Der Abgeordnete, den das Parlament verdient

Wer hätte das gedacht, die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) hat einen Sitz im Europaparlament ergattert. Eine Partei, die vielen etablierten Politikern ein Dorn im Auge ist, die Satire nicht mehr nur noch über Politik, sondern in der Politik betreibt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch in offiziellen Verlautbarungen wieder findet. Dass es dann ausgerechnet die Grünen sein werden, die den gewählten Kandidaten Martin Sonneborn angreifen, das wiederum hätte ich nicht gedacht. Sven Giegold, bisheriger und neuer Europaabgeordneter für die deutschen Grünen, hat ein Problem mit den angekündigten Absichten der PARTEI. Konkret schreibt er in einem Brief an den Generalsekretär des Europaparlaments:

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser neuer Abgeordnetenkollege, Herr Martin Sonneborn, hat für seine Partei angekündigt “Wir melken die EU wie ein kleiner südeuropäischer Staat.” Er präzisiert: “Wir werden die Zeit vor allem damit verbringen, unsere Rücktritte zu organisieren und uns zu bereichern.” In den 5 Jahren der Legislatur möchte er 60 Parteimitglieder durchs Europaparlament rotieren und sie jeweils 33.000 Euro und das Übergangsgeld kassieren lassen (taz, 26.05.2014). Gerade weil ich seine Arbeit als Comedian außerordentlich schätze, bitte ich Sie hiermit förmlich, die Verschwendung von Steuergeldern zu verhindern und dafür alle rechtlichen Möglichkeiten vollständig zu nutzen. Ich liebe Sonneborns Witze auf Kosten von uns PolitikerInnen, aber ich lasse keine zu auf Kosten der SteuerzahlerInnen.

Man kann seine Empörung ja fast verstehen, aber setzt sie nicht am falschen Punkt an? Sonneborn hat nur deshalb einen Sitz im Europäischen Parlament, weil das deutsche Bundesverfassungsgericht die bisherige 3%-Hürde – zuvor waren es sogar noch 5% – gekippt hat. In der Begründung, die sich herrlich sperrig liest, beurteilen die Richter, wie sich die Sperrklauseln auf die Arbeitsweise des Parlaments auswirken und entscheiden offenbar, dass bei so vielen Parteien aus so vielen Ländern und in der eher schwachen Position des Europaparlaments innerhalb des Machtegefüges eine Sperrklausel einfach nicht nötig ist. Es haben schon viele Kommentatoren geschrieben, was dahinter wirklich zu lesen ist. Das Europäische Parlament ist einfach nicht wichtig genug. Und es gibt schon genug seltsame Splittergruppen, die die Arbeit auch nicht gefährden.

Bis hierhin würde Sven Giegold vielleicht noch zustimmen, immerhin ist auch er nicht gegen die Wahl von Sonneborn:

„[…] Das ist falsch. Ich gratuliere meinem neuen Kollegen Sonneborn zu seinem Mandat, er ist ordentlich gewählt.“

Aber er hat ein Problem mit Sonneborns Plänen, jeden Monat einen anderen PARTEI-Abgeordneten nach Brüssel zu schicken, der dann ebenfalls wieder nach 4 Wochen zurück tritt. Sonneborn erläutert das auf Spiegel Online:

SPIEGEL ONLINE: Ihr Plan, monatlich zu rotieren und so Übergangsgelder einzustreichen, hat Ihnen schon Schlagzeilen beschert. Allein: Klappen wird es nicht, ein Parlamentsausschuss müsste zustimmen – und Übergangsgelder gibt es auch erst nach einem Jahr im Parlament.

Sonneborn: Unsere Anwälte prüfen das. Dass wir 60 Leute durchs Parlament durchschleifen wollen, ist auch ein Dankeschön an unsere Parteimitglieder zum zehnjährigen Parteijubiläum. Wir schenken einen Monat gut bezahlten Urlaub in Brüssel.

Lieber Sven Giegold: Es ist natürlich ihr Recht, auf die Einhaltung von bestehenden Regeln zu pochen und wir werden sehen, wohin das führen wird. Kann Sonneborn seinen Plan umsetzen? Oder muss er doch grausame Jahre in Brüssel verbringen? Doch vermutlich hätte das die Parlamentsverwaltung ohnehin geprüft, nicht allein ob des medialen Echos zu Sonneborns Plänen. Warum also den Miesepeter spielen und mit „Satire-Kandidat: Grüner will Sonneborns Griff in die EU-Kasse verhindern“ auf Spiegel Online titeln?

