Deutschland dem Deutschen

Gerade hat Malte über die neue Internetseite der Berliner FDP berichtet. Aber neben dem Relaunch des Online-Auftrittst gibt es da noch einen ganz anderen interessanten Aspekt: Auf der Internetseite finden sich auch die Kampagnenmotive der Berliner Liberalen. Und die Slogans haben es in sich. Fröhlich wird herumgepöbelt, mal gegen die Einheitsschule und dann wieder gegen die autofreie Stadt ausgeteilt.

Es ist offensichtlich: Die FDP hat Angst und bellt wie ein angeschossener Hund. Kein Wunder bei einer Partei, die zwischen 2 und 4 Prozent von den Umfrageinstituten gesehen wird. Aber muss man den gleich so daneben greifen? Beispiel gefällig?

„Wie steht die FDP zur Integration? Wir meinen, dass es eine nette Geste wäre, in Paris nach Croissants statt nach Schrippen zu fragen.“

Das ist also der Beitrag der Berliner FDP zur Integrationsdebatte? Man will sich offenbar einreihen in die unkonstruktive Ätzerei von Sarrazin, Stadtkewitz und Konsorten. Natürlich kann man darüber diskutieren, wie viel bei der Integration davon abhängt, dass auch ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sind. Aber auch die Verniedlichung der „netten Geste“ kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die FDP in Berlin am liebsten gar keine anderen Sprachen mehr hören möchte. Mich würde ja interessieren, ob auch der Amerikaner oder Engländer nicht mehr nach „rolls“ fragen darf, sondern bitteschön die Worte „Brötchen“ oder „Schrippen“ lernen sollte. Weiterlesen

Wahlplakate in Baden-Württemberg

Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch hat sich die Wahlplakate zur Landtagswahl in Baden-Württemberg aus Designer-Sicht angeschaut und seine Einordnungen gebloggt. Wirklich empfehlenswert, auch ein Blick in die Kommentare lohnt beim dt immer wieder. Vielleicht auch gerade als Vergleich nochmal interessant: Achim hat für uns im vorletzten Jahr in einem Gastartikel die Wahlplakate zur Bundestagswahl 2009 untersucht.

Plakate zur NRW-Wahl 2010

von Achim Schaffrinna

Die Landtagswahl am 09. Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen sorgt für großes Interesse seitens der Medien. Verliert die schwarz-gelbe Regierung unter Rüttgers in 4 Wochen ihre Mehrheit, wonach es derzeit laut Wahlforschungsinstitute aussieht, ändert sich auch das Mehrheitsverhältnis im Bundesrat. Die Bürger in NRW wählen also nicht nur ihre zukünftige Landesregierung, ihre Stimme wirkt sich auch direkt auf die Bundespolitik aus, was ja eigentlich die beste Voraussetzung für eine hohe Wahlbeteiligung sein sollte.

Aus diesem Grund habe ich mir einmal angeschaut, wie es um die Mobilisierung der Wähler mit Hilfe der jeweiligen Werbekampagne respektive der Wahlplakate bestellt ist.

CDU

„NRW muss stabil bleiben“, mit dieser Aussage geht die CDU in den Wahlkampf. Wenig stabil ist zumindest die Gestaltung der Wahlplakate, denn auffällig ist die Unterschiedlichkeit von Großplakat und Themenplakat schon. Während Ministerpräsident Rüttgers grobkörnig in schwarzweiß und durchaus fotografisch gekonnt in Szene gesetzt wird, sind die Themenplakate allesamt blau gehalten. Auch zwei unterschiedliche Absender zieren jeweils am unteren rechten Bildrand die Plakate. Man fragt sich, ob die Verantwortlichen tatsächlich aus Gründen der Gestaltung die NRW-Farben Grün-Weiß-Rot auf dem Großplakat gestrichen haben. Oder wollte man gar die Kosten für die dritte Farbe beim Druck einsparen? Kaum vorstellbar. Die Plakate sehen jedenfalls aus, als stammten sie von unterschiedlichen Agenturen. Wieso muss ich bei den blauen CDU-Plakaten eigentlich ständig an Wick denken? Seis drum.

