Die Hessenpartei und ihre Ostereier

Mit einem Paukenschlag wollte die hessische CDU zum Vorreiter in der hiesigen politischen Internetbespielung werden. Eine neue Seite wurde präsentiert, die wirklich gestalterisch ein gewaltiger Sprung nach vorne ist. Eine große Bilderbühne prägt die neue Startseite und die dort platzierten Motive werden wohl nicht immer so albern aussehen wie zu Ostern. Auch weiter präsentiert sich die Seite aufgeräumt, die Textwüsten der vergangenen Jahre scheinen nun auch bei der Hessen-CDU out zu sein. Die Seiten für Programme und Köpfe wurden wie wild zusammengestrichen und verkleinert und sind daher richtig gut zu lesen.

Bei der Gestaltung selbst fällt sicherlich die Frische auf, alles wirkt lebendiger und entstaubter, mindestens 20 Jahre jünger. Die neue Internetseite scheint sozusagen das „Peter Beuth“-Projekt zu sein. Aber bei einer so großen Verjüngung bleibt manchesmal die Identität mit auf der Strecke – da muss das Design von Plakaten, Faltblättern und Dutzenden anderer Veröffentlichungen der hessischen CDU erstmal nachziehen. Sonst bleibt es nur bei den Ankündigungen, „Vorreiter in Sachen Politik und Netz zu werden“ (Beuth). Dazu gehört übrigens auch ein neuer Werkzeugkasten namens „Eine Partei ein Netzwerk„, dessen inhaltlich luftleerer Name ebenso wenig über seine Funktion aufklären kann wie sein Internetauftritt. Homepage-Baukasten sind doch wohl nicht der Gipfel neuer Politikwerkzeuge im Internet?

Den großartigen Auftritt jedenfalls ruinierte sich die hessische CDU gleich selbst – mit dem österlichen „Schwulengate“. Pitt von Bebenburg berichtet in der FR:

Ein Osterhase begrüßt die Nutzer der neuen CDU-Homepage und lehnt lässig an einem Osterei. Generalsekretär Peter Beuth sagte zum Start des Projekts: „Wir haben uns ganz unbescheiden vorgenommen, Vorreiter in Sachen Politik im Netz zu werden.“ Doch mit ihrem neuen Internet-Auftritt legte sich die Partei erst einmal selbst ein Ei ins Nest.

Die organisierten Lesben und Schwulen in der CDU ärgerten sich über die neue Homepage. Ihr Verband, die LSU („Lesben und Schwule in der Union“), war zunächst nicht mehr aufgeführt. Am Dienstag wurde das nachgeholt.

Doch damit nicht genug, der Opposition war auch ein Weiteres ein Dorn im Auge. Kai Klose schrieb auf  Twitter:

Bei Hessens Union herrschen Staatspartei-Allüren wie weiland in der DDR: www.hessen-partei.de #hlt #cdu

Und in der Tat scheint die babylonische Domain-Verwirrung immer noch ein politisches Alleinstellunsgmerkmal zu sein. Während die SPD im vergangenen Bundestagswahlkampf mit annähernd 20 Domains für alle möglichen und unmöglichen Anlässen protzen wollte, schafft die hessische CDU ganz ohne Not eine weitere Domain. Ob man in Zukunft die bayerisch anmutende Hybris, sich als einzige Partei des ganzen Landes zu sehen, gar für Werbekampagnen benutzen möchte, oder ob man nur die Serverlandschaft nicht mit einem großen Ruck umstellen wollte – er hätte glücklicher laufen können, der Relaunch von cdu-hessen.de.

Plakate zur NRW-Wahl 2010

von Achim Schaffrinna

Die Landtagswahl am 09. Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen sorgt für großes Interesse seitens der Medien. Verliert die schwarz-gelbe Regierung unter Rüttgers in 4 Wochen ihre Mehrheit, wonach es derzeit laut Wahlforschungsinstitute aussieht, ändert sich auch das Mehrheitsverhältnis im Bundesrat. Die Bürger in NRW wählen also nicht nur ihre zukünftige Landesregierung, ihre Stimme wirkt sich auch direkt auf die Bundespolitik aus, was ja eigentlich die beste Voraussetzung für eine hohe Wahlbeteiligung sein sollte.

