Unterstützung für Kurt Beck

In 259 Tagen ist Landtagswahl, so steht es auf der Unterstützerseite „Ich und Kurt Beck“. Weit mehr als ein halbes Jahr vor der Wahl tauchen also bereits die ersten Anzeichen für einen Wahlkampf in Rheinland-Pfalz auf, der auch im und mit dem Internet geführt werden wird. Und vielleicht ist es ein Signal, dass Wahlkampf nicht mehr nur noch in sechs-Wochen-Schritten gedacht wird.


Bisher ist noch nicht viel zu sehen, auf der von der SPD selbst initiierten Unterstützerseite mit der bildschönen Adresse ichundkurt.de. Bewusst scheint man das Bild des fürsorglichen Landesvaters von der SPD entkoppeln zu wollen, denn es prangt kein SPD-Logo und außer dem schlichten Namen der Generalsekretärin im Impressum lässt die Seite keine weiteren Rückschlüsse auf die Parteizentrale zu. Statt des Logos prangt eine etwas zweifelhafte Wortmarke als Logo am Rande der Seite: „PersBeckTive 2011“.

Es ist interessant, dass Kurt Beck als langjähriger Amtsinhaber sich als Perspektive zu verkaufen sucht. Steht er doch mehr für eine Weiterführung der Regierungsarbeit in der bekannten Weise – möge man diese nun positiv oder negativ beurteilen. Diese Positionierung als Hoffnungsträger seines Landes passt auch zu dem Versuch, eine Unterstützerseite für einen amtierenden Ministerpräsidenten zu etablieren – ein Werkzeug, das sich eigentlich mehr aus der Opposition anbietet.

Die PersBeckTive der Unterstützerseite dagegen ist schon klar: Man will frühzeitig Unterstützer dazu ermutigen, sich selbst aktiv für Kurt Beck einzusetzen. Dazu gibt es auf der Seite die Rubrik „Gute Tat“, in der bis zum Wahltag immer neue Missionen auf die Rollenspieler warten. Die erste Mission ist zur Zeit: Gewinne 10 neue Unterstützer.

Ein schlechtes Jahr für die SPD

2008 war nun wirklich nicht das Jahr der Sozialdemokraten. Dabei war man so zuversichtlich in das Wahljahr gestartet. Schließlich begann Roland Koch sich gerade durch die Debatte um straffällige Jugendliche selbst zu demontieren und die SPD-Spitzenkandidatin erlebte einen nicht erwarteten Sympathieaufschwung. 50 Prozent aller Hessen wünschten sich Anfang des Jahres Andrea Ypsilanti als neue Ministerpräsidentin, nur 33 Prozent hätten lieber Roland Koch wieder im Amt gesehen. Doch der erste Dämpfer ließ nicht lange auf sich warten.

Wolfgang Clement, der ehemalige Superminister der Ära Schröder, stellte in einem Gastbeitrag für die Welt am Sonntag Andrea Ypsilanti auf Grund ihrer Klima- und Energiepolitik als nicht wählbar dar und spielte damit Roland Koch einen indirekte Steilvorlage. Clement selbst gehört seit 2006 dem Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG an. Die hessische SPD-Basis forderte daraufhin empört den Parteiausschluss Clements.

Trotz all dem schaffte es die hessische SPD Roland Koch und seiner CDU einen starken Stimmenverlust zu zufügen und so lag die SPD am Ende fast gleich auf mit der CDU. Der Einzug der Linken in den Landtag und das für die anderen Parteien schmerzhafte Erwachen in einem Fünfparteiensystem führte jedoch dazu, dass kein einfaches Bündnis der Farbcoloration schwarz-gelb oder rot-grün zustanden kam.

Wahlniederlage in Niedersachsen

Taggleich erlebten die Sozialdemokraten einer bitteren Wahlniederlage in Niedersachsen. Der amtierende Ministerpräsident Christian Wulff erreichte 42,5 Prozent und konnte, trotz des Einzuges der Linken, zusammen mit der FDP die Mehrheit stellen. Die SPD konnte nur 30,3 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. In dem niedersächsischen Wahlkampf schaffte es die SPD kaum, an prominenter Stelle aufzufallen. Viele Wähler kannten den SPD-Spitzenkandiaten Wolfgang Jüttner auch im Wahlkampf einfach nicht.

Regierungsbildung in Hessen?

In Hessen gestaltete sich die Regierungsbildung derweil als besonders schwierig. Andrea Ypsilanti hatte im Wahlkampf – und zu ihrem späteren Bedauern, noch in der Elefantenrunde am Wahlabend – beteuert, eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei jeglicher Art kategorisch abzulehnen. Doch als sich zeigte, dass keine andere Möglichkeit mehr offen stehen würde, musste Ypsilanti sich entscheiden zwischen den beiden Möglichkeiten. Neuwahl oder doch das Wagnis einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

Am Ende hoffte man in einer rot-grüne Minderheitsregierung unter Duldung und Unterstützung der Linkspartei die Lösung gefunden zu haben. Diesen Plan machten relativ schnell die eigenen Abgeordneten und in diesem Zusammenhang damals vor allem die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger zu Nichte.