Stabiler ist die Gestaltung in Bezug auf die Typographie, denn hier kommt die Hausschrift „Kievit“ zum Einsatz. Beständig ist die CDU auch in Bezug auf die verwendeten Schlagwörter. „Arbeit. Kinder. Sicherheit.“ Darauf ist Verlass.

SPD

Hannelore Kraft ist als Spitzenkandidatin im Einsatz für die SPD, drum sieht man sie auf Plakaten. Bemerkenswert ist bei der Kampagne der SPD der Umgang mit Farben. So bunt sah man die SPD wohl noch nie. Wenn die SPD so viele Stimmen erhalten würde, wie sie Farben in ihrer Kampagne verwendet, gewänne sie die absolute Mehrheit. Stimmenjagd mit dem Farbfächer. Wenns so einfach wäre. Die Wirksamkeit von Wahlplakaten ist kaum messbar. Weder lässt sich benennen, ob oder welchen Einfluss sie auf ein Wahlergebnis ausüben, noch lässt sich herausfinden, ob beispielsweise ein gut gestaltetes Plakat mehr Wähler zu mobilisieren im Stande vermag, als ein mieses Design.

Zumindest machen die SPD-Plakate die Straßenzüge bunter. Handwerklich kann man den Plakaten nichts ankreiden. Die Hausschrift Thesis macht in kurzen Sätzen ihren Job. War der SPD-Würfel zur Bundestagswahl rechts oben positioniert, sitzt er diesmal einheitlich auf der linken Seite. Ein Schelm, wer darin eine Koalitionsaussage zu erkennen glaubt.

Mit einem schräg gesetzten weißen “Störer“ wird (erstmals?) ein neues Gestaltungselement genutzt. Der jeweils erste Begriff einer Aussage wird mit Hilfe der weißen, schattierten Fläche besonders hervor gehoben. Auf einem der Plakate heißt es: „Sicherheit Für ein NRW ohne Atomkraft“. Wohl ein Flüchtigkeitsfehler, denn ansonsten werden alle anderen Sätze klein weiter geschrieben. Gewagt bunt. Wer gestalterische Vielfalt sucht, kommt in NRW mit der SPD auf seine Kosten.

Wer will, kann der SPD ein Wahlplakat spenden.

Die Grünen

Vergleichende Werbung in der Politik ist zumindest unterhaltsam. Zuletzt sorgte die SPD mit ihren Motiven zur Europawahl für Aufregung, mit denen man den politischen Gegner anging. Weniger der brillante Illustrationsstil war es, der bei vielen Menschen für Verstimmung sorgte, sondern vielmehr der politische Stil. Das Unterstellen der Fehler Anderer ist einfach weniger elegant, als die Hervorhebung eigener Stärken. Nun schlagen die Grünen in NRW in die gleiche Kerbe. Einige der Themenmotive sind als Vorwurf an die amtierende Landesregierung konzipiert. Mit einer Aussage wie: „A, B, CDU UND RAUS BIST DU“, gesetzt in Versalien und in der Hausschrift „Benton Sans Condensed“, übt man sich in Zynismus, wohl mit einem Augenzwinkern.

“MACHT MEHR MÖGLICH” ist das Motto der Kampagne, in der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann ohne eigenes Motiv auskommen muss. Anders als die Plakate zur Bundestagswahl mit ihrem Airbrush-Look, erscheinen die NRW-Motive “cleaner”; zwar nicht langweilig aber doch gewöhnlicher. Die dargestellte Form der Verquickung der Themen “Arbeit” und “Natur”, erscheint mir ein cleverer Zug zu sein. Was sich bei einem Firmenlogo fast schon verbietet – gemeint ist das Ersetzen eines Buchstabens, in diesem Beispiel ein “A”, durch eine Bildmarke –, ist in diesem Fall eine „gute Gestaltung“, weil es nämlich zwei komplexe Themen leicht verständlich und vor allem schnell zu einem Lösungsansatz verdichtet. Gerade Wahlplakat müssen bedarfsgerecht aufbereitet sein, sprich die Botschaft muss in 3 Sekunden ihren Rezipienten gefunden haben. Darüber hinaus sind die Plakate der Grünen handwerklich solide.