Aus diesem Grund habe ich mir einmal angeschaut, wie es um die Mobilisierung der Wähler mit Hilfe der jeweiligen Werbekampagne respektive der Wahlplakate bestellt ist.

CDU

„NRW muss stabil bleiben“, mit dieser Aussage geht die CDU in den Wahlkampf. Wenig stabil ist zumindest die Gestaltung der Wahlplakate, denn auffällig ist die Unterschiedlichkeit von Großplakat und Themenplakat schon. Während Ministerpräsident Rüttgers grobkörnig in schwarzweiß und durchaus fotografisch gekonnt in Szene gesetzt wird, sind die Themenplakate allesamt blau gehalten. Auch zwei unterschiedliche Absender zieren jeweils am unteren rechten Bildrand die Plakate. Man fragt sich, ob die Verantwortlichen tatsächlich aus Gründen der Gestaltung die NRW-Farben Grün-Weiß-Rot auf dem Großplakat gestrichen haben. Oder wollte man gar die Kosten für die dritte Farbe beim Druck einsparen? Kaum vorstellbar. Die Plakate sehen jedenfalls aus, als stammten sie von unterschiedlichen Agenturen. Wieso muss ich bei den blauen CDU-Plakaten eigentlich ständig an Wick denken? Seis drum.

Stabiler ist die Gestaltung in Bezug auf die Typographie, denn hier kommt die Hausschrift „Kievit“ zum Einsatz. Beständig ist die CDU auch in Bezug auf die verwendeten Schlagwörter. „Arbeit. Kinder. Sicherheit.“ Darauf ist Verlass.

SPD

Hannelore Kraft ist als Spitzenkandidatin im Einsatz für die SPD, drum sieht man sie auf Plakaten. Bemerkenswert ist bei der Kampagne der SPD der Umgang mit Farben. So bunt sah man die SPD wohl noch nie. Wenn die SPD so viele Stimmen erhalten würde, wie sie Farben in ihrer Kampagne verwendet, gewänne sie die absolute Mehrheit. Stimmenjagd mit dem Farbfächer. Wenns so einfach wäre. Die Wirksamkeit von Wahlplakaten ist kaum messbar. Weder lässt sich benennen, ob oder welchen Einfluss sie auf ein Wahlergebnis ausüben, noch lässt sich herausfinden, ob beispielsweise ein gut gestaltetes Plakat mehr Wähler zu mobilisieren im Stande vermag, als ein mieses Design.

Zumindest machen die SPD-Plakate die Straßenzüge bunter. Handwerklich kann man den Plakaten nichts ankreiden. Die Hausschrift Thesis macht in kurzen Sätzen ihren Job. War der SPD-Würfel zur Bundestagswahl rechts oben positioniert, sitzt er diesmal einheitlich auf der linken Seite. Ein Schelm, wer darin eine Koalitionsaussage zu erkennen glaubt.

Mit einem schräg gesetzten weißen “Störer“ wird (erstmals?) ein neues Gestaltungselement genutzt. Der jeweils erste Begriff einer Aussage wird mit Hilfe der weißen, schattierten Fläche besonders hervor gehoben. Auf einem der Plakate heißt es: „Sicherheit Für ein NRW ohne Atomkraft“. Wohl ein Flüchtigkeitsfehler, denn ansonsten werden alle anderen Sätze klein weiter geschrieben. Gewagt bunt. Wer gestalterische Vielfalt sucht, kommt in NRW mit der SPD auf seine Kosten.

Wer will, kann der SPD ein Wahlplakat spenden.

