Gewählt wird daheim

Über das Wahlergebnis in Bayern wurde inzwischen bereits viel geschrieben. Ein Ergebnis des Wahlabends fand jedoch nur am Rande Erwähnung: der rasante Anstieg an Briefwählern.

Dabei schrieb die Süddeutsche bereits zwei Tage vor der Wahl:

„In München beantragten bis Freitagvormittag etwa 257.000 Wähler ihre Stimmzettel. Das sind fast 80 Prozent mehr als bei der letzten Wahl – und bereits deutlich mehr als ein Viertel aller Wahlberechtigten. Nürnberg zählte 75.000 ausgegebene Wahlunterlagen, vor fünf Jahren waren es nur 46.000.“

In Augsburg habe die Stadt sogar noch Wahlunterlagen nachbestellen müssen (Augsburger Allgemeine: „Briefwahl sorgt für Engpässe“).

Quelle: flickr.com, Awaya Legends

Quelle: flickr.com, Awaya Legends

Die Argumente der Briefwähler sind vielfältig, doch gerade für junge Menschen scheint es inzwischen selbstverständlich, die Möglichkeit zu nutzen, schon vorab die Stimme abgeben zu können. Dabei geht es häufig um die Flexibilität, die man sich für einen freien Sonntag bewahren möchte, aber auch um die Möglichkeit, den Wahlzettel ohne zeitlichen Druck daheim studieren zu können.

Noch bis 2008 war die Briefwahl nur möglich, wenn man theoretisch einen Hinderungsgrund für die Stimmabgabe im eigenen Wahlbezirk nachweisen konnte. Im März 2008 wurde dieser Passus gestrichen und seitdem kann ein Briefwahlantrag auch dann gestellt werden, wenn kein Hinderungsgrund vorliegt (siehe wahlrecht.de).

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Bundestagswahl: Frag die bpb!

Bereits vor knapp zwei Jahren hat die Bundeszentrale für politische Bildung den Twitteraccount @frag_die_bpb gestartet und beantwortet seitdem Fragen über diesen Kanal. Nach eigenen Angaben inzwischen über 200.

In der Zwischenzeit war es um das Angebot recht ruhig geworden, deshalb hat sich die bpb für die letzten Wochen vor der Wahl etwas Besonderes ausgedacht. Bis zur Wahl werden kompliziertere Fragen in kurzen YouTube-Clips von Politikexpertinnen und -experten beantwortet. Besonders gefreut hat es mich, dass meine ehemalige Professorin Julia von Blumenthal den Anfang machen durfte. Weiterlesen

Kolumne: An der Haustür

Über kaum ein anderes Wahlkampfinstrument sprechen die Parteistrategen derzeit so begeistert, wie über den Haustürwahlkampf. Er gilt als Geheimtipp schlechthin. Effizient, kostengünstig und wirksam. In den USA besser bekannt unter dem Begriff „Canvassing“. Und so scheint es einen neuen Kampagnen-Exportschlager aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu geben. Bei den Lobgesängen der deutschen Campaigner bleibt jedoch unbedacht, dass der Einsatz des Instruments hierzulande zumeist mit einem anderen Ziel erfolgt, als im amerikanischen Original.

Die Mitarbeiter von Obama und Romney waren natürlich auch an direkten, einmaligen Wählerkontakten interessiert, der Hauptaugenmerk lag jedoch auf der Erhebung von Daten und die dadurch ermöglichte erneute Ansprache von identifizierten Sympathisanten. Doch diese allgemeine Erfassung von Informationen über die Einwohner des eigenen Wahlbezirks sind in Deutschland schon alleine aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich.

Deshalb stellt sich die Frage, ob der Haustürwahlkampf in Deutschland überhaupt Sinn macht? Denn zur einmaligen Wählermobilisierung ist Canvassing eigentlich nicht gedacht. Ein im Grunde erfolgsversprechendes Wahlkampfinstrument benötigt also auch immer die richtigen Rahmenbedingungen. Ob Canvassing in geänderter Form wirklich funktioniert, wird sich erst noch zeigen müssen.

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, September 2013].

