Ein Teil des Exeriments – Das Bürgerforum 2011

Ein Erfahrungsbericht von Christoph Ziegeler

Als ich vor ca. 4 Wochen von einer unbekannten Nummer angerufen wurde, dachte ich erst, es sei nur wieder ein lästiger Werbeanruf. Schnell stellte sich aber heraus, dass es eine Einladung zur Teilnahme am Bürgerforum war. Da ich vor einigen Wochen davon in der Zeitung gelesen hatte und ich das Projekt sehr interessant fand, war ich umso erfreuter, dass ich tatsächlich eingeladen wurde.

Gestern war also die Auftaktveranstaltung. An 25 Orten in ganz Deutschland (Städte oder Landkreise) trafen sich ca. 400 Bürger aus den verschiedensten Altersgruppen um über 6 zentrale Themen zu diskutieren, Herausforderungen aufzuzeigen und Lösungsansätze zu generieren. Zuvor konnte man äußern in welchem Bereich man gerne mitmachen möchte (Demokratie und Mitbestimmung, Bildung, Demografie, Familiäre Lebensformen, Solidarität und Gerechtigkeit, Integration). Ich war in der Gruppe Demokratie und Mitbestimmung untergebracht. Mit ca. 40 weiteren Personen.

Der Ablauf:

Um 9:30 find der offizielle Teil an, den bei uns der Landrat Hermmann Luttmann (Landkreis Rotenburg/Wümme) mit einer kleinen Ansprache begann. Anschließen wurde das Projekt und der Ablauf erklärt. In den vergangen Jahren gab es bereits ähnliche Veranstaltungen, aber nur an einem zentralen Ort in Deutschland. Diese Größe des Projekts (ca. 10.000 Bürger in D) ist bisher beispiellos, und von daher ein wirkliches Experiment. Außerdem wurder erklärt was der Online-Redakteur (2 je Ausschuss) später zu tun hat. Dazu gab es ein kleines Mit- und Mutmach-Video.

Nach der Einführung gab es in einer Kaffeepause die Möglicheit sich kennenzulernen. Um 11.00 ging es mit einer Liveübertragung weiter in dem unser Bundespräsident Christian Wulff aus dem Standort Hof den aktiven Startpunkt gab. In einer 20 minütigen Ansprache, der eine Schweigeminute für die Opfer in Japan vorausging, machte er deutlich, dass es wichtig ist, sich konstruktiv mit einzubringen und forderte die Bürger heraus vom Wutbürger, zum Mutbürger zu werden.


Anschließend begann die erste aktive Runde. Je Ausschuss wurden 2 Redakteure bestimmt/gesucht (falls diese noch nicht feststanden) und je Tisch ein Tischgastgeber, der das Gespräch lenkt. Mit jeweils ca. 7 Leuten pro runden Tisch, wurden Herausforderungen gesammelt und die beiden wichtigsten herausgefiltert. Anschließend wurden in weiteren Runden ein Anliegen verdichtet, so das jeder Tisch ein konkretes Anliegen definiert hatte. Diese wurden auf Plaketen an eine Pinnwand gehängt und dann wurde darüber in dem Ausschuss mit Klebepunkten abgestimmt, welches das dringlichste Anliegen ist. (Zwischendurch gabs eine 1-stündige Mittagspause, die überraschend leckeres Essen bot!). Nachdem das Anliegen feststand, ging es darum einen Lösungvorschlag zu sammeln. Dies lief ähnlich ab. Es wurde pro Tisch ein Lösungsvorschlag erarbeitet und an die Pinwand geheftet. Die gesamte Gruppe konnte dann wieder die verschiedenen Lösungsansätze mit Klebepunkten bewerten und so ergaben sich max 4 Lösungsansätze.