Die Grünen

Vergleichende Werbung in der Politik ist zumindest unterhaltsam. Zuletzt sorgte die SPD mit ihren Motiven zur Europawahl für Aufregung, mit denen man den politischen Gegner anging. Weniger der brillante Illustrationsstil war es, der bei vielen Menschen für Verstimmung sorgte, sondern vielmehr der politische Stil. Das Unterstellen der Fehler Anderer ist einfach weniger elegant, als die Hervorhebung eigener Stärken. Nun schlagen die Grünen in NRW in die gleiche Kerbe. Einige der Themenmotive sind als Vorwurf an die amtierende Landesregierung konzipiert. Mit einer Aussage wie: „A, B, CDU UND RAUS BIST DU“, gesetzt in Versalien und in der Hausschrift „Benton Sans Condensed“, übt man sich in Zynismus, wohl mit einem Augenzwinkern.

“MACHT MEHR MÖGLICH” ist das Motto der Kampagne, in der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann ohne eigenes Motiv auskommen muss. Anders als die Plakate zur Bundestagswahl mit ihrem Airbrush-Look, erscheinen die NRW-Motive “cleaner”; zwar nicht langweilig aber doch gewöhnlicher. Die dargestellte Form der Verquickung der Themen “Arbeit” und “Natur”, erscheint mir ein cleverer Zug zu sein. Was sich bei einem Firmenlogo fast schon verbietet – gemeint ist das Ersetzen eines Buchstabens, in diesem Beispiel ein “A”, durch eine Bildmarke –, ist in diesem Fall eine „gute Gestaltung“, weil es nämlich zwei komplexe Themen leicht verständlich und vor allem schnell zu einem Lösungsansatz verdichtet. Gerade Wahlplakat müssen bedarfsgerecht aufbereitet sein, sprich die Botschaft muss in 3 Sekunden ihren Rezipienten gefunden haben. Darüber hinaus sind die Plakate der Grünen handwerklich solide.

Auch bei den Grünen kann man “Mein Plakat” erstellen, ein Trend mit dem man offensichtlich den Plakatmixern, die zugegebenermaßen eher die Konservativen auf dem Kieker haben, den Wind aus dem Segel nehmen möchte.

FDP

Aufstieg im Aufsteigerland NRW. Geht es nur mir so? Die Verwendung des Begriffs „Aufstieg“ klingt in meinen Ohren wie ein Bekenntnis zur Bewahrung einer Klassengesellschaft. Dort wo jemand aufsteigt, muss irgend wer anders ab- oder aussteigen. Das ist im Beruf so und auch in der Fußball Bundesliga sorgt dieses Prinzip für Bewegung. Wäre ja noch schöner, wenn alle oben mitspielen könnten. Sicherlich bleibe ich an diesem Begriff auch deshalb kleben, weil die Gestaltung recht wenig Angriffsfläche bietet. Zwischen der typisch liberalen gestalterischen Schonkost fällt lediglich eine diffuse Form im Absender auf. Der Umriss von Nordrhein-Westfalen macht stilistisch auf Expo-2000-Logo. Ansonsten gibt es mit blauer Schrift auf gelber Fläche keine Überraschungen. Die FDP steht für Kontinuität, denn die Gestaltung ist kontinuierlich langweilig.

Fazit

Design spielt in Bezug auf den Wahlausgang keine Rolle. Anders ist der Erfolg der FDP bei der Bundestagswahl 2009 nicht zu erklären, waren die Plakate der Liberalen doch durchweg miserabel. Auch wenn kein Wahlplakat es jemals zu einem Effi bringen wird, ist es immer wieder spannend, sich mit den unterschiedlichen Wahlplakaten und ihrer Gestaltung zu beschäftigen, da sie als Zeitzeugnis die Befindlichkeiten der Gesellschaften dokumentieren.