Verlust des Koalitionspartners in Hamburg

Doch auch anderswo in Deutschland sah es nicht besser für die Sozialdemokraten aus. Denn in Hamburg zeichnete sich nach der Bürgerschaftswahl und der Wahlniederlage der SPD der Verlust des potentiellen Koaltionspartners und das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene ab. Und während man auf Seiten der Hamburger SPD noch erzürnt hoffte, dass ein solches Bündnis auf Grund mehrerer inhaltlicher Knackpunkte noch während den Koalitionsverhandlungen scheitert, kam die Zusammenarbeit schneller zustande als die meisten Beobachter erwartet hatten. Für die SPD schmerzhaft kam dabei hinzu, dass auch in anderen Bundesländern die Rufe nach dem Ende eines automatisierten Bündnisses zwischen Grünen und SPD bei den Mitgliedern der Grünen lauter wurden und Jamaika und Schwarz-Grün nicht mehr überall für völlig utopisch gehalten wurden.

Rücktritt von Kurt Beck

Kurt Beck, damaliger SPD-Bundesvorsitzender, machte in all dieser Zeit eine eher unglückliche Figur und schaffte es auch nicht eine Ordnung in die Debatte um die politische Situation in Hessen zu bringen. Ypsilanti wertete dies als Persilticket für das von ihr geplante rot-rot-grüne Bündnis.
Nach massivem öffentlichem und innerparteilichem Protest, aber vor allem auch unter Einfluss der Medien trat Kurt Beck dann am 7. September 2008 von seinem Amt als Parteivorsitzender der SPD zurück. Seinen Posten übernahm der ehemalige Parteivorsitzende Franz Müntefering, der mit seinem Comeback für viele der einzige SPD-Lichtblick in diesem Jahr darstellte.

„Wortbruchdebatte“ in Hessen

Nach dem ersten Scheitern der Wiesbadener Regierungsbildung startete Andrea Ypsilanti nach der Sommerpause einen erneuten Anlauf für eine rot-grüne Minderheitsregierung. Im Rahmen einer Reihe von Regionalversammlungen wurde die Basis auf das Bündnis eingestimmt und nahm wieder langsam an Fahrt auf.

Diese Zeit wurde vor allem von der so genannten „Wortbruchdebatte“ dominiert. Die, zum Schrecken der Bundespartei, auch vor den hessischen Landesgrenzen nicht halt machte. So hielten im Deutschlandtrend der ARD im November 2008 59 Prozent der Wähler die Aussage „SPD und Linkspartei arbeiten nach der Bundestagswahl“ für nicht glaubwürdig. Damit erreichte der Schaden nicht mehr nur die hessische SPD sondern war auch bundesweit angekommen.

Zweiter Versuch der Regierungsbildung in Hessen

Die hessische SPD ging trotzdem weiter ihren Weg und schaffte es, einen Koalitionsvertrag mit den Grünen auf die Beine zu stellen. An diesem Papier war sehr deutlich zu erkennen, in welcher Position sich die SPD befand. In den Bereichen Schul- und Umweltpolitik waren teilweise fast wortwörtliche Auszüge aus dem Landtagswahlprogramm der Grünen wieder zu finden, die SPD also viele Zugeständnisse machte. Doch noch immer war die eigene Fraktion uneinig. In den Medien wurde teilweise gar von der abstrusen Idee berichtet, dass SPD-Abgeordnete den Wahlakt zur Ministerpräsidentenwahl Anfang November mit den Digitalkameras ihrer Mobiltelefone in der Wahlkabine dokumentieren sollen, um somit Druck auf mögliche Abweichler auszuüben. Doch soweit ließen es die vier in die Öffentlichkeit getretenen „Abweichler“ erst gar nicht kommen. Trotz der eindeutigen Entscheidungen auf den Parteitagen von SPD (95 Prozent Zustimmung) und Grünen (98 Prozent Zustimmung), entdeckten diese am Tag vor der Wahl ihr Gewissen.

Ende des „Experiments Ypsilanti“

Damit war das „Experiment Ypsilanti“ gescheitert und die Regierungsbildung an ihrem endgültigen Ende. Nach dem sich die anderen Parteien relativ schnell auf Neuwahlen geeinigt hatten, musste auch die SPD sich dem Druck beugen. Die Abgeordneten sahen sich gezwungen, den Landtag am 18. November 2008 aufzulösen. Andrea Ypsilanti gab frustriert auf, als Nachfolger wurde der bis dahin weitgehend unbekannte Abgeordnete Thorsten Schäfer-Gümbel aus Gießen benannt.