In einer Endrunde wurden dann aus jedem der 6 Ausschüsse die Herausforderung vorgetragen und der/die Lösungsvorschlag/Vorschläge. Dieses Resultat ist gleichzeit der Startpunkt für die 2. Runde die jetzt im geschlossenen Bereich der Website www.buergerforum2011.de beginnt. Hier wird in den nächsten Wochen das Thema weiter diskutiert und kann dabei noch thematisch angepasst werden. Bis zum 14.5. muss dann EIN Lösungsansatz regional feststehen. Im weiteren Verlauf werden aus allen 25 Standorten die Themen online zur Abstimmungen freigegeben. Am 28. Mai steht dann pro Ausschuss eine Herausforderung und ein Lösungsansatz fest. In einer Abschlussveranstaltung werden beide Ergebnisse dem Bundespräsidenten übergeben.

In unserer Gruppe wurde mehrheitlich beklagt, dass Politik oftmals nicht Transparent ist und das Klüngeleien und der Lobbyismus zu Frust bei den Bürgern führt. Politik muss es schaffen die Sache zu sehen, nicht die Partei oder Person. Somit war unsere Forderung, dass eine Möglichkeit geschaffen werden muss den Bürger rechtzeit bei Projekten mit ins Boot zu holen und die Kommunikation zu verbessern. Dies könnte mit einer Bürgerkommunikations-Plattform im Medien-Mix passieren (Web, Radio, TV, Zeitung).

Ich fand die Veranstaltung insgesamt sehr gut. Allerdings hätte man diese etwas kürzer fassen können von 9:30 bis 18.00 Uhr ist schon reichlich lange. Dankbar bin ich auch für interessante Kontakte und gute Gespräche in den Pausen. Ich denke man müsste sowas regelmäßig machen, denn das Ergebniss ist viel konstruktiver als einfach mal auf einer DEMO mitzumachen. Außerdem kann man so herausfinden, ob man sich vielleicht in der Politik engangieren möchte.

Ich freue mich auf die weiteren Abschnitte und bin gespannt, was am Ende dabei heraus kommt und ob dies dann tatsächlich was bewegen kann.

Der digitalisierte Kandidat

Kaum eine Woche nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler wurde heute mit Lukrezia Jochimsen die letzte Kandidatin für das Bundespräsidialamt vorgestellt. Am 30. Juni wird die von der Linkspartei nominierte Jochimsen neben Christian Wulff (CDU, CSU & FDP) und Joachim Gauck (SPD & Bündnis90/Die Grünen) zur Wahl stehen. Also Zeit einmal einen Blick ins Netz zu werfen.

Die vorgezogene Bundespräsidentenwahl wird – was das Internet angeht – neue Maßstäbe setzen, das ist bereits jetzt klar. So wird vor allem Joachim Gauck seit einigen Tagen von einer Unterstützerwelle im Netz getragen. Etliche Webangebote sind entstanden die mit dem Kandidaten von SPD und Bündnis90/Die Grünen symphatisieren. Doch auch mit seinem eigenen Webauftritt nimmt Gauck derzeit eine Vorreiterrolle ein. So ist unter joachim-gauck.de bereits ein umfangreicher Webauftritt zu finden.

Bei Christian Wulff (christian-wulff.de) herrscht derweil noch gähnende Langeweile. Nahezu nichts weist auf seine Kandidatur hin.

Lukrezia Jochimsen (lukrezia-jochimsen.de) hingegen hat auf ihrer Abgeordnetenwebsite bereits eine ausführliche Stellungnahme zu ihrer Kandidatur abgegeben.

Doch  durch die Unterstützerbekundungen im Internet hat besonder Gauck in den letzten Tagen von sich reden gemacht. So bekennen sich bei Facebook inzwischen 17.693 Unstützer zu Gauck, während Christian Wulff gerade einmal 1.094 Unterstützer finden konnte.