Auch bei den Grünen kann man “Mein Plakat” erstellen, ein Trend mit dem man offensichtlich den Plakatmixern, die zugegebenermaßen eher die Konservativen auf dem Kieker haben, den Wind aus dem Segel nehmen möchte.

FDP

Aufstieg im Aufsteigerland NRW. Geht es nur mir so? Die Verwendung des Begriffs „Aufstieg“ klingt in meinen Ohren wie ein Bekenntnis zur Bewahrung einer Klassengesellschaft. Dort wo jemand aufsteigt, muss irgend wer anders ab- oder aussteigen. Das ist im Beruf so und auch in der Fußball Bundesliga sorgt dieses Prinzip für Bewegung. Wäre ja noch schöner, wenn alle oben mitspielen könnten. Sicherlich bleibe ich an diesem Begriff auch deshalb kleben, weil die Gestaltung recht wenig Angriffsfläche bietet. Zwischen der typisch liberalen gestalterischen Schonkost fällt lediglich eine diffuse Form im Absender auf. Der Umriss von Nordrhein-Westfalen macht stilistisch auf Expo-2000-Logo. Ansonsten gibt es mit blauer Schrift auf gelber Fläche keine Überraschungen. Die FDP steht für Kontinuität, denn die Gestaltung ist kontinuierlich langweilig.

Fazit

Design spielt in Bezug auf den Wahlausgang keine Rolle. Anders ist der Erfolg der FDP bei der Bundestagswahl 2009 nicht zu erklären, waren die Plakate der Liberalen doch durchweg miserabel. Auch wenn kein Wahlplakat es jemals zu einem Effi bringen wird, ist es immer wieder spannend, sich mit den unterschiedlichen Wahlplakaten und ihrer Gestaltung zu beschäftigen, da sie als Zeitzeugnis die Befindlichkeiten der Gesellschaften dokumentieren.

Aufsehenerregend ist keine der hier vorgestellten Kampagnen. Die poppigsten Motive steuern diesmal nicht die Grünen, sondern die SPD bei. Die Gestaltung bei der CDU wirkt eher „unstabil“ und seltsam zweigleisig. Bin mal gespannt, ob die Seitenhiebe der Grünen auf die Landesregierung von den Bürgern als charmant oder doch eher unverschämt eingestuft werden. Und natürlich werde ich die Wahl in meiner alten Heimat aufmerksam verfolgen.

Die Plakate der PDS hätte ich auch gerne vorgestellt, wenn denn die Kampagnenmotive auf der Website der NRW-Die Linke eingestellt gewesen wären oder deren Presseabteilung geantwortet hätte.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Designtagebuch, wo sich auch Detailgalerien der Motive finden lassen. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Wahlplakate 2009

Nur noch anderthalb Monate sind es bis zur Bundeswahl und allmählich haben alle Parteien ihre diesjährigen Wahlplakate vorgestellt. Auf homopoliticus.de finden sich alle Plakatmotiven von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Linken mit einer Analyse von Achim Schaffrinna.

Interessant ist die Verteilung von Themen- und Personenwahlkampf unter den Parteien. Die Kanzlerinnenpartei CDU stellt ihre beliebten (und manche unbeliebtere) Spitzenpolitiker rund um Angela Merkel auf. Die SPD setzt dagegen auf einen Themenwahlkampf für Frank-Walter Steinmeier, der als einziger Spitzensozialdemokrat ein eigenes Plakat erhält. Auf der anderen Seite des Spektrums setzen die Grünen durchweg auf Inhalte und werfen mit einer schon unüberschaubaren Menge an Forderungen um sich. Wer soll bei 11 Themenplakaten noch durchblicken? Die Spitzenkandidaten Trittin und Künast jedenfalls fehlen auf den Plakatmotiven (Update: Mit Dank an Till Westermayer haben wir die Personenplakate der Grünen eingefügt). Den ausgewogensten Mix zwischen Themen und Köpfen zeigt die Linkspartei, die Lafontaine und Gysi mit gleich 4 Motiven prominent neben den 6 Themenplakaten positioniert.