Wolfgang Clement tritt aus der SPD aus

Die  nächste negative Schlagzeile lies nicht lange auf sich warten. Der Fall Wolfgang Clement wurde erneut aufgegriffen. Die SPD-Führung hatte in Berlin am 24. November 2008 das Verfahren mit einer Rüge durch das Parteischiedsgericht abgeschlossen und sah damit von einem Parteiausschluss ab. Clement unterdessen reichte die Rüge aus, um der SPD endgültig den Rücken zu kehren und öffentlichkeitswirksam am Folgetag aus der Partei auszutreten. Als einen Grund für den Austritt nannte er auch eine mangelnde Abgrenzung der SPD zur Linkspartei.

Die aktuelle Situation

Auch die letzten Sonntagsumfragen der großen Meinungforschungsinstitute lassen wenig Hoffnung zu. So steht die SPD derzeit in allen Umfragen zwischen 23 Prozent und 26 Prozent. Keine gute Ausgangslage für das Superwahljahr 2009 mit Bundes-, Europa- und mehreren Landtagswahlen. Den Auftakt macht die hessische Landtagswahl am 18. Januar 2009, die Wahl scheint für die SPD bereits jetzt gelaufen.

Es zeigt sich also, dass sich die Sozialdemokraten derzeit auf allen Ebenen in einem selbstzerstörerischen Richtungsstreit befinden. Deshalb wird vieles von der kommenden Landtagswahl in Hessen abhängen, die zeigen wird, ob eine Handlungsfähígkeit der SPD überhaupt noch vorstellbar ist. Mehr denn je zeigt sich, dass die SPD es schaffen muss, ihre verschiedenen Flügel zu vereinen. Nur so kann sie es verhindern, im kommenden Jahr bei den anstehenden Wahlen in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei idea.de

Kurt war krank

Kurt war krankEnde Februar war Kurt Beck krank. Zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt für seine Partei fiel der Mann aus Mainz für einige Tage aus. Doch das ist ja menschlich, kann jedem passieren. Viel faszinierender finde ich, wie Kurt Beck den Deutschen den Grad seiner Erkrankung mitteilen will. Liest man doch im Interview mit dem SPIEGEL:

SPIEGEL: Am Tag nach der Hamburg-Wahl sind Sie plötzlich krank geworden. Manch einer spekulierte damals über eine „politische Krankheit“. Als wollten Sie sich wegducken.

Beck: Wer mich kennt, weiß, dass ich mich nicht wegducke. Ich konnte an jenem Montag schon morgens vor den Gremiensitzungen nicht mehr. Ich musste einen Flieger chartern, der mich von Berlin heim nach Mainz flog, so elend ging es mir.

Na dann, so elend müsste es mir auch mal gehen, dass ich nicht mit dem Auto oder der Bahn fahren kann. Aber er ist ja Vorsitzender der Arbeiterpartei, nicht derer für Umweltschutz.

Der Erfolg des Aussichtsreichsten

Kurt Beck - flickr nrwspd_fotoErneut sorgt der amtierende SPD-Vorsitzende Kurt Beck für Verwunderung. Mag man von seinen Kurswechseln und Richtungsvorgaben halten was man will, so war aber doch bis jetzt immer von einem klaren Anspruch Becks auf die Kanzlerkandidatur auszugehen. 2009, so sah es aus, würde Beck mit seinem linksorientierten Kuschelkurs eine rundum glückliche SPD in ein Ergebnisdebakel führen.

Aber wie so oft unterschätzte man dabei den behäbig wirkenden Pfälzer. Wie SpON berichtet hat Kurt Beck sich in der malerischen norddeutschen Stadt Plön doch tatsächlich geäußert:

Die SPD habe eine Reihe von Persönlichkeiten, die für die Aufgabe der Kanzlerkandidatur geeignet seien. Dazu gehörten Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück.

Eine entschlossene Unterbindung jeglicher Diskussionen sieht anders aus. Gut für die SPD, mag man denken. Soll die Partei doch selbst entscheiden, wen sie den an ihrer Spitze im Bundeswahlkampf hätte. Doch ganz so demokratisch wird die Angelegenheit nicht von statten gehen. Beck gedenkt, den aussichtsreichten Kandidaten vorzuschlagen. Womöglich sich selbst.

Sollte es aber dann doch Frank-Walter Steinmeier oder der wohl etwas chancenlose Peer Steinbrück sein, droht der SPD eine gigantische Zerreißprobe. In der gesamten Vorwahlkampfphase dröhnt es aus den linken Lautsprechern, während sich die Seeheimer und Netzwerker vornehm zurück halten. Sicher würde diese vornehme Zurückhaltung aufgegeben werden, doch bis dahin dürfte die Anti-Agenda Ausrichtung der SPD so fest zementiert sein, dass Kandidat Steinmeier und Inhalt vermutlich nicht in Übereinstimmung zu bringen sein dürften.

Ob dann der in den Umfragen nach der Kandidatur weit vor Beck liegende Steinmeier wirklich der aussichtsreichere Kandidat ist, dahinter muss ein großes Fragezeichen gestellt werden.