Obamasuche mit dem Zweiten

Seien Sie unser Obama! Bewerben Sie sich für unsere Show: Ich kann Kanzler!

Achim Winter erklärt mit diesen Worten die Politik-Castingshow des ZDFs, die unter dem Titel „Ich kann Kanzler!“ am 19. Juni live gezeigt werden soll. Am Ende werden die Zuschauer bestimmen, wen sie für das größte politische Talent der Sendung halten.

Ich kann Kanzler!

Mit der „Idee hinter der Sendung“ steckt sich das ZDF gewaltig hohe Ziele. Die Enttäuschung der Wähler von den deutschen Politikern, die mit immer abgedroscheneren Worthülsen viel sagen und wenig verändern – das sei der Grund für die neue Sendung. Und damit böte sich für jeden Interessierten die Gelegenheit, selbst etwas zu verändern. Man suche eben „Junge Menschen, die gerne etwas politisch verändern wollen“. Denn es sei an der Zeit, gegen Politikverdrossenheit vorzugehen.

Zwei Gefahren warten auf die Sendung, deren Tragweite das ZDF nicht vernachlässigen sollte.

  1. Enttäuschte Zuschauer: Erwartungen wecken möchte man mit der Sendung; Erwartungen für eine neue Politikergeneration mit mehr Charisma, Durchsetzungsfähigkeit und Echtheit als die gegenwärtig amtierende. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das Format mit nur einer geplanten Livesendung inklusive zeitraubender Abstimmung dies überhaupt darstellen kann. Gerade der überstrapazierte Vergleich mit der Massenbewegung um Barack Obama zeugt nicht gerade von Bescheidenheit oder Bewusstsein für die begrenzten zeitlichen Möglichkeiten eines Freitagabends.
  2. Enttäuschte Gewinner: Unterstellt man den Teilnehmern mal durchaus ernstes Interesse an Politik und ein ehrliches Interesse, sich selbst für das Land einzusetzen, könnte der Preisträger sich angesichts des ausgelobten Preises etwas ausgenutzt vorkommen. Ein Kanzlergehalt ist natürlich eine nette Offerte, beläuft sich in Deutschland immerhin auf etwa 220.000 € pro Jahr. Aber ob rein materielle Unterstützung wirklich das Ziel eines begabten Idealisten ist? Das zusätzlich als Gewinn gesetzte Praktikum „im Zentrum der Macht“ gilt es erst noch zu spezifizieren, bevor man hier genauere Bewertungen vornehmen kann.

Richtigen Fokus setzen

Fakt ist natürlich auch, dass eine solche Sendung immer nur Talentsuche sein kann, nie aktiv in den politischen Prozess eingreifen. Wenn das ZDF es schafft, diesen Fokus zu setzen, dann kann die Sendung wirklich interessant werden. Wenn aber den Zuschauern ein neuer Obama verkauft werden soll, der am liebsten ab nächster Woche dann im Kanzleramt sitzen darf, dann schlägt die ganze Sendung fehl.

PS: Noch lässt das ZDF offen, wer die Sendung moderieren wird. Die zuletzt erfolgreich gelaufene „Wahl im Web“ hatte noch Markus Kavka moderiert und sich damit für junge, politische Formate empfohlen. Für die ein oder andere sehr wahrscheinliche Neuauflage der Webwahl dürfte er damit gesetzt sein, aber ob das ZDF ihn in die große Freitagabend-Liveshow wirft, bleibt abzuwarten. Achim Winter, der den ersten Kurzspot produzieren durfte, wird wohl ebenso wenig als Moderator eingesetzt. Produzent der Sendung ist im Übrigen die „I & U Information und Unterhaltung TV Produktion“ von Günther Jauch. Eine Beteiligung Jauchs als Moderator ist aber reine Spekulation.

Bild: ZDF

11 Gedanken zu „Obamasuche mit dem Zweiten

  1. Oh mein Gott, bitte nicht Ralf Schmitz. Dann wäre die Aktion nicht mal mehr teilweise ernst zu nehmen!!!

  2. Was hast du gegen Ralf Schmitz?
    Lächle, denn es könnte schlimmer kommen. Denk nur mal an Oliver Pocher!

  3. Gut, Markus Kafka wäre natürlich eine schöne Lösung, ich bezweifel aber, dass das Zweite sich das traut. Jauch und Schmitz würde ich gewiss nicht einschalten.

    Ich glaube ja nicht so richtig an das Sendekonzept (Vor Allem Abstimmungen finde ich ja immer fürchterlich, „Voting“ via Telefon und SMS oder was? BRRRR).

    Sicher, junge politische Talente sind immer etwas gutes aber die Kritikpunkte (in denen ich voll und ganz mit Christian übereinstimme) überwiegen.

  4. Markus Kavka hat uns übrigens auf Anfrage bestätigt, dass er NICHT der Moderator von „Ich kann Kanzler!“ sein wird. Sehr wohl aber bei 3 weiteren Auflagen von „Wahl im Web“ zu Landes-, Europa- und Bundeswahlen.

  5. Oh, Europawahl? Finde ich gut. Ist ja so die Wahl, die bei den meisten Bürgern unbeachtet vorbeizieht. Gibt es irgendwo Statistik wie „Wahl im Web“ Jung- v.a. Erstwähler angesprochen hat?

  6. Hans-Dietrich Genscher wird nun doch nicht in der Jury sitzen, offenbar gab es dort Missverständnisse. Nun also stattdessen Henning Scherf.

    Außerdem interessant: Das ausgelobte Kanzler-Gehalt meint wohl nur eine einmalige Auszahlung eines Monatsgehalts, die der Gewinner zweckgebunden verwenden muss.

  7. Egal wie seriös die Show auch sein mag, mit dem Titel begibt sich das ZDF ja wohl eher auf RTL und Bildzeitung Niveau. Könnte man da nicht etwas seriöseres finden, was weniger nach Castingshow klingt?

  8. @Sylvia ich finde den Titel nicht so Problematisch, es ist eine Sache jemanden zu finden, mit Hilfe einer Castingshow, der politisch gebildet ist und Charisma hat, aber ein völlig andere diesen Kandidaten dann als Realpolitiker zu integrieren.
    Denn die interne „Parteipolitik“ ist eine eigene Welt für sich…

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