Und auch ansonsten setzen die Gauck-Unterstützer ganz klar die Maßstäbe:


http://der-gute-tweet.de/mygauck/


http://www.mein-praesident.de/


http://www.wir-fuer-gauck.de/


http://buerger-fuer-gauck.de/

Es bleibt also abzuwarten was bis zur Wahl am 30. Juni noch alles passieren wird. Doch auch auf die Bundesversammlung selbst kann man nicht ganz ungespannt sein. Vielen ist schließlich noch die Bundespräsidentenwahl aus dem vergangenen Jahr im Gedächtnis. Damals hatte Twitter zum ersten Mal breite Medienaufmerksamkeit in Deutschland erreicht, da das Ergebnis des ersten und einzigen Wahlgangs, bereits 15 Minuten vor der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses, von Mitgliedern der Bundesversammlung getwittert wurde. [Mehr zu diesem Thema ist übrigens in meiner Bachelor-Thesis zu finden.]

Endstation Bundespräsident?

Ursula von der Leyen scheint aus dem Rennen um die Nachfolge von Horst Köhler als BundespräsidentIn – der neue Name im Spiel ist Christian Wulff. Der niedersächsische Ministerpräsident wird beispielsweise von der Tagesschau oder von ZEIT Online als heißer Kandidat gehandelt. Dabei ist interessant, dass Wulff auch immer wieder als Kanzlerkandidat in Wartestellung gehandelt worden war, für eine Zeit nach Merkel rechnete man ihm einige Chancen aus. Muss er diesen Wunsch nun beerdigen?

In jedem Fall wäre Christian Wulff der jüngste Bundespräsident, den Deutschland jemals gehabt hätte. Das Amt scheint bisher eher für ältere Politiker am Ende ihrer Karriere anziehend gewesen zu sein, gewissermaßen die Krönung politischer Erfolge. Theodor Heuss war 65, Heinrich Lübke ebenfalls. Gustav Heinemann war mit 70 der bei seiner Amtseinführung älteste Bundespräsident und einzig Walter Scheel mit seinen 55 Jahren war noch recht jung. Aber auch er hatte schon politische Erfolge zu verzeichnen, war Minister und sogar geschäftsführender Bundeskanzler gewesen – wenn auch nur für 9 Tage.

Christian Wulff wäre bei seiner Wahl 52 Jahre alt, sein Geburtstag ist in etwas mehr als zwei Wochen. Und seine Chancen stehen nicht schlecht, wie er auch selbst weiß. Die Tagesschau zitiert ihn mit dem Satz:

Wulff selbst äußerte sich ausweichend zu seinen Chancen. Er fühle sich als Ministerpräsident wohl – „vielleicht weiß ich ja heute Abend mehr.“

Damit könnten sich interessante Perspektiven aufzeigen. Bisher wurde den Bundespräsidenten immer eine etwas langsame Eingewöhnungsphase zugestanden, in der sie immer weiter in das Amt wuchsen und sich der Kompetenzen und Möglichkeiten der Rolle bewusst wurden. Oft waren es auch ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen, die in ihrer Amtszeit an Klarheit und Kraft gewannen. Mit Christian Wulff als solch jungem und beliebten Politiker könnte sich da eine ganz neue Frage stellen: Gibt es eine Karriere nach dem Bundespräsidialamt? Kann ein ehemaliger Bundespräsident sogar noch einmal Kanzler werden.

Für Angela Merkel wäre ein Präsident Wulff jedenfalls noch lange nicht ungefährlich.

Bild: © Martina NolteCreative Commons BY-SA-3.0 de

Zwischen Wiederwahl und Gegenkandidatur

koehlergrossHorst Köhler ist zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt worden. Im ersten Wahlgang erreicht er genau die nötigen 613 Stimmen der Bundesversammlung. Seine Herausforderin Gesine Schwan brachte es als SPD-Kandidatin nur auf 503 Stimmen. Einige Gedanken zur Präsidentschaftswahl.

Köhler ist ein ebenso beliebter wie wandlungsfähiger Präsident. Viel zitiert wurde seine Wandlung vom neoliberalen Marktradikalen zum Heuschrecken kritisierenden Mahner für mehr soziales in der Marktwirtschaft. 72% der Deutschen bevorzugten ihn wohl auch auf Grund dieser lauten Kritik als Bundespräsidenten, verraten die Zahlen des Politbarometers.

