ-Redakteurin Esther Ruppert-Lämmer sagten sie:

Thema Politik 2.0: Der unbedarfte Beobachter könnte nach den Schlagzeilen um den ehemaligen Grünen-Fraktionsvize Daniel Mack den Eindruck gewinnen, bei „Twitter“ handele es sich vorrangig um ein erstklassiges Diffamierungsinstrument, das dazu dient, den politischen Gegner – manchmal auch innerhalb der eigenen Reihen – bloßzustellen. Wie viel Porzellan hat Mack zerschlagen, und was wollen die Piraten in der politischen Kommunikation im Netz besser machen?

Praschak: Twitter ist erst mal nur ein Kommunikationskanal. Herr Mack hat durch sein gesamtes Handeln, egal ob im Internet oder im „Real-Life“, den jetzigen Punkt erreicht. Die destruktive Kritik an der Dezernentenwahl war nur ein Anlass. Wir haben seine arrogante und teils falsche Art ja selbst erleben dürfen. Durch Löschen von Tweets oder das nachträgliche Ändern von Blog-Beiträgen kommt es zum Drehen an der Täter-Opfer-Rolle. Er gaukelt so falsche Tatsachen vor und blendet die Öffentlichkeit. Was er macht, ist keine Politik 2.0, das ist das Verhalten eines Trolls. Er nutzt das Netz und seine mediale Reichweite nur, um sich selbst darzustellen.

Waller: Ob wir Piraten besser kommunizieren können und die aufgeworfenen Fragen oder Ideen annehmen können, müssen die Bürger bewerten. Unsere Grundidee ist aber ein konstruktiver Dialog, der sich aus dem Gedanken der sogenannten Schwarmintelligenz speist. Gemeinsam sind wir stark. Wobei wir natürlich auch nicht mit Kritik sparen, wo sie angebracht ist, auch innerhalb der Piraten. Blockieren von kritischen Nutzern auf Twitter oder das Sperren von politisch unliebsamen Kommentaren, wie Herr Mack das gerne macht, wird es so bei uns aber nicht geben.

Mir kommt’s vor, als hätte ich das so oder so ähnlich schonmal irgendwo gelesen

[via Chris Albrecht]

Wenn es doch bloß um Twitter ginge…

Seit einem Monat schwelt jetzt im Main-Kinzig-Kreis der vermeintliche Twitter-Streit um Daniel Mack und die grüne Kreistagsfraktion. Worum es eigentlich geht, hat man inzwischen schon fast vergessen. Das ist auch richtig so, denn in der Debatte geht es nicht um eine Twitter-Nachricht. Es geht nicht wirklich darum, ob man als Kreispolitiker twittern darf. Es geht um Misstrauen und persönliche Abneigung. Und damit um ein Phänomen, das so alt ist wie Politik selbst.

Eigentlich ging es um die Dezernenten-Wahl von Matthias Zach im Main-Kinzig-Kreis. Daniel Mack hatte hier via Twitter Bedenken über ein etwas seltsames Prozedere geäußert. Seine Fraktion sah das anders und ärgerte sich über die öffentliche, abweichende Äußerung Macks als Co-Fraktionsvorsitzendem. Was sich aus dieser Meinungsverschiedenheit mittlerweile entsponnen hat, ist nichts anderes als absurd. Der Fraktionsvorstand forderte Mack auf, entweder das Twittern einzustellen oder von seinem Posten als Co-Fraktionsvorsitzender zurück zu treten. Die Bedingung wollte der nicht akzeptieren und trat von seinem Posten zurück – jedoch nicht, ohne dem Vorstand „ZK-Methoden“ vorzuwerfen. Mittlerweile waren schon die Medien informiert und stürzten sich auf die Geschichte. Spitzengrüne aus Landes– und Bundespolitik boten ihre Vermittlung an. Aber gerade als es so aussah, als würde sich alles wieder beruhigen, ging die Situation auf die nächste Eskalationsstufe über. Der Fraktionsvorstand akzeptierte nicht den Rücktritt Macks, sondern wählte ihn ab. Wieder einige Tage später äußerte sich Mack dazu und behauptete, die Abwahl sei nicht gültig, weil Formalia nicht erfüllt worden seien. Er sehe sich daher noch im Amt.

Und jede neue Stufe des Streits wurde von immer größerer Medienpräsenz begleitet – die taz, die BILD, hr-online, politik&kommunikation. Mit der Arbeit im Landtag, so scheint es, sind die Grünen in Hessen mittlerweile weniger in den Medien präsent, als mit dieser unsäglichen Geschichte.

Dabei wäre es so einfach gewesen. Man hätte als Grüne Parteifreunde miteinander reden können, für Verständnis für die eigene Position werben können und dann einen Kompromiss miteinander schließen können. Man hätte sich eingestehen müssen, dass es nicht um Twitter als Medium ging, sondern um eine Stilfrage der öffentlichen Meinungsäußerung. Vermutlich hätte es doch mehr Ärger für Mack gegeben, wenn er sich in der Lokalzeitung genau so geäußert hätte wie zuvor auf Twitter. Stattdessen war man im Main-Kinzig-Kreis nicht in der Lage, den Kern des Problems zu erfassen. Man versteifte sich auf das Medium. Anstatt miteinander über die Äußerung selbst zu reden, redete man gar nicht miteinander, sondern stellte die Twitter-Nutzung an den Pranger.

Aus kleinkindlicher Empörung, kommunikativem Unvermögen und charakterlicher Schwäche hat man so ziemlich jeden Ausstiegspunkt aus der Debatte verpasst. Man ist miteinander umgegangen, wie es sich im zwischenmenschlichen Miteinander nicht gehört – schon gar nicht unter Parteifreunden. Und man hat damit der Partei dauerhaften Schaden zugefügt.

Ob sich die Protagonisten eigentlich irgendwann einmal fragen, ob es das wert war?