Gerade Grüne Parlamentarier sollten doch Rotation von Abgeordneten noch gut in Erinnerung haben. Oder im Ernst: Sagt nicht die Möglichkeit, dass eine Partei wie Die PARTEI ins Europaparlament einziehen kann und womöglich alle 4 Wochen einen neuen, gut bezahlten und danach großzügig weiter unterstützten Parlamentarier nach Brüssel sendet einiges über Missstände in Brüssel aus? Passt das nicht hervorragend ins Bild eines Parlaments, dass regelmäßig Mann, Maus und 8 LKWs voller Akten von Brüssel nach Strasbourg fährt, das für Abgeordnete kleinerer Parteien links und rechts von EVP und SPE ohnehin nur begrenzte Möglichkeiten in einem Parlament mit begrenzten Befugnissen bereit hält?

Uns allen würde etwas mehr Entspanntheit im Umgang mit Der Partei auf ihrem Weg ins Europaparlament gut tun. Denn zusammen gerechnet ist die Aktion wahrscheinlich nicht viel teurer, als das (gute!) Satireprogramm von ARD und ZDF.

Das ZDF und die Angst vor der Satire

Viel gelobt wurde das ZDF für seine heute-show, eine Satiresendung im Stil der amerikanischen Late-Night. Den Grimme-Preis hat man ebenso eingeheimst wie den Deutschen Comedypreis. Von ZDF-Programmchef Thomas Bellut musste man sich bei der heute-show aber nun eine Rüge abholen, weil Außenreporter Martin Sonneborn, der ehemalige Titanic-Chefredakteur, sich einem Interviewpartner von der Pharmalobby gegenüber angeblich nicht korrekt verhalten hat.

Spiegel Online schreibt dazu:

Im ZDF gibt es Ärger mit der Satiresendung „heute-show“. Einer der Autoren, Martin Sonneborn, hatte einen Pharmalobbyisten zum Interview vor die Kamera gelockt und vor allem die Teile des Gesprächs gesendet, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, so berichtet der SPIEGEL in seiner neuen Ausgabe.

So erzählte der Pro-Generika-Funktionär Peter Schmidt freimütig, was er alles lieber nicht sagen wolle, weil es den Interessen seines Verbands zuwiderlaufe. Nach der Ausstrahlung des Beitrags sieht sich Schmidt hintergangen. Der Satiriker habe unter der Flagge von „heute“ und „heute-journal“ sein Vertrauen erschlichen, weshalb er davon ausgegangen sei, dass die Interviewpausen nicht gesendet würden.

Es ist ja nicht mehr als verständlich, dass Peter Schmidt sich nun aufregt und von „einer echten Schweinerei“ spricht. Natürlich, er wurde ja auch hintergangen. Und Martin Sonneborn hat leicht reden, wenn er darauf antwortet, man habe ja nicht einmal die Unwahrheit gesagt: „Wir hätten unseren Beitrag tatsächlich am liebsten im heute-journal gesehen“.

Dennoch muss sich das ZDF schon einmal fragen lassen, wie wenig Freiheit ihre Satiresendung eigentlich genießen soll. Das gefälschte Interview war eines der Highlights der seit letztem Jahr ausgestrahlten Sendung. Der Pharmalobbyist erzählte freimütig, dass ja auch chinesische Medikamente für wesentlich weniger Geld helfen könnten – das wolle er nur vor der Kamera nicht sagen. Dabei war er sich aber voll bewusst, dass die Kamera vor seinen Augen immer noch lief und verließ sich nur auf den guten Willen der Redakteure, die so frei gesprochenen Passagen nicht zu verwenden. Wenn es einer Satiresendung nicht einmal mehr erlaubt sein soll, zu zeigen, wie sich ihre „Opfer“ selbst blamieren und in aller Öffentlichkeit über ihre recht unsauberen Taktiken zu sprechen, kann man die heute-show doch auch gleich einstellen.

Glücklicherweise ist das Video inzwischen bei Youtube online. Man kann nur hoffen, dass das ZDF dies nicht auch noch verbietet.