Kein Breitband für Hessen

Noch 2006 sah es so aus, als habe die hessische Landesregierung die Wichtigkeit von Breitbandversorgung für das gesamte Bundesland verstanden. „Mehr Breitband für Hessen“ war der Name einer Initiative, die der damalige Wirtschatfsminister Rhiel gestartet hatte. Man dürfe nicht zulassen, dass der Anschluss an schnelles Internet das Land spalte. Unternehmen dürften nicht durch zu langsame Netzverbindung einen Standortnachteil bekommen, den sie auch beim besten Willen nicht beeinflussen können. Und so bot man Vorträge an und versuchte, mit den Anbietern ins Gespräch zu kommen. In größerem Umfang Geld selbst in die Hand nehmen kam damals nicht in Frage, es war schlicht keines dafür da.

45 Millionen für den Straßenbau

3 Jahre später befindet sich auch Hessen mitten in der weltweiten Wirtschaftskrise. Reihenweise müssen die Unternehmen Kurzarbeit anmelden und die drohenden Entlassungen verunsichern das gesamte Konsumklima. Die Bundesregierung hat die Gefahr scheinbar erkannt und geht mit dem Konjunkturpaket II mit massiven staatlichen Investitionen gegen die Rezession an. Auch für Hessen springen dabei 720 Millionen Euro heraus. Bei der Verwendung aber verfallen die hessischen Konservativen und Liberalen wieder in Gründerzeit-Romantik und investieren in den Straßenbau (etwa 45 Millionen Euro) und die Sanierung von Schulen und Hochschulen.

Keine Frage, die hessischen Bildungseinrichtungen sind teilweise oder größtenteils, wer weiß das so genau, in desolatem baulichem Zustand. Auch meine Gießener Justus-Liebig-Universität kämpft mit zu wenig Geldern für dringend notwendige Arbeiten an Gebäuden und technischer Ausstattung. Daher kommt es natürlich auch bei einer solch großen Summe wie annähernd einer Dreiviertel-Milliarde darauf an, wie man das Geld verteilt. Ausreichen dürfte es wohl für keine der anvisierten Bereiche.

2,3 Millionen für den Breitbandausbau

Unverständnis erntet die hessische Landesregierung nun für die lächerlich wirkenden 2,3 Millionen Euro, die sie aus dem Konjunkturpaket in deie Breitbandversorgung steckt. Man wolle „die weißen Flecken im ländlichen Raum schließen“, möglichst bis 2013. Noch Anfang des Jahres hatte Ministerpräsident Roland Koch erklärt, für eben jenes Vorhaben brauche man etwa 150 Millionen Euro.

Das Konjunkturpaket II war dabei aber explizit auch dafür vorgesehen, bis 2010 die weißen Flecken auf der Breitband-Karte in Deutschland verschwinden zu lassen. Das Nachbarland Niedersachsen macht auch promt vor, wie es geht, und pumpt 80 Millionen Euro aus dem Paket in den Breitband-Ausbau. Auf der CeBit schwärmte Bundeskanzlerin Angela Merkel gar von einer Glasfaser-Anbindung für dreiviertel aller deutschen Haushalte bis 2014.

Weder eine notwendige Anbindung an bisher verfügbare Techniken bis 2010, noch die wünschenswerte Aufrüstung auf die nächste Verbindungsgeneration bis 2014 werden in Hessen möglich sein. Für das Land Hessen könnte die scheinbar beiläufig entschiedene Verteilung der größte Standortnachteil der kommenden Jahrzehnte werden.

Als Nachbemerkung sei noch erwähnt, dass weder auf der Internetseite des Hessischen Wirtschaftsministerium, noch unter den Pressemitteilungen der Oppositionsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei irgendein Kommentar zu dem Sachverhalt zu finden ist. Quelle dieses Beitrages ist daher auch um so bezeichnender die hiesige Lokalpresse.

Bildquelle: Breitbandatlas BMWi [PDF]

Der super tuesday, der keiner wurde…

Mit welcher Überschrift soll man einen solchen Beitrag eröffnen?