Für uns kommentiert Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch die Gestaltung der Wahlplakate 2009. Vielen Dank dafür.

CDU

cdu_kanzlerinnenplakatcdu_ministerplakat_bildungcdu_ministerplakat_familiecdu_ministerplakat_innencdu_ministerplakat_landwirtschaftcdu_ministerplakat_verteidigungcdu_ministerplakat_wirtschaft

Die gestalterische Qualität zeigt sich in vielen Bereichen. Das Farbkonzept ist ausgereift. Blaue Töne schaffen Vertrauen, die dank der türkisfarbenen Akzente, die mal dezent und mal stärker gesetzt sind, keine Schwere und keine Trägheit verkörpern, sondern eine lebendige Frische ausstrahlen. Orange als fester Bestandteil des Corporate Designs der CDU ergänzt das Konzept. Der variable Aufbau und die Ausrichtung der typografischen Elemente unterstreicht diese Lebendigkeit, die man in der hier gezeigten Galerie wunderbar veranschaulicht sieht. Bei der Typografie fiel die Wahl – trotz eigener Hausschrift („CDU Kievit“) – auf die Helvetica, die bauchiger ist und weiter läuft. Der enge Zeilenabstand in Kombination mit Großbuchstaben lässt die Plakate zeitgemäß erscheinen. Das Besondere an den Plakaten ist, dass sie nicht in Baukastenmanier entstanden sind – also anderer Kopf rein > neue Überschrift > fertig – sondern ausgehend von der Fotografie jeweils eine individuelle Anordnung von Text und Bild geschaffen wurde. Einzig das CDU-Logo ist als feste Konstante stets rechts unten eingebunden. Die Fotos selbst sind allesamt Momentaufnahmen und keine Porträts. Auch das unterscheidet sie von den Mitbewerbern. In Photoshop wurde nachträglich hier ein Blendenfleck und da ein Weichzeichner angelegt um den Eindruck des Flüchtigen zu unterstreichen. Das Konzept hinter den Plakaten lautet: Natürlichkeit ist Trumpf.

Fazit: Tolle Arbeit. Feine Plakate. Würde man nicht eine Partei wählen, sondern die Gestaltung der Plakate, wäre dies mein Favorit.

SPD

spd_kanzlerplakatspd_themenplakat_arbeitspd_themenplakat_bildungspd_themenplakat_energiespd_themenplakat_gesundheitspd_thesenplakat_arbeitspd_thesenplakat_bildungspd_thesenplakat_energiespd_thesenplakat_gesundheitspd_thesenplakat_wirtschaft

Nach der mutigen, gestalterisch einzigartigen und von einigen Seiten kritisierten SPD-Kampagne zur Europawahl fallen die Plakate zur Bundestagswahl doch eher gewöhnlich aus. Aufmacher der Plakate sind Textbotschaften, die in imposanter Größe und Stärke, gesetzt in der SPD-Hausschrift „TheSans“, auch bei schneller Vorbeifahrt noch aufgeschnappt werden können. Die Aufbereitung eines Informationskonzentrats, dass leicht konsumiert werden kann, ist ein tragendes Moment solcher Wahlwerbeplakate. Statt Köpfe werden Gründe präsentiert, die sich die Bundespartei vielleicht vom Oberbürgermeister von Hannover Stephan Weil „abgeguckt“ hat. Neben der rein typografischen Serie, gibt es eine Linie, in der Menschen wie du und ich „ihren“ Grund benennen. Gutausehend sind sie. Die Attraktivität der abgebildeten Menschen soll bestenfalls in Form eines Image-Transfers auf die Partei abfärben. So jedenfalls die Philosophie hinter der Testimonial-Idee. Die Fotos sind inszeniert, wirken aber natürlich.

