Ypsilantis solidarische Moderne

Andrea Ypsilanti, Sven Giegold, Katja Kipping, Franz Alt, Michael Brie, Arvid Bell, Franziska Drohsel und Sebastian Krumbiegel – allesamt sind sie Mitglieder des neu gegründeten Instituts Solidarische Moderne. Politiker aus dem linken Spektrum, aus SPD, Linker und Grünen gemeinsam mit Publizisten und Wissenschaftlern als Vorkämpfer einer sozialeren Politik? Eine Umschau durch Presse und Blogs.

Das Ypsilanti-Institut oder wie nah ist Rot-Rot-Grün?

„Viel Presse hier“ schreibt Sven Giegold und meint damit das Institut Solidarische Moderne, eine rot-rot-grüne Denkfabrik, die am Wochenende aus der Taufe gehoben wurde. Nicht ganz unbekannte Politiker aus SPD, Grünen und der Linkspartei wollen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Idealisten Konzepte für eine „solidarische“ Politik entwerfen. Die Presse greift die Gründung als große Neuigkeit auf und sieht, wohl nicht ganz zu unrecht, Andrea Ypslianti, die ehemalige hessische SPD-Vorsitzende aus Hessen, als treibende Kraft hinter der Idee. Florian Gathmann zieht auf SpiegelOnline Parallelen zu Ypsilantis Landtagswahlkampf von 2008:

„Allerdings klingt manches an dem neuen Think-Tank schon sehr nach Ypsilanti. „Soziale Moderne“ lautete das Motto ihres Landtagswahlkampfs 2008. Da ist es zur „Solidarischen Moderne“ nicht mehr weit. Kein Wunder, dass auch Hermann Scheer unter den Gründungsmitgliedern ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete war Ypsilantis designierter Superminister für Wirtschaft und Umwelt und gilt als Kopf hinter ihrem damaligen politischen Programm.“

Bei WELT ONLINE ist man wie zu erwarten etwas irritiert über so wenig Berührungsängste mit der Linkspartei und sieht eine rot-rot-grüne Koalition als Ziel des Instituts:

„Eine Ex-Spitzenkandidatin der SPD, eine Linkenpolitikerin, ein Sänger und ein Ex-Staatssekretär gehören zur Besetzung der neuen Denkfabrik „Institut Solidarische Moderne“. Das Projekt unter der Führung von Andrea Ypsilanti arbeitet offiziell gegen Schwarz-Gelb, inoffiziell aber schon an Rot-Rot-Grün.“

Fremdeln im eigenen Lager

Ungleich offener empfängt die taz den Think Tank und beschäftigt sich eingehender mit der Vision einer Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Die sei allemal nötig und möglich, aber die Parteien müssten in ihrer ganzen Breite einbezogen werden:

„Allerdings: Rot-Rot-Grün muss sich für alle drei auch politisch rechnen – und das tut es im Moment nicht. Vor allem die SPD zaudert, weil in ihrer Anhängerschaft nur eine Minderheit mit einer linken Koalition sympathisiert. Selbst wenn Gabriel und Nahles so eine Regierung 2013 wollen, ist schleierhaft, wie sie dies ihrer konservativen Klientel beibringen. So lange kein Netzwerker, kein Seeheimer, kein Traditionsgewerkschafter bei den neuen Zirkeln mit am Tisch sitzt, wird deren Wirkung überschaubar bleiben.“

Die FAZ sieht etwas spöttelnd auf das Projekt und lässt Kritiker aus den Reihen der Grünen auftreten:

„Skeptisch hat der Realo-Flügel der Grünen auf die Ypsilanti-Initiative reagiert. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Bonde bezeichnete gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (Dienstagausgabe) die Gründung des, wie er es formulierte, „Ypsilanti-Instituts für angewandte Kuba-Wissenschaften“ als Fehler. Bonde sagte der F.A.Z.: „Die Initiative geht in die schwarz-gelbe Falle und versucht, ein überkommenes Lagerdenken zu reaktivieren.“ Die alte Lagerlehre mit einem „linken Block“ und zu „Projekten“ aufgeladenen Bündnissen „stabilisiert nur Merkel/Westerwelle, statt ihre schnellstmögliche Ablösung voranzubringen“.“

Wenig Resonanz in Blogs

In Blogs findet man dagegen bisher kaum Äußerungen zum Institut Solidarische Moderne. Die ausführlichsten Beiträge haben bezeichnenderweise zwei Gründungsmitglieder des Instituts geschrieben, die sich dann auch mit der internen Diskussion über den Namen beschäftigen. Till Westermayer ist nur wenige Stunden nach Vorstellung des Think-Tanks Mitglied geworden, hat sich aber vorher einige Gedanken gemacht und diese geblogt. Warum zum Beispiel der Name so stark an die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ erinnere oder er zu sozialdemokratisch sei:

„Mir ist der Name zu sozialdemokratisch. Aber gut – wenn zwei der drei Gründungsströmungen sozialdemokratisch sind, muss das vielleicht so sein. Natürlich ist »solidarisch« auch ein grüner Begriff, und ein – inzwischen weitgehend anerkanntes – grünes Thema. Trotzdem: gerade wenn dieser Think-tank sich um dieses Aufgabenfeld kümmern will […], dann frage ich mich schon, ob »solidarisch« das richtige Adjektiv ist. Ich würde ja sagen, dass eigentlich »grün« hier viel besser passt, oder zumindest »sozial-ökologisch«. Vielleicht wäre auch eine ganz neue Wortschöpfung notwendig. Oder eben beides – »Institut für eine solidarische und ökologische Moderne«.“

Wie eine Antwort darauf liest sich die Wortmeldung von Maik Babenhauserheide. Mit Verweis auf Westermayer schreibt er:

„Zur Namenskontroverse kann ich nur sagen, dass Solidarität für mich weder ein sozialdemokratischer Begriff ist noch an Progressivität vermissen lässt. Sicherlich hätte man dem Institut auch einen Namen geben können, der ganz unmissverständlich klarstellt, dass es sich hierbei nicht um einen altlinken Folkloreverein handelt, der den zum Teil gescheiterten linken Konzepten des Industriezeitalters nachhängt und auch das Thema Ökologie als linkes Projekt anspricht. Allerdings wäre das wohl zu einem Namensungetüm geworden , um das man lange hätte ringen müssen. Solidarische Moderne beschreibt meiner Meinung nach sehr gut die gemeinsame Wertebasis der beteiligten Personen. Auch ich bin in die Politik gegangen, weil ich an einer solidarischen Gesellschaft mitarbeiten möchte. Und das als Grüner!“

Nils Simon berichtet übrigens bei der Klimakrise, dass die namhaften Gründungsmitglieder gar nicht persönlich anwesend waren (Korrektur siehe Kommentar. Sein Beitrag ist trotzdem lesenswert).

Bild: wikimedia – Sven Teschke unter GFDL.