Aufsehenerregend ist keine der hier vorgestellten Kampagnen. Die poppigsten Motive steuern diesmal nicht die Grünen, sondern die SPD bei. Die Gestaltung bei der CDU wirkt eher „unstabil“ und seltsam zweigleisig. Bin mal gespannt, ob die Seitenhiebe der Grünen auf die Landesregierung von den Bürgern als charmant oder doch eher unverschämt eingestuft werden. Und natürlich werde ich die Wahl in meiner alten Heimat aufmerksam verfolgen.

Die Plakate der PDS hätte ich auch gerne vorgestellt, wenn denn die Kampagnenmotive auf der Website der NRW-Die Linke eingestellt gewesen wären oder deren Presseabteilung geantwortet hätte.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Designtagebuch, wo sich auch Detailgalerien der Motive finden lassen. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Zwischenstand zur Landtagswahl: Die CDU Onlinekampagne

von Andreas Jungherr

Während des Politcamp 2010 in Berlin präsentierte ich am 21. März den aktuellen Zwischenstand der CDU Onlinekampagne zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010. Dies ist eine ausformulierte und leicht erweiterte Version meiner Präsentation.

Die CDU Onlinekampagne für die Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen: Ein Zwischenstand

Nach den guten Erfahrungen mit Onlineunterstützerteams im Hessenwahlkampf wird auch in NRW der Großteil der Onlineaktivitäten von einem freiwilligen Unterstützerteam organisiert. Die Lektionen des hessischen webcamp09 sind die Basis für das NRW Onlineunterstützerteam NRW für Rüttgers. Ausführlichere Informationen zum webcamp09 finden sich in dieser Präsentation die Alexander Kurz [@alexander_kurz] während des Politcamp 2009 hielt und in einem Report der Kampagnenpraxis.

NRW für Rüttgers ist Mittelpunkt

Die Internetseite NRW für Rüttgers bildet das Rückgrat der Onlinekampagne. Hier werden unsere verschiedenen Kommunikationskanäle gebündelt. Hier bloggen freiwillige Unterstützer zum Beispiel von Veranstaltungen, oder stellen kampagnenbegleitende Materialien zur Verfügung. Zusätzlich binden wir auf dieser Webseite Videos ein, die im Laufe der Kampagne erstellt wurden. Eine Sammlung aller von uns für die Kampagne erstellten Videos finden sich im YouTube Kanal von NRW für Rüttgers. Die dort gesammelten Videos sind fast ausschließlich von Freiwilligen produziert. Eine Ausnahme stellt die Vorstellung des Freiwilligen-Teams dar.

Bisher lassen sich die Videos überwiegend drei Themengruppen zuordnen. Die für deutsche Onlinekampagnen wahrscheinlich am innovativsten Videos sind regelmäßige direkte Videobotschaften des Generalsekretärs der CDU Nordrhein-Westfalens Andreas Krautscheid. In diesen Videobotschaften stellte er sich seinen Unterstützern vor, reagierte spontan auf tagesaktuelle Entwicklungen, oder rief zu thematischen Aktionen auf.

Ein anderes viel genutztes Format ist die Vox Populi. In diesen von Freiwilligen konzipierten, gedrehten und geschnittenen Videos werden Menschen aus Nordrhein-Westfalen auf der Straße zu ihrer Meinung zu tagesaktuellen Themen gefragt.

Zusätzlich begleiten wir mit Videos klassische politische Veranstaltungen. Über diesen von dem Untersützerteam NRW für Rüttgers genutzten YouTube Kanal gibt es einen YouTube Kanal der CDU Nordrhein-Westfalen auf dem von CDU NRW-TV produzierte Videos präsentiert werden.

Facebook und Twitter gegen VZ-Netzwerke

Wurde noch in der Kampagne zur Bundestagswahl 2009 von der CDU große Aufmerksamkeit auf die Erstellung und den Betrieb der teAM 2009 Online-Community gelegt, so werden viele dieser Funktionen in der Onlinekampagne zur Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen durch die Nutzung von Facebook sicher gestellt. Zentrum unserer Aktivitäten auf Facebook ist das von uns betriebene Facebook Fanprofil für Jürgen Rüttgers, das mit der Unterstützerseite NRW für Rüttgers verknüft ist. Zusätzlich hierzu ist die CDU Nordrhein Westfalen auch mit einem weiteren Fanprofil auf Facebook vertreten.

