Kolumne: Freunde bis 18 Uhr

Am Wahlabend zur Berliner Abgeordnetenhauswahl wurde auch anderswo gewählt: in Rüsselsheim zum Beispiel ein neuer Oberbürgermeister. Auch wenn sich nahezu alle Augen auf Berlin richteten – von Rüsselsheim können auch die Berliner Kampagnenmanager lernen.

Nur 10 Minuten nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses wandte sich der unterlegene Kandidat Jo Dreiseitel via Facebook an seine Wähler und dankte ihnen für ihr Vertrauen. Ebenso gratulierte er dem glücklichen Gewinner.

Was sich so einfach anhört, zeigt wichtige Lektionen für die Kampagnenführung (nicht nur) im Internet. Kampagnen dauern nicht nur bis zur Schließung der Wahllokale. Unterstützer verlieren nicht alle ihre Überzeugungen mit dem Einwurf eines Umschlags in die Wahlurne. Wahlkämpfe schaffen Beziehungen, die nicht einfach am Wahlsonntag um 18 Uhr enden. Zudem: Die Unterstützer haben ihr Engagement und ihre Begeisterung in den Wahlkampf eingebracht, ob nun auf der Straße oder als Wähler. Sie sind es, die den Kandidaten so weit gebracht haben – und dafür verdienen sie ein Dankeschön.

Oft klappt das im Kleinen. In Rüsselsheim hat man gemerkt, dass ein Platz dafür das Internet ist. Aber bei einer Bundestagswahl sieht man diese Dankbarkeit, trotz vieler freiwilliger und bezahlter Helfer, eher selten. Es wird Zeit, sich zu bedanken! Und zwar nicht nur, weil Dank zu zeigen einfach anständig ist, sondern weil jede Kampagne auch bis zum Ende professionell geplant sein und schon an die nächste Wahl denken sollte.

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, November 2011]

Was Piraten von der Causa Mack halten

Schon interessant, wie die Piraten aus dem Main-Kinzig-Kreis sich zum Streit und zur Position Daniel Mack positionieren. Im Interview mit GNZ-Redakteurin Esther Ruppert-Lämmer sagten sie:

Thema Politik 2.0: Der unbedarfte Beobachter könnte nach den Schlagzeilen um den ehemaligen Grünen-Fraktionsvize Daniel Mack den Eindruck gewinnen, bei „Twitter“ handele es sich vorrangig um ein erstklassiges Diffamierungsinstrument, das dazu dient, den politischen Gegner – manchmal auch innerhalb der eigenen Reihen – bloßzustellen. Wie viel Porzellan hat Mack zerschlagen, und was wollen die Piraten in der politischen Kommunikation im Netz besser machen?

Praschak: Twitter ist erst mal nur ein Kommunikationskanal. Herr Mack hat durch sein gesamtes Handeln, egal ob im Internet oder im „Real-Life“, den jetzigen Punkt erreicht. Die destruktive Kritik an der Dezernentenwahl war nur ein Anlass. Wir haben seine arrogante und teils falsche Art ja selbst erleben dürfen. Durch Löschen von Tweets oder das nachträgliche Ändern von Blog-Beiträgen kommt es zum Drehen an der Täter-Opfer-Rolle. Er gaukelt so falsche Tatsachen vor und blendet die Öffentlichkeit. Was er macht, ist keine Politik 2.0, das ist das Verhalten eines Trolls. Er nutzt das Netz und seine mediale Reichweite nur, um sich selbst darzustellen.

Waller: Ob wir Piraten besser kommunizieren können und die aufgeworfenen Fragen oder Ideen annehmen können, müssen die Bürger bewerten. Unsere Grundidee ist aber ein konstruktiver Dialog, der sich aus dem Gedanken der sogenannten Schwarmintelligenz speist. Gemeinsam sind wir stark. Wobei wir natürlich auch nicht mit Kritik sparen, wo sie angebracht ist, auch innerhalb der Piraten. Blockieren von kritischen Nutzern auf Twitter oder das Sperren von politisch unliebsamen Kommentaren, wie Herr Mack das gerne macht, wird es so bei uns aber nicht geben.

Mir kommt’s vor, als hätte ich das so oder so ähnlich schonmal irgendwo gelesen

[via Chris Albrecht]

OpenSource und Meinungsfreiheit

In Amerika regt sich Unmut gegen die Obrigkeit, die eine Verschärfung des Internetrechts plant. Besonders interessant ist der Widerstand aus der OpenSource-Community. Mark Jaquith ist WordPress-Entwickler und begründet seine Ablehnung mit seiner Begeisterung für die Meinungsfreiheit:

One of the reasons that I help make WordPress is because of my deeply held conviction that free speech is the most powerful and beneficial tool humans have ever had at their disposal. The Internet is a grand experiment that not only makes communications fast — it embraces freedom by design. This legislation is a low level attack against the system of trust upon which the Internet is based. It’s an attack on freedom of speech and on economic freedom. It’s corporate cynicism of the worst kind.

Wenn es doch bloß um Twitter ginge…

Seit einem Monat schwelt jetzt im Main-Kinzig-Kreis der vermeintliche Twitter-Streit um Daniel Mack und die grüne Kreistagsfraktion. Worum es eigentlich geht, hat man inzwischen schon fast vergessen. Das ist auch richtig so, denn in der Debatte geht es nicht um eine Twitter-Nachricht. Es geht nicht wirklich darum, ob man als Kreispolitiker twittern darf. Es geht um Misstrauen und persönliche Abneigung. Und damit um ein Phänomen, das so alt ist wie Politik selbst.

Eigentlich ging es um die Dezernenten-Wahl von Matthias Zach im Main-Kinzig-Kreis. Daniel Mack hatte hier via Twitter Bedenken über ein etwas seltsames Prozedere geäußert. Seine Fraktion sah das anders und ärgerte sich über die öffentliche, abweichende Äußerung Macks als Co-Fraktionsvorsitzendem. Was sich aus dieser Meinungsverschiedenheit mittlerweile entsponnen hat, ist nichts anderes als absurd. Der Fraktionsvorstand forderte Mack auf, entweder das Twittern einzustellen oder von seinem Posten als Co-Fraktionsvorsitzender zurück zu treten. Die Bedingung wollte der nicht akzeptieren und trat von seinem Posten zurück – jedoch nicht, ohne dem Vorstand „ZK-Methoden“ vorzuwerfen. Mittlerweile waren schon die Medien informiert und stürzten sich auf die Geschichte. Spitzengrüne aus Landes– und Bundespolitik boten ihre Vermittlung an. Aber gerade als es so aussah, als würde sich alles wieder beruhigen, ging die Situation auf die nächste Eskalationsstufe über. Der Fraktionsvorstand akzeptierte nicht den Rücktritt Macks, sondern wählte ihn ab. Wieder einige Tage später äußerte sich Mack dazu und behauptete, die Abwahl sei nicht gültig, weil Formalia nicht erfüllt worden seien. Er sehe sich daher noch im Amt.

Und jede neue Stufe des Streits wurde von immer größerer Medienpräsenz begleitet – die taz, die BILD, hr-online, politik&kommunikation. Mit der Arbeit im Landtag, so scheint es, sind die Grünen in Hessen mittlerweile weniger in den Medien präsent, als mit dieser unsäglichen Geschichte.

Dabei wäre es so einfach gewesen. Man hätte als Grüne Parteifreunde miteinander reden können, für Verständnis für die eigene Position werben können und dann einen Kompromiss miteinander schließen können. Man hätte sich eingestehen müssen, dass es nicht um Twitter als Medium ging, sondern um eine Stilfrage der öffentlichen Meinungsäußerung. Vermutlich hätte es doch mehr Ärger für Mack gegeben, wenn er sich in der Lokalzeitung genau so geäußert hätte wie zuvor auf Twitter. Stattdessen war man im Main-Kinzig-Kreis nicht in der Lage, den Kern des Problems zu erfassen. Man versteifte sich auf das Medium. Anstatt miteinander über die Äußerung selbst zu reden, redete man gar nicht miteinander, sondern stellte die Twitter-Nutzung an den Pranger.

Aus kleinkindlicher Empörung, kommunikativem Unvermögen und charakterlicher Schwäche hat man so ziemlich jeden Ausstiegspunkt aus der Debatte verpasst. Man ist miteinander umgegangen, wie es sich im zwischenmenschlichen Miteinander nicht gehört – schon gar nicht unter Parteifreunden. Und man hat damit der Partei dauerhaften Schaden zugefügt.

Ob sich die Protagonisten eigentlich irgendwann einmal fragen, ob es das wert war?

We the People

Das Weiße Haus hat eine Petitionsplattform gestartet. Unter dem großartigen Namen „We the People“ – Rückblick auf den Geschichtskurs: so beginnt die Amerikanische Verfassung – können Bürger der USA ihre Anliegen vortragen. Und weil Kathrin Herrmann im (sehr empfehlenswerten) Bernetblog schon fast alles sagenswerte gesagt hat, sei einfach auf ihren Artikel verwiesen:

Jeder darf mitmachen bei «We The People». 13 muss man sein und sich mit Name, E-Mail und Postleitzahl registrieren. Sonst nichts. Nach der Registrierung geht es auf der ansprechend gestalteten Seite in drei Schritten zum Ziel:

 

1. Petition: Titel setzen, Themenbereich wählen. Schauen, ob schon eine andere Petition mit demselben Anliegen besteht. Petition schreiben und eingeben.

 

2. Sammeln: 150 Unterschriften braucht es, damit eine Petition auf «We The People» sichtbar wird. 25’000 damit sie die Regierung bearbeitet.

 

3. Antwort: Die Hürde ist geschafft, eine Arbeitsgruppe der aktuellen Regierung sichtet die Petition und antwortet öffentlich auf der Plattform. Verfasser und Unterschreibende werden per E-Mail informiert.