Professor Langguth sieht in der köhlerschen Wandlung wankelmütige Selbstzweifel, vergisst dabei aber offensichtlich, dass auch Lernfähigkeit zu den positiven Charaktereigenschaften gehört, die man sich vielfach bei Politikern wünscht. Köhler selbst sagte in seiner Dankesrede über sich: „Je älter ich werde, desto neugieriger werde ich.“

In der Vorberichterstattung von phoenix waren dann auch einige sozialdemokratische Wahlmänner zu hören, die ihren Respekt vor Köhlers Amtsführung nicht ganz unterdrücken konnten. Renate Künast hat natürlich Recht, wenn sie sagt, Demokratie lebe auch von den Wahlmöglichkeiten. Doch fand Gesine Schwan bei ihrer zweiten Kandidatur noch weniger Unterstützer in den eigenen Reihen, als bei ihrer ersten. Viele SPDler hätten wohl auch wenig Probleme damit gehabt, eine Wiederwahl Horst Köhlers mitzutragen. Eine so schwache, halbherzige Gegenkandidatur wird der SPD noch Schaden können.

Dennoch hatte der nicht als Wahlkampf zu bezeichnende Wahlkampf auch seine guten Seiten, denn er erzeugte Aufmerksamkeit und Interesse in der Bevölkerung. Das stärkt das Amt des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin, ob er nun Köhler heißt oder Gesine Schwan sich hätte durchsetzen können.

Horst Köhler hat eine herausfordernde zweite Amtszeit vor sich, in der auch sein Verhältnis zur parlamentarischen Politik auf dem Prüfstand stehen wird. Seine in der vergangenen Periode geäußerte pauschale Kritik an „den Politikern“ ist nicht überall auf Gegenliebe gestoßen, ebenso wie seine differenzierte Kritik an den eigenen Reihen. Wenn Köhler es schafft, sich noch persönlicher und weniger blass darzustellen, kann auch er wie seine Vorgänger als Bundespräsident das Amt weiter entwickeln und definieren.

Bild: flickr bertelsmannstiftung

Das Nummernschild D-1

Offen und unbequem - Flickr ♫ Marco Wehe ♫Horst Köhler ist Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Noch vor 10 Jahren hätte das vermutlich niemand für möglich gehalten. Und schon gar niemand hätte es ins Bereich des Möglichen gerückt, wie dieser Bundespräsident sein Amt ausübt.

Offen und notfalls unbequem, so wollte der Schwabe seine Amtsausübung gestalten. Und in der Tat, als „unbequem“ dürfte ihn so mancher Politiker in Deutschland bezeichnen. Zwei Gesetze zurück gewiesen, nicht nur die anderen sondern auch die eigene Partei stark kritisiert – und dabei war er nicht mal Wunschkandidat; Die unscheinbare Gegenkandidatin Gesine Schwan hätte eventuell gegen Wolfgang Schäuble antreten müssen.

Und nun rückt der Mai näher, an dessen 23. sich der erste Mann im Staat erklären möchte: Steht Horst Köhler für eine zweite Amtszeit zur Verfügung? Guido Westerwelle hatte schon den Anfang gemacht, parteiübergreifende Zustimmung für diesen Vorschlag lies sich schnell finden.

Und auch der Souverän dieses Landes, das Volk, scheint große Sympathien für den manchmal als „Sparkassendirektor“ abgekanzelten Wirtschaftsfachmann zu haben. 73% der Deutschen, so N24 [via SpON], wünschen sich, dass Köhler im Amt bleibt. Und fast noch schmeichelhafter: Für 59 Prozent der Befragten ist Horst Köhler ein Bundespräsident, der neue Ideen anstoße, Diskussionen in der Gesellschaft entfache und vorantreibe.

D1 - flickr ♫ Marco Wehe ♫Und so scheint es nur noch am jetzigen Passagier zu liegen, ob der Fahrer des Wagens mit der Nummer D-1 in Zukunft den gleichen Fahrgast befördert.