Ein weiterer Unterschied zur Bundeskampagne liegt in unserer Nutzung der VZ-Netzwerke. Während die Bundeskampagne noch grosse Energie auf Aktionen um das Edelprofil der Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendete, so betreiben wir zwar ein Edelprofil für Jürgen Rüttgers, fokussieren unsere Aktivitäten jedoch auf Facebook.

Zusätzlich hierzu nutzt die Kampagne auch Twitter mit dem Account @NRWRuettgers: Auf diesem Account twittern die Unterstützer Ulrich Gelsen #ug [@gelsen], David J. Ludwigs #dl [@cronenbuerger] und Florian Braun #fb [@flobraun]. Um der Unpersönlichkeit eines Teamfeeds zu entgehen nutzen wir eindeutig zugewiesene Hashtags, so dass zu jeder Zeit nachvollziehbar ist welcher der Autoren gerade twittert. Über den Twitter Account @NRWRuettgers twittert das Unterstützteam von Veranstaltungen, von der täglichen Arbeit und antwortet auf Anfragen.

Interaktion ist auf jedem Kanal wichtig

Generell ist uns die Interaktion um unsere Beiträge gleich auf welchem Kanal sehr wichtig. Auch wenn manchem die Zeit von dem posten eines Kommentars und seiner Freischaltung etwas zu lange dauert wir freuen uns über Kommentare und Aktivität um unsere Beiträge. Zeigt dies doch, dass wir mit unserem Angebot auf Interesse stossen und Debatten auslösen.

Die oben beschriebenen Elemente der Onlinekampagne sind für uns zur Zeit die wichtigsten Bausteine, auf die wir den Großteil unserer Aufmerksamkeit konzentrieren. Zusätzlich zu diesen Onlineangeboten findet die Kampagne aber auch auf anderen Onlinekanälen statt: Flickr, CDU Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers und CDU NRW/Blog.

Für eine Diskussion weiterer Aspekte der Onlinekampagnen zur Landtagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalen haben Oliver Zeisberger für die SPD und ich für die CDU im Westen ein Interview gegeben. Dieses Interview ist eine gute Ergänzung zu dieser Beschreibung unserer Kampagnenelementen.

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Andreas Jungherr berät die
Onlinekampagne der CDU Nordrhein-Westfalen. Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog des Autors und dem Blog der CDU NRW. Wir danken für die freundliche Erlaubnis zur Drittveröffentlichung.

Soziale Medien: Nützlich nur aus der Opposition?

von Axel Bruns

Barack Obamas Kampagne für Primaries und Präsidentschaft wird weithin als Sternstunde der Nutzung sozialer Medien im Wahlkampf angesehen – auch wenn Obamas Team selbst natürlich so einiges von Howard Deans Primary-Kampagne 2004 abgeschaut hat. Ein gemeinsamer Faktor in beiden Kampagnen ist dabei, daß sich sowohl Dean als auch Obama als Erneuerer und Underdogs (sogar in ihrer eigenen Partei) präsentieren konnten. Soziale Medien erlaubten es Obama, zu einer Zeit Unterstützer zu werben, in der die meisten Kommentatoren für seine Kampagne noch keine großen Chancen sahen, und dann mit Hilfe dieser ersten Fans auf my.barackobama.com eine breite Massenbewegung aufzubauen.