Kolumne: Unterstützer (online) sammeln

Im September stehen neben der Bundestagswahl die Landtagswahlen in Bayern und Hessen an. Für die Parteistrategen gilt es also, die eigenen Mitglieder für den Wahlkampf zu aktivieren. Doch gerade das gelingt immer schwerer – zumal sich der Mitgliederschwund noch weiter fortsetzt und der Nachwuchs fehlt. Auch deshalb nehmen Nichtmitglieder als Unterstützer und Multiplikatoren im Wahlkampf inzwischen eine wichtige Rolle ein. Doch Nichtmitglieder gewinnt man selten als allgemeine Parteiunterstützer, sondern vielmehr für bestimmte Fachthemen. Und so schauen die Parteien schon seit längerer Zeit neidisch auf Angebote wie Campact und Avaaz, die über Onlineplattformen Unterstützer für verschiedene Themen suchen und bei Bedarf aktivieren können. Dabei geht es vor allem darum, dass sich Interessierte unkompliziert und ohne Verpflichtungen für die Mitarbeit melden können. Im Bundestagswahlkampf 2009 haben die Parteien bereits ansatzweise versucht, Elemente solcher Angebote zu übernehmen – in den meisten Fällen jedoch etwas halbherzig. 2013 nun wagen sie einen neuen Anlauf. So hat die CDU schon im vergangen Jahr ihre Unterstützerplattform CDUplus gelauncht. Auch die Grünen und die FDP haben inzwischen nachgelegt. Die Parteien schlagen mit diesen Aktivitäten den richtigen Weg ein, denn die Mitgliederverluste erfordern neue Formen der Mobilisierung von Unterstützern aller Art. Neue Mitglieder wird man damit sicher nicht im großen Stil gewinnen können, dafür aber Multiplikatoren für die eigenen Themen.

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, Februar 2013].

Microtargeting – Wahlkampf mit Datensätzen

Kaum ein Thema der letzten beiden US-Präsidentschaftswahlkämpfe hat die Beobachter hierzulande so sehr begeistert wie die Internetaktivitäten der Kandidaten. Es geht um Apps, Social Media und Mobilisierungsnetzwerke. Nur selten rücken dabei jedoch die Datenbanken als Fundament solcher Netzaktivitäten in den Vordergrund. Dabei spielen die Datenbanken der Parteien bereits seit Jahrzehnten eine nicht zu unterschätzende Rolle in amerikanischen Wahlkämpfen.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten pflegen umfangreiche Datenbanken mit Informationen über die wahlberechtigte Bevölkerung. Die Parteien versprechen sich davon, potentielle Wähler zu erkennen und mit den passenden Botschaften und Themen anzusprechen. Durch den Siegeszug des Computers und des Internet haben die Datenbanken in den Parteizentralen einen regelrechten Aufschwung erlebt und wurden spätestens im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 auch für eine größere Öffentlichkeit sichtbar.

Intelligente Algorithmen

So sorgte Barack Obama 2008 für einige Aufmerksamkeit, als er Microtargeting einsetzte – also die zielgenaue, themenspezifische Wähleransprache-, indem er seine freiwilligen Helfer Millionen von Daten sammeln ließ. Während Microtargeting bei Google zu passenden Suchergebnissen und passender Werbung führt, sind es im politischen Bereich die auf die Einzelperson zugeschnittenen Spendenaufrufe und Themenansprachen. Intelligente Algorithmen helfen außerdem dabei, Voraussagen über das Spendenverhalten, die Wahlbeteiligung und das Engagement zu treffen und damit die Ansprache zu optimieren.

Nach 2008 werden auch in diesem Jahr wieder freiwillige Helfer von Obama rekrutiert, um Daten zu sammeln. Auf der Internetplattform call.barackobama.com kann sich quasi jeder im Auftrag von Obama als Telefonunterstützer betätigen. Dazu wird den Unterstützern vom System vollkommen automatisch die Telefonnummer eines potentiellen Wählers zugewiesen. Dieses Telefonat kann direkt auf der Internetseite dokumentiert werden. Auf diese Weise ist bereits im vergangenen Wahlkampf ein umfangreicher Datenberg entstanden, der Obama in diesem Wahljahr einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gegenüber seinem Konkurrenten Mitt Romney verschafft hat.

Der gläserne Wähler

Doch nicht nur auf die selbsterhobenen Daten wird zurückgegriffen, sondern auch sogenannte Data-Mining-Dienstleister kommen zum Einsatz. Dadurch gelangen die Kampagnenstrategen an für ihre Zwecke sehr wertvolles Wissen darüber, was potentielle Wähler einkaufen, wo sie wohnen, welche Autos sie fahren, was sie lesen und womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen. Das Verknüpfen solcher kommerziellen Daten mit den eigenen Daten ist zwar auch in den USA nicht gern gesehen, aber scheinbar inzwischen gängige Praxis.

Die Wähleransprache hat sich also grundlegend verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen TV-Werbung und Postwurf-Aktionen alleine ausreichten. Vielmehr wird in immer stärkerem Maße versucht, die Wähler persönlich und möglichst individuell anzusprechen. Der gläserne Wähler ist in den USA also Realität geworden.

Dieser Artikel erschien zuerst bei politik-digital.de und ist Teil der Themenserie zur US-Wahl 2012.