„Das Ende der Sozialdemokratie in Hessen“ oder „Die Rückkehr des Roland Kochs“?

Na ja, vielleich alles doch ein wenig zu reißerisch…

Schließlich war es von Anfang an deutlich, dass es sehr eng werden würde mit der Wahl  von Andrea Ypsilanti zur hessischen Ministerpräsidentin. Nachdem die Darmstädter Abgeordnete bereits im März diesen Jahres die Koaltionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen unterbrochen hatte, nahm man nun nach der Sommerpause und einigen SPD-Regionalkonferenzen später, die Verhandlungen zwischen SPD und Grünen wieder auf. Es wurde verhandelt und gestritten und am Ende kam ein 99seitiger Koaltionsvertrag dabei heraus.

Und gestern nun, 24 Stunden vor der Ministerpräsidentinnen-Wahl im hessischen Landtag, das aus durch die Ankündigung von drei Abgeordneten (plus Dagmar Metzger), die bei der Wahl nicht für Ypsilanti stimmen wollten.

Man könnte sich fragen, was ist das los in der hessischen Politik?

Bereits in der letzten Woche hatte die CDU-Fraktion die sehr abenteuerliche Idee diskutiert, eine Wahl Ypsilantis zu boykottieren und beim Aufruf zur Wahl einfach sitzen zu bleiben. Laut FAZ sollte dadurch sichergestellt werden, dass kein CDU-Parlamentarier für Ypsilanti stimmt, um Roland Koch eine auszuwischen. Die CDU hätte dies sogar durchziehen können, da eine Nichtbeteiligung die Wahl nicht ungültig gemacht hätte. Die hessische Verfassung verlangt nämlich lediglich, dass der Landtag den Regierungschef mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder wählt.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Reinhard Kahl, kommentierte die Überlegungen der CDU als „skandalös“. Sie würden offenkundig darauf zielen „(…) den frei gewählten Abgeordneten durch Fraktionsbeschluss ihr Wahlrecht zu entziehen“. Für ihn wäre dies ein unerträglicher Angriff auf die Rechte der Abgeordneten und er halte es für einen Verstoß gegen die demokratischen Spielregeln.

Und nun ist also genau diese „Freiheit“ der Abgeordneten der SPD zum Verhängnis geworden.

Das brisante an dem ganzen ist jedoch, dass die abdrünnigen Abgeordneten bis zum letzten Moment mit der Verkündung ihrer Entscheidung gewartet haben. Franz Münterfering kommentierte das Verhalten der Abgeordneten völig richtig:

Wenn man wirklich Gewissensnöte hat, dann weiß man das eher als 24 Stunden vorher.

Hier kann man, wenn man es ganz weit treibt, taktisches Kalkül sehen. Denn durch diese späte Erklärung hat die SPD nun vor allem ihren potentiellen Koaltionspartner gegen sich gebracht. Denn nicht nur die SPD hatte am Wochenende stundenlang über den Koaltionsvertrag debattiert. Auch die Grünen, die absichtlich den SPD-Parteitag abgewartet hatten, tagten am Sonntag in Frankfurt um den Koaltionsvertrag zu diskutieren. Und nun nach dem alle Weichen gestellt wurden, dieser Rückschlag. Dies wird nicht nur die SPD-Hessen bis auf weiteres Regierunsunfähig machen, sondern auch dazu führen, dass die Grünen sich erst einmal stark von ihr distanzieren werden.

Auf der anderen Seite konnte man die Kritik einiger SPD-Mitglieder verstehen, die mit dem Koaltionsvertrag unzufrieden waren. Schließlich hatte man seine beiden Wahlkampfthemen (Umwelt und Bildung) bei der Ressortverteilung sang- und klanglos verloren und musste noch weitere Eingeständnisse machen um die Grünen auf seine Seite zu ziehen.

In der Presse wird eine weitere Schuld des Scheiterns in der Einbeziehung Hermann Scheers in die hessische Regierung gesehen. Scheer sollte das Amt des Wirtschaftsministers bekommen, dass sich ursprünglich Jürgen Walter erhofft hatte. Dies habe einigen SPD-Insidern zu folge Walter zu einer „tickenden Zeitbombe“ gemacht.

Nun bleibt abzuwarten, wie es in Hessen weitergeht.

Klar ist in jedem Fall, Roland Koch geht gestärkt aus diesem „Vorfall“ hervor, während sowohl Ypsilanti als auch Walter für die SPD-Hessen nicht mehr tragfähig sein werden. Die SPD muss schnellstmöglich jemand zu finden versuchen, der das Ruder wieder in die Hand nimmt und es schafft die Risse (falls es sich nicht viel eher um riesige Spalten handelt) innerhalb des Landesverbands wieder zu glätten. Doch wer dies sein könnte, darüber rätseln derweil auch die Sozialdemokraten noch.

So wie es derweil aussieht stehen nun alle Zeichen auf Neuwahl. Da CDU und FDP aus alleiniger Kraft den Landtag nicht auflösen können, bleibt deshalb abzuwarten, wie die Grünen sich am Wochenende positionieren werden.

Klar ist ganz eindeutig, die SPD wird für längere Zeit in der Versenkung verschwinden. Und auch Tarek Al-Wazir war gestern in einer ersten Stellungnahme davon überzeugt, dass die SPD in Hessen damit für lange Zeit regierungsunfähig ist. Unklar ist natürlich momentan noch für wie lange. Im Internet werden schon Zahlen zwischen fünf und 15 Jahren diskutiert. Wie nachtragend die Wähler sein werden wird sich zeigen, doch in einem sind sich fast alle Kommentatoren einig: Die SPD wird bei Neuwahlen in Hessen rund um die 20%-Marke zu finden sein. Abzuwarten bleiben daneben auch die Auswirkungen auf die Bundesebene.

Studium: Nicht umsonst aber kostenlos :)

„Die Studiengebühren in Hessen sind abgeschafft. Der Landtag verabschiedete am Dienstag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken einen entsprechenden Gesetzentwurf von SPD und Grünen.“ (Quelle: hr-online.de)

Weitere Informationen liefern folgende Quellen:

Nun bleibt auch noch das Urteil des Staatsgerichtshofes in der nächsten Woche abzuwarten. Denn erst dann wird sich zeigen, ob die bisher gezahlten 1000€ je Studentin und Studenten, vom Land Hessen, wieder zurück gezahlt werden müssen.

Die CDU Hessen und ihr Problem mit der Zeit

Der durchschnittliche CDU Wähler in Hessen ist 60 Jahre und älter, sagt die Forschungsgruppe Wahlen [PDF]. Grund genug, sich mal ein kleines Gedankenspiel zu erlauben. Neulich noch hat Altpräsident Roman Herzog vor einer Rentnerdemokratie gewarnt, wir kehren den Gedanken jetzt mal um und fragen provokativ:

Wie wäre die Landtagswahl in Hessen 2008 ausgegangen, wenn Rentner nicht hätten mitwählen dürfen?

Als Vorbemerkung noch: Dies ist natürlich keine Forderung, den Rentnern das Wahlrecht zu entziehen. Vielmehr geht es um die Rentner von morgen, denn Wahlentscheidungen ändern sich ja eben nicht mit dem Eintritt in die verdiente Altersruhe.

Wähler unter 60 bei der Landtagswahl 2008 in HessenUnd schon ist das Problem offenkundig. Waren bei der (gleichberechtigten) Wahl CDU und SPD noch gleichauf, so stürzt die CDU unter Ausschluss der Rentner auf katastrophale 33% ab, während die SPD sich zu 41% aufschwingen kann. Somit würde es sogar, mit den 10% der Grünen, tatsächlich für einen rot-grünen Machtwechsel reichen.

DIe CDU besonders in Hessen sollte sich also ernsthaft Gedanken machen, wie sie den Wählern von morgen sympathischer werden kann – denn die Zeit arbeitet gegen sie.