Fazit: Handwerklich gibt es nichts zu bemängeln. Das lässt sich auch zum Corporate Design der SPD sagen, obwohl ich mich immer noch mit dem neuen 3D-Logo der SPD schwer tue. Gestalterisch können sie nicht an die provozierende EU-Serie anknüpfen.

FDP

fdp_westerwellefdp_bruederlefdp_gerhardtfdp_homburgerfdp_hoyerfdp_niebelfdp_pieperfdp_pinkwartfdp_roeslerfdp_solmsfdp_themenplakat_arbeitfdp_themenplakat_bildungfdp_themenplakat_freiheitfdp_themenplakat_steuern

Einheitskost par Excellence! Diese Art der Wahlwerbung kennen wir seit Jahrzehnten und nehmen sie kaum noch zur Kenntnis. Da hilft auch das schreiende Gelb nicht. Ein Lächeln für die Kamera. Die Deutschlandfahne dezent im Hintergrund und eine, teils schlecht gesetzte Überschrift. Das ist stereotyp, abgegriffen und ebenso einfallslos wie die Botschaft „Mehr Netto vom Brutto“. Im Plakat von Otto Solms steht das gelb gesetzte „besser“ auf gelbem Untergrund. Oh wei. Liebe FDP-Plakat-Gestalter, das geht deutlich besser. Bitte denkt doch an die Menschen, die die Botschaften lesen sollen.

Fazit: Die Gestaltung, soviel lässt sich ablesen, ist kein Schwerpunkt der FDP. Sie liefert mit weitem Abstand das konservativste Angebot zum Thema Wahlwerbung.

Grüne

gruene_themenplakat_atomgruene_themenplakat_bildunggruene_themenplakat_biogruene_themenplakat_datengruene_themenplakat_elektroautosgruene_themenplakat_frauengruene_themenplakat_gengruene_themenplakat_jobsgruene_themenplakat_klimaschutzgruene_themenplakat_millionengruene_themenplakat_weltgruene_kuenast.jpggruene_oezdemir.jpggruene_roth.jpggruene_trittin.jpg

Nachdem WUMS gestalterisch eher nach hinten los ging, sind die Grünen wieder näher bei sich, wie ich meine. Die Plakate sind im rohen Graffiti-Look angelegt. Natürlich geht heute keiner mehr mit der Sprühdose los. Mit entsprechender Werkzeugspitze werden Schriftzüge und Bildelemente detailverliebt in Photoshop erstellt. Das ist handwerklich gekonnt. Ganz bewusst werden Schablonenkanten mit der Maus gesetzt, um den Eindruck zu vermitteln, man sei wild, rebellisch und authentisch. Street-Art ist ganz nah bei den Menschen. Das steckt hinter dem Konzept. Ich finde es gar nicht verwerflich, dass sich hier keiner die Finger mit Farbe schmutzig gemacht hat sondern nur der Anschein erweckt wird, man hätte die Wände besprüht. Der Aufbau nutzt, anders als SPD, FDP und Die Linke, keine Schablone. Man möchte meinen, je nach Lust und Laune wurden bildhafte Elemente und knackige Begriffe arrangiert. Grün, Gelb, Rot, Blau und Magenta erzeugen ein buntes Miteinander. Passt ja durchaus zu den Vorstellungen der Partei in Bezug auf das Zusammenleben von Menschen.

Fazit: Die Grünen präsentieren ein Design, das passt. Hinter der Unordnung steckt handwerkliche Akribi. Wer allerdings grundsätzlich die Partei nicht mag, dem wird vermutlich auch das Spröde und das Rohe in der Gestaltung nicht zusagen.

Die Linke

linke_gysilinke_gysi_grossflaechelinke_lafontainelinke_lafontaine_grossflaechelinke_themenplakat_afghanistanlinke_themenplakat_bildunglinke_themenplakat_hartzlinke_themenplakat_mindestlohnlinke_themenplakat_reichensteuerlinke_themenplakat_rente

Die Schriftart Helvetica findet sich bei der CDU und auch bei den Linken. Wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten der Parteien. Allerdings sieht man sie bei den Linken in einer sehr eng gestellten Form, die natürlich den Vorteil hat, dass man auf kleinem Raum viel unterbringen kann. Die Farbkombination Schwarz, Weiß, Rot ist alles andere als politisch unbelastet. Die schwarzen Lettern, in Kombination mit der scharf abgesetzten roten und weißen Fläche, wirken nicht nur nicht frisch und wenig natürlich, sie erscheinen aggressiv. Das Ausrufezeichen hinter jeder Überschrift ist gar nicht notwendig. Die Gestaltung selbst unterstreicht jede einzelne Forderung. Insofern ist es eigentlich eine gute Gestaltung, mögen muss man sie aber deswegen nicht. Stilistisch ist sie mir einfach zu hart, zu kompromisslos. Gerade die Bereitschaft zu Kompromissen zeichnet die Politik aus. Den Fotografien wiederum fehlt jede Stringenz und jeder Biss. Mal hängt die Unterlippe von Gisy schief und mal blickt Lafontaine offenbar vollkommen geistesabwesend in die Kamera. Das sind dann auch die einzigen Köpfe, die bei der Linken gedruckt wurden. Die anderen lassen ihren Hintern ablichten.

Fazit: Laut und wuchtig ist die Gestaltung. Hier werden keine feinen Töne angeschlagen. Auch wenn man den Stil nicht mag, so ist die Ausarbeitung der Plakate immer noch präziser als das Werk der FDP.

Soweit der Blick als Gestalter auf die Wahlplakate zur Bundestagswahl 2009. Ich fands spannend die Plakatserien der Parteien im Umfeld von Homo Politicus kommentieren zu dürfen. Überraschend ist für mich, dass die CDU in Bezug auf die Gestaltung gar nicht mal so konservativ erscheint, wie es ihrer Programatik entspricht. Sie gibt sich optisch jung, frisch und zeitgemäß. Die Grünen und die SPD liefern ansprechende Lösungen. Die Linke poltert in ihrem Erscheinungsbild und die FDP hat den Anschluss verloren und dümpelt im Design von gestern.

Achim Schaffrinna ist Diplom-Designer und Autor des Fachblogs Design Tagebuch. Lange Zeit im Agenturumfeld, arbeitet er heute als Leiter Design bei Madsack Online in Hannover und betreut dort seit Juni 2009 die digitalen Angebote des Verlagshauses Madsack.

Fotos: cdu.de, wahlkampf09.de, fdp.de, gruene.de, die-linke.de

Wahlkampf offline

In keinem anderen Wahlkampf der jüngsten Zeit war so stark erkennbar wie wenig Geld die Parteien zur Verfügung hatten, wie in diesem Jahr in Hessen. Nachdem man im letzten Jahr in einen letztlich umfangreichen Wahlkampf viel Geld investiert hatte und auch kaum jemand daran dachte, dass es bereits 12 Monate später zu einer erneuten Wahl kommen würde, waren die Kassen nach der Landtagswahl relativ leer geräumt.

Doch wie bekannt kam es zu keiner Regierungsbildung und nun befinden sich die hessischen Parteien erneut im Landtagswahlkampf. Noch dazu im „Superwahljahr 2009“ in dem Europawahl und Bundestagswahl zu bewältigen sind. Zum Einen müssen die Parteien nun bereits für die anderen beiden Wahlen eingeplante Mittel anzapfen, zumAnderen wird auch darüber spekuliert, ob einige Parteien für den vorgezogenen Wahlkampf extra Kredite aufgenommen haben.
Dass die Kassen der Parteien jedoch schon bessere Zeiten erlebt haben und überall wo es möglich ist gespart wird, bemerkt man derzeit an einigen Stellen. So unter anderem auch an den Wahlplakaten.

In den letzten Wochen haben wir uns ausführlicher mit dem Wahlkampf der Parteien im Internet auseinander gesetzt und wollen nun auch die Plakatwerbung analysieren. Hierfür haben wir in den letzten Tagen die Wahlplakate in einigen hessischen Städten und Gemeinden fotografiert. Leider sind uns aber nicht alle Themenplakate vor die Linse gekommen, weshalb wir im folgenden eine kleine Auswahl anbieten.

Die finanzielle Notsituation der Parteien ist den Wahlplakaten dabei sehr deutlich anzusehen. Es wird fast einheitlich auf Schlichtheit und Text gesetzt. Anscheinend wurden für die Plakatgestaltungen dieses mal keine Werbeagenturen beauftragt, sondern Ideen und „Design“  kamen wohl direkt aus den Kampagnen. Man setze auf Inhalte, statt auf grafische Ausschmückungen. Doch über Sprüche wie „Wirklich wieder Koch?“ gehen die Inhalte meist dann doch nicht hinaus.
Selten wurden den Wählern solch kontrastarme Plakate geboten, die den Anschein erwecken, dass sie auf Grund der raschen Neuwahl in  Nacht und Nebelaktionen entstanden seien. Noch dazu kommt, dass es sich bei fast allen Themenplakaten um Negativwerbung (negative campaigning) handelt. Es wird also gezielt der Gegner angegriffen. Doch ohne Ausnahme bleiben diese themenlos, dies zeigen Sprüche wie „Unser Wort gilt“ der FDP.

plakatwand

Positive Ansätze können zumindest in den Plakaten der CDU gesehen werden, die zeigen, dass wenigstens etwas Geld in die Plakatgestaltung investiert wurde. So wird auf einem blauen, zur Jahreszeit passenden, Farbton der Leitspruch „In Zeiten wie diesen“ dargestellt, der sich von dem Rest des Plakates durch eine orangene Schriftfarbe absetzt.

cdu

Noch schlichter sieht es bei SPD, FDP und Grünen aus:

spd

fdp

fdp-gros

gruene

Anderes ist bei der  Linkspartei zu erkennen: während sie im laufenden Wahlkampf bisher kaum in Erscheinung getreten ist, stelltdie Linke die einzige hessische Partei dar, die es geschafft hat thematische Plakate samt Visualisierungen rechtzeitig fertig zu stellen. So geht die Partei beispielsweise mit einem Themenplakat auf das Thema „Arbeisplatzsicherheit“ ein. Doch anders als die CDU belässt man es nicht bei dem – auch hier wenig einfallsreichen – Slogan, sondern ergänzt diesen durch weitere Informationen, die erst beim genaueren Betrachten des Plakates zu erkennen sind. Aber das eigentlich interessante ist, dass der Slogan durch ein Bild von den Opelwerken in Rüsselsheim und eine Uhr, die fünf vor zwölf zeigt, ergänzt wird. In Anspielung an die aktuelle Krise bei Opel.

linke

linke1

Auffällig ist auch, dass die Grünen in diesem Jahr auf ein Spitzenkandidatenplakat setzen. Im letzten Wahlkampf hatten man auf Großplakatwänden noch auf Themenplakate gesetzt, während man nun ein Kopfplakat des Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir vorzieht. Dies ist für die Grünen schon ein Schritt bei dem es verwundert, dass er weitestgehend umkommentiert blieb. Denn gerade dort  waren reine Personenplakate bislang eher unbeliebt. Nun geht man den in der Gesellschaft angesagten Trend mit und präsentiert leicht verdauliche Kost für die Wählerinnen und Wähler, die den Wahlkampf lieber an Personen fest machen wollen als an, oftmals vielschichtigen, Parteien.

al-wazir

In Sachen Design scheint es also so, als ob den Parteien insgesamt gesehen entgangen sei, dass Plakatwerbung weiterhin ein wichgtiges Mittel im Wahlkampf darstellt, das nicht zu unterschätzen ist.
Bei der CDU hat man unterdessen jedoch in manchen hessischen Gemeinden (wie hier im Landkreis Marburg-Biedenkopf) das Gefühl, man versuche die fehlende Qualität in diesem Jahr durch Quantität zu ersetzen:

koch-cdu

Von den sogenannten „sonstigen“ Parteien ist momentan nichts zu sehen. Es ist zu erwarten, dass auch diese unter der finanziellen Belastung durch die Neuwahlen leiden und auf Wahlplakate, zumindest im großen Stil, verzichten werden. Es bleibt abzuwarten, ob die FWG noch plakatieren wird. Von unserer Seite konnten jedoch nur die hier dargestellten Plakate von CDU, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei entdeckt werden.

Doch trotz all dem findet man immerhin eine Neuerung im Rahmen des diesjährigen Plakatwahlkampfes. Sowohl  SPD als auch Grüne bieten im Internet die Möglichkeit der Plakatspende. Eine neue, aber gar nicht mal so dumme Idee. Möglicherweise könnte hierin gar ein Web2.0-Element im Wahlkampf der Parteien erkannt werden. Denn die Spender haben die Möglichkeit online zu bestimmen, wo das von Ihnen gesponserte Plakat aufgestellt bzw. plakatiert werden soll. So kann sowohl der Standort als auch der Zeitraum der Plakatierung vom Spender entschieden werden. Dieser bekommt seine Spende also direkt vor Augen und kann sich vergewissern, dass mit seinem Geld auch das finanziert wurde, was er bezahlt hat. Aber das entscheidende dabei ist, dass er  – wenn auch in einen beschränkten Rahmen – die Möglichkeit hat, auf den Wahlkampf seiner Partei Einfluss zu nehmen. Das heißt nicht alleine die Partei-Kampagne bestimmt, wo Plakatwerbung zu erfolgen hat.
Interessant wäre natürlich zu erfahren, ob überhaupt und wenn ja wie stark dieses Möglichkeit von den Parteianhängern wirklich genutzt wird. Doch es bleibt zu erwarten, dass die Kosten für ein einzelnes Plakat zu hoch sind um wirklich viele Einzelspender zu finden.

Rückblick 2008

Nach der Betrachtung der neuen Plakate scheint es nun sinnvoll, sich vergleichend dazu die Plakate des letzten Wahlkampfes noch einmal vor Augen zu führen. Dabei fällt sofort auf, dass sich die Parteien im letzten Jahr vor allem graphisch ausgefeilter präsentierten.
Beispielsweise die SPD mit ihren Plakaten „Jeder kann…“, „Koch kocht…“ und der sogenannten „Koch-Initative gegen erneuerbare Energien e.V.“:

spd_alt

spd_alt1

spd_alt4

spd_alt3

spd_alt2

Und auch die Grünen verbanden prägnante Sprüche mit interessanten Bildern:

gruene_alt2

gruene_alt

Aus dem Rahmen fiel dabei natürlich trotz allem die CDU-Kampagne gegen Ende des Wahlkampfes. Doch auch insgesamt setzte die CDU stärker auf Textbotschaften, als auf Grafiken oder Bilder:

cdu_alt

Weitere Motive findet man im großartigen Archiv von politik-visuell oder bei der CDU, SPD 1 & 2 &3, FDP, Grüne und bei der Linken.

Fazit

Ob nun die Parteien aus dem letztjährigen Wahlkampf die Erkenntnis mitgenommen haben, dass bildgewaltige Plakate sich nicht lohnen und aus eben diesem Grund auf großflächigsten Text gesetz haben, darf bezweifelt werden. Die These der knappen Kassen und eines damit einhergehenden Verzichts auf teure Werbeagenturen ist sicherlich nicht ganz haltlos, wenn auch nicht offiziell bestätigt.

Gerade bei SPD und Grünen fällt der Unterschied am Meisten auf, deren Wahlplakate im letzten Jahr hochprofessionell wirkten. Auch die Linke konnte grafisch im letzten Jahr mehr überzeugen. Die FDP präsentiert sich gestalterisch auf ähnlich niedrigem Niveau. Einzig die CDU konnte optisch dazu gewinnen, die neue Plakatserie sieht wesentlich reifer und souveräner aus.