Auch andere Politiker – übrigens sowohl im konservativen wie auch progressiven Lager – haben sich mittlerweile auf diese Weise der sozialen medien bedient; wie auch Obama hat z.B. der britische Tory-Herausforderer David Cameron über sein Videoblog Webcameron eine Langzeitstrategie verfolgt, die darauf gerichtet war, ihn als verläßliche und nicht allzu extrem neokonservative Alternative zu Gordon Brown zu präsentieren. Hier in Australien, wo ich arbeite, spulte die Labor Party im Wahljahr 2007 eine äußerst erfolgreiche Kampagne ab, in der besonders auch die Webpräsenz von Oppositionsführer Kevin Rudd auf seiner Kampagnenwebseite Kevin07 eine wichtige Rolle spielte – nicht zuletzt auch dadurch, daß sie die erzkonservative Regierung unter John Howard dazu nötigte, auf YouTube selbst einige (eher hilflos anmutende) Web-2.0-Experimente zu machen. Diese Videos – eines machte den Faux Pas, ein Video mit den Worten „Good Morning“ zu beginnen, ein anderes verkündete eine recht unmotivierte $500.000-Initiative zur Schützung von Orang-Utans in Indonesien – trugen nur weiter dazu bei, Howard als steif und senil hinzustellen.

Derlei Präzedenzfälle legen natürlich die Frage nahe, ob soziale Medien immer eher ein Werkzeug der Herausforderer sein werden, oder wie weit auch amtierende Landesväter und -mütter aus ihnen Nutzen ziehen können. (Zudem muß übrigens auch darauf hingewiesen werden, daß sich die recht überschaubaren Zwei-Lager-Systeme in den USA, Großbritannien und Australien nicht unbedingt direkt mit der besonders derzeit deutlich komplexeren Gemengelage zwischen den verschiedenen Ex- und Möchtegern-Volksparteien in Deutschland und auch in vielen anderen europäischen Staaten vergleichen lassen.) Was sich dabei in den verschiedenen für den Wahlkampf benutzten Web-2.0-Plattformen selbst tut, ist dabei womöglich nicht einmal immer ganz so wichtig wie die Tatsache an sich, daß diese Plattformen überhaupt genutzt werden: zumindestens für die Underdogs und Herausforderer mag die Nutzung alleine schon Grund genug sein, sich dem Amtsinhaber als innovativ und zukunftsfreundlich gegenüberzustellen; die amtierende Regierung selbst mag dagegen herausstellen wollen, daß sie erfahren und verläßlich ist und eben nicht jedem Trend hinterherläuft.

Andererseits wird natürlich heutzutage besonders den Inkumbenten ein völliges Fehlen jeglicher Onlinepräsenz, oder eine eher langweilig gestaltete Webseite, als Zeichen von Überalterung und Behäbigkeit angerechnet werden. Mit anderen Worten: eine zu aggressive Onlinestrategie mag dem Amtsinhaber mehr Ärger als Freude bereiten; eine zu laue Präsenz aber ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, weil sie alle Vorurteile gegen ‚die da oben‘ bestätigt – was tun?

Es ist wohl kaum zu erwarten, daß eine wirklich überzeugende Antwort auf diese Frage aus den Niederungen deutscher Landtagswahlkämpfe erwächst; wir werden wohl bis 2012 warten müssen, wenn Barack Obama zur Wiederwahl gegen das republikanische Dream Team aus Sarah Palin und Glenn Beck antritt und dabei seine geschätzten 13 Millionen Unterstützer auf my.barackobama.com zu reaktivieren versucht. In NRW etwa ist der in letzter Zeit ja arg gebeutelte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit Sicherheit nicht in auch nur annähernd vergleichbarer Position – aber sehen wir uns dennoch einmal an, was die Landes-CDU online so anzubieten hat.

Zunächst einmal fällt dabei (über das „italienische Eisdiele“-Logo hinaus) auf der NRW für Rüttgers-Webseite auf, daß – wie branchenüblich – ein CDU-Branding völlig fehlt; die Webseite wird mit anderen Worten für Unterstützung für Rüttgers als Person, nicht als CDU-Politiker. Dieser Eindruck wird allerdings recht schnell dadurch untergraben, daß einer der letzten Beiträge ein großflächiges Bild des Wahlkampfplakats mitsamt CDU-Logo beinhaltet, und in einem zweiten das Logo nur durch CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheids Körper verdeckt wird. Ohnehin stellt sich hier natürlich die Frage, ob es in NRW überhaupt noch einen Wähler geben mag, der Rüttgers nicht automatisch mit der CDU in Verbindung bringen würde. Aus der Opposition mag es ja sinnvoll sein, die Spitzenkandidaten als Personen statt als Parteipolitiker herauszustellen, um so Wechselwähler zu werden, die zwar eigentlich eine bestimmte Partei nicht wählen würden, aber von der Person überzeugt sind – ob das aber bei einem amtierenden Ministerpräsidenten auch funktionieren kann, muß doch deutlich bezweifelt werden.

Darüberhinaus ist es das erklärte Ziel von NRW für Rüttgers, als Unterstützerportal für den Kandidaten zu fungieren; viel davon zu sehen ist auf Anhieb allerdings nicht. Die auf der Hauptseite zu sehenden Inhalte sind allesamt offizieller Natur und lesen sich nicht sonderlich anders als Pressemitteilungen. Die Kurzstatements von Unterstützern („Ich unterstütze Jürgen Rüttgers, weil er Wirtschaft und Soziales vereint!“) weisen durch nichts darauf hin, daß sie einer anderen Quelle entstammen als den Tastaturen eines PR-Büros – zwar sind sie mit Fotos ihrer angeblichen Urheber versehen, aber es gibt keine Möglichkeit für Besucher, sich zum Profil der Autoren durchzuklicken und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Als möglicher Unterstützer müßte ich erst mein eigenes Profil erstellen, bevor ich sehen kann, ob es im eigentlichen Community-Teil der Webseite interessanter zugeht als auf einem Kaffeekränzchen der Jungen Union.

Wie die Webseite auf diese Weise erfolgreich Unterstützer werben und diese dazu ermuntern will, für Jürgen Rüttgers Wahlkampf zu machen, bleibt daher eher unklar. Eine echte Nutzung sozialer Medien für virales Marketing sieht deutlich anders aus: hier werden den Nutzern freigebig und ohne große Beschränkungen vielfältige Materialien zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe sie auf eigene Faust für bestimmte Produkte oder Parteien Stimmung machen können. Zwar geht dabei notwendigerweise einiges an ‚Message Control‘ verloren, und die eigenen Materialien mögen mitunter auch für Parodien zweckentfremdet werden – einer der besten YouTube-Spots im australischen Wahlkampf 2007 war z.B. ein Video, das Kevin Rudd in Anspielung auf seine Mandarin-Sprachkenntnisse im Stile eines chinesischen Propagandafilms präsentierte –, aber auch hier gilt meist das alte Maxim „any publicity is good publicity“.

Nicht zuletzt aber bedeutet die Nutzung sozialer Medien im Wahlkampf auch ein recht transparentes Herangehen an die Wähler: potentielle Unterstützer können zumeist nur dann in größerer Zahl geworben werden, wenn sie intelligent angesprochen werden und ihnen einiges an Klarheit darüber gegeben wird, wen und was sie da nun eigentlich genau unterstützen werden. Kontroverse Themen und Programmpunkte müssen dabei offen diskutiert werden können – nicht unbedingt immer nur mit den Spitzenkandidaten, sondern auch mit anderen Unterstützern und den Mitgliedern des Kampa-Teams. Besonders hier mangelt es bei NRW für Rüttgers doch erheblich: die Urheber der Artikel auf der Hauptseite etwa bleiben allesamt anonym, und auch wenn es eine Kommentarfunktion gibt, ist sie offenbar noch nie benutzt worden (was doch recht unwahrscheinlich klingt). Sonderlich sozial ist diese Onlineplattform also nicht gerade.

Aber das ist am Ende vielleicht auch nicht der Zweck der Übung. Wirkliche Transparenz, wirkliche Diskussion ist wohl eher angebracht für diejenigen (Oppositions-)Parteien, die die Gunst der Wähler erst noch erwerben wollen und müssen, und weniger für solche, die sich in erster Linie ängstigen müssen, diese Gunst so langsam zu verlieren. NRW für Rüttgers sollte daher wohl vor allem als Defensivmaßnahme gesehen werden, deren Existenz alleine schon halbwegs als Argument hinhalten kann, daß auch der Amtsinhaber ‚Web 2.0 macht‘, die aber deshalb noch lange nicht soviel Spielraum erhält, wie nötig wäre, um wirklich mit konsultativen Politikmodellen zu experimentieren.

Die Webseite demonstriert also vor allem die Risikoscheue, die Inkumbenz mit sich bringt. Rüttgers hat wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren – ein warum auch immer aus dem Ruder laufendes Onlineexperiment könnte durchaus deutliche negative Folgen haben, eine eher lahme, allzu vorsichtige Onlinepräsenz dagegen macht wenigstens nicht die Pferde scheu, auch wenn sie nicht wirklich dazu beiträgt, neue Wähler zu werben. Das heißt im Umkehrschluß freilich nicht, daß die Websiten der Oppositionsparteien notwendigerweise die sozialen Medien effektiver nutzen; auch hier gibt es Einiges an Defiziten, und dabei sehr viel weniger gute Gründe, ein wenig Risiko einzugehen, um neue Unterstützer zu werben.

Am Wahlabend wird sich zeigen, ob die hier erkennbare CDU-Strategie, den Wählerschwund weitestmöglich zu begrenzen, statt über eine aggressivere Kampagne mit Hilfe der sozialen Medien neue Wähler zu werben, erfolgreich gewesen ist. Nun ist Jürgen Rüttgers natürlich ohnehin kein David Cameron oder Barack Obama – aber gerade weil Landeswahlkämpfe wie der in NRW so überaus durchschnittlicher sind als die großen Kämpfe um Präsidenten- und Premierministerposten ist es eigentlich hier statt in derlei Superlativkampagnen, daß wir die Zukunft des ‚normalen‘ Politikbetriebs zu sehen bekommen werden. Da sich NRW für Rüttgers dabei als insgesamt wenig innovativ herausgestellt hat, wird es daher wohl noch eine Weile dauern, bis klar wird, wieweit soziale Medien auch von bereits existierenden Amtsinhabern effektiv genutzt werden können, um ihre Mehrheiten zu halten oder sogar auszubauen.

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Dr. Axel Bruns (@snurb_dot_info) ist Associate Professor in der Creative-Industries-Fakultät an der Queensland University of Technology in Brisbane, Australia, und ein Chief Investigator im ARC Centre of Excellence for Creative Industries and Innovation (CCi). Er ist ein Experte für soziale Medien und Onlinejournalismus, und Autor der Bücher
Blogs, Wikipedia, Second Life and Beyond: From Production to Produsage (2008) und Gatewatching: Collaborative Online News Production (2005), und Herausgeber von Uses of Blogs, mit Joanne Jacobs (2006; alle bei Peter Lang, New York). Seine Webseite ist snurb.info, und er bloggt auch im Gruppenblog Gatewatching.org, mit Jason Wilson und Barry Saunders.

Versteckt eure Wahlprogramme

Am vergangenen Samstag hat mit der CDU auch die letzte der großen Parteien ihr Wahlprogramm für den Urnengang am 9. Mai beschlossen. Eigentlich wollten wir daher einen Blick auf die Inhalte der Agenden werfen. Doch auf dem Weg dorthin legen die Parteien ihren Bürgern so viele Steine in den Weg, dass dieser Artikel etwas anders aussehen muss. Wir geben die Wegbeschreibung, die die Parteien verweigern.

CDU mