Was heißt die Wahl von Donald Trump konkret?

Mir sitzt der Schock noch tief in den Knochen, bis heute morgen um kurz nach 8 Uhr habe ich die Auszählung erst hoffnungsvoll, dann besorgt, dann am Boden zerstört verfolgt wie Donald Trump vor allem in den weiß und industriell geprägten Staaten im „Rust Belt“ Hillary Clinton immer weiter auf Distanz halten konnte. Jetzt wird er wohl der 45. Präsident der USA. In den kommenden Tagen wird viel darüber geschrieben werden, wie es dazu kommen konnte. Ich wollte aber erstmal in einem Schnelltest schauen, wie schlimm die Präsidentschaft des Donald Trump wirklich werden kann.

  1. Der Wahlkampf ist vorbei, die Uhren werden neu gestellt. Aber reicht das? Verfolgt man die Nachberichterstattung heute in den USA wird klar, dass Trump die Chance hat, seine Politik neu zu schreiben. Amerika hofft, bangt darauf, dass er sich weniger wie ein – mit Verlaub – Arschloch aufführt. Ob Trump wirklich auch als Präsident weiter Minderheiten und Einzelpersonen beleidigen wird? Keine Ahnung. Aber er wird wohl kaum glaubwürdiger die Zusammenarbeit von Demokraten und Republikanern anstreben und einfordern, als es Obama getan hat. Dabei brauchen die USA eben vor allem das: Ein neues aufeinander Zugehen.
  2. Trump kann durchregieren. Mit einem klaren Mandat als Präsident und Mehrheiten in Abgeordnetenhaus und Senat kann Donald Trump umsetzen, was er plant. Ob das gut ist? Dazu gleich noch mehr, aber ein Positives hat es auf jeden Fall: Er hat nun keine Ausreden, falls er es in 4 Jahren nicht schafft, seine Ziele umzusetzen. Alle Möglichkeiten hält er in den (kleinen) Händen.
  3. In manchen Politikfeldern hätte es schlimmer kommen können. Die Bildung, den Mindestlohn, das Waffenrecht – viele für uns Europäer unverständliche Debatten wird Donald Trump weniger hart führen, als nahezu alle anderen ehemaligen republikanischen Kandidaten. Seine Steuerpläne klingen vernünftiger als die seiner Konkurrenten, seine Kritik an Obamacare könnte, wenn man genauer hinschaut, sogar Sinn ergeben und in einer Verbesserung der Krankenversicherung für alle resultieren. Wenn man also davon ausginge, dass Hillary Clinton ohnehin nicht gewinnen konnte, dann könnte er am Ende die beste Wahl sein, dieser orangefarbene Troll. “He is one of the best, if not the best, pro-gay Republican candidates to ever run for the presidency,” meint zum Beispiel Gregory T. Angelo, Präsident einer LGBT Republikaner-Gruppe.
  4. In manchen wird es für Europa schwer. Zwei Politikfelder betreffen uns Europäer vor allem bei einer US-Wahl: Außenhandel und Außenpolitik. Beim Handel gab es tatsächlich wenig Unterschiede zwischen Clinton und Trump, denn beide Positionen werden uns nicht gefallen. Freihandelsabkommen werden kassiert oder verzögert werden, selbst über Schutzzölle wird geredet werden, um das Außenhandelsdefizit der USA aufzuholen und angeblich Arbeitsplätze zu sichern. Gruselig. Und auch beim Thema Außenpolitik könnten wir uns noch wundern, wenn die USA ihre bisherigen Aktivitäten und Ausgaben zurück fahren und irgendwer dafür einspringen muss. Hier könnten auch große finanzielle Belastungen auf Deutschland zukommen.
  5. Und in wenigen, aber wichtigen wird es für die USA verdammt hart. Seine „Wall“ zwischen den USA und Mexiko droht nicht nur den Kontinent, sondern auch das eigene Land zu spalten. So klar wie er sich darauf festgelegt hat, droht Trump an der Realität zu scheitern. Alle Experten sagen, der Bau sei faktisch unmöglich. Und Mexiko sagt, es denke nicht im Traum daran, den Bau zu bezahlen. Trump dagegen will den Mauerbau in den ersten 100 Tagen beginnen. Hier sind Konflikte vorprogrammiert. Ebenso bei einem der wichtigsten Befugnisse des Präsidenten: Die Nominierung von Supreme Court Richtern geht oft unter, dabei bestimmen diese die Politik des Landes über Jahrzehnte. Ein Sitz ist bereits vakant, drei weitere RichterInnen sind 78, 80 und 83 Jahre alt. Eine Verschiebung zu konservativsten Republikanern ist vielleicht der größte Schaden, den Donald Trump anrichten könnte.
  6. Die Welt wird nicht untergehen, aber sich ändern. Im Wahlkampf war viel von den „Nuclear Codes“ die Rede und dem fehlenden Temperament des Donald Trumps, diese zu handhaben. Das dürfte dann doch etwas hoch gegriffen sein, auch ein Troll kann als US-Präsident nicht einfach Atombomben abwerfen. Auch kann er nicht so einfach irgendwo einmarschieren lassen, gerade weil seine Außenpolitik wohl deutlichen Abstand von Übersee-Einmischung nehmen wird.  Jedoch werden sich sowohl die wirtschaftlichen, als auch die geopolitischen Verhältnisse auf der Welt ändern. Es könnte zu einem Menetekel für Europa werden, dass gerade derzeit die EU in ihrer größten Krise überhaupt steckt.

Microtargeting – Wahlkampf mit Datensätzen

Kaum ein Thema der letzten beiden US-Präsidentschaftswahlkämpfe hat die Beobachter hierzulande so sehr begeistert wie die Internetaktivitäten der Kandidaten. Es geht um Apps, Social Media und Mobilisierungsnetzwerke. Nur selten rücken dabei jedoch die Datenbanken als Fundament solcher Netzaktivitäten in den Vordergrund. Dabei spielen die Datenbanken der Parteien bereits seit Jahrzehnten eine nicht zu unterschätzende Rolle in amerikanischen Wahlkämpfen.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten pflegen umfangreiche Datenbanken mit Informationen über die wahlberechtigte Bevölkerung. Die Parteien versprechen sich davon, potentielle Wähler zu erkennen und mit den passenden Botschaften und Themen anzusprechen. Durch den Siegeszug des Computers und des Internet haben die Datenbanken in den Parteizentralen einen regelrechten Aufschwung erlebt und wurden spätestens im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 auch für eine größere Öffentlichkeit sichtbar.

Intelligente Algorithmen

So sorgte Barack Obama 2008 für einige Aufmerksamkeit, als er Microtargeting einsetzte – also die zielgenaue, themenspezifische Wähleransprache-, indem er seine freiwilligen Helfer Millionen von Daten sammeln ließ. Während Microtargeting bei Google zu passenden Suchergebnissen und passender Werbung führt, sind es im politischen Bereich die auf die Einzelperson zugeschnittenen Spendenaufrufe und Themenansprachen. Intelligente Algorithmen helfen außerdem dabei, Voraussagen über das Spendenverhalten, die Wahlbeteiligung und das Engagement zu treffen und damit die Ansprache zu optimieren.

Nach 2008 werden auch in diesem Jahr wieder freiwillige Helfer von Obama rekrutiert, um Daten zu sammeln. Auf der Internetplattform call.barackobama.com kann sich quasi jeder im Auftrag von Obama als Telefonunterstützer betätigen. Dazu wird den Unterstützern vom System vollkommen automatisch die Telefonnummer eines potentiellen Wählers zugewiesen. Dieses Telefonat kann direkt auf der Internetseite dokumentiert werden. Auf diese Weise ist bereits im vergangenen Wahlkampf ein umfangreicher Datenberg entstanden, der Obama in diesem Wahljahr einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gegenüber seinem Konkurrenten Mitt Romney verschafft hat.

Der gläserne Wähler

Doch nicht nur auf die selbsterhobenen Daten wird zurückgegriffen, sondern auch sogenannte Data-Mining-Dienstleister kommen zum Einsatz. Dadurch gelangen die Kampagnenstrategen an für ihre Zwecke sehr wertvolles Wissen darüber, was potentielle Wähler einkaufen, wo sie wohnen, welche Autos sie fahren, was sie lesen und womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen. Das Verknüpfen solcher kommerziellen Daten mit den eigenen Daten ist zwar auch in den USA nicht gern gesehen, aber scheinbar inzwischen gängige Praxis.

Die Wähleransprache hat sich also grundlegend verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen TV-Werbung und Postwurf-Aktionen alleine ausreichten. Vielmehr wird in immer stärkerem Maße versucht, die Wähler persönlich und möglichst individuell anzusprechen. Der gläserne Wähler ist in den USA also Realität geworden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei politik-digital.de und ist Teil der Themenserie zur US-Wahl 2012.

Wahlkampf-Roadtrip

Die beiden Berliner Sarah Bidoli & Sebastian Horn haben den Plan gefasst die heiße Phase des US-Wahlkampfs aus nächster Nähe zu betrachten und es dem französischen Philosophen Alexis de Tocqueville gleichzutun, der im frühen 19. Jahrhundert eine Forschungsreise durch die USA unternahm. Auf ihrem Blog tocqueville2012.org wollen die beiden ab Anfang Oktober von ihren Erlebnissen berichten. Für die Finanzierung ihres Projekts sammeln sie nun Spenden über die Crowdfunding-Plattform Startnext.

Doch auch jetzt schon sind deutschsprachige Blogger im US-Wahlkampf unterwegs. Etwa @Yussipick, der gerade für das österreichische Blog usa2012.at von der Convention der Demokraten in Charlotte berichtete.

#OurSpeech: Crowdsourcing einer Rede

Gastbeitrag von Dr. Erik Meyer

Die demokratische Abgeordnete Maxine Waters hat gestern im US-Kongress die erste Rede gehalten, die per Crowdsourcing kompiliert wurde. Mitte Oktober reagierte Waters auf die ihr im Kontext von Obamas Job-Initiative sowie den Occupy-Wall-Street-Protesten durch soziale Medien übermittelten Befindlichkeiten von Bürgern und kündigt folgendes an:

„Therefore, during the week of October 24th, I will read a speech on the floor of the U.S. House of Representatives (#ourspeech), composed entirely of your words in posts from my Twitter and Facebook feeds that you post between now and Sunday midnight.“ (Pressemitteilung)

Das Ergebnis von Einsendungen einerseits und Auswahl andererseits kann sich sehen lassen:

Das politische Patchwork erschließt sich in der schriftlichen Dokumentation der Rede, in der die Beitragenden genannt werden (Auszug):

Sicher funktioniert die Vorgehensweise vor allem als intelligente PR-Maßnahme. Aber immerhin findet hier überhaupt eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Kommentaren statt, die mittels sozialer Medien an Politiker herangetragen werden. Die normale Situation ist doch, dass die Nutzer dieser Angebote dort zwar Dampf ablassen können, die Äußerungen den Adressaten allerdings nicht erreichen. Von einer systematischen Auswertung oder gar einem feedback ganz zu Schweigen. Insofern stellt #OurSpeech eine durchdachte Ausnahme in Sachen community management dar.

Der Artikel erschien zuerst im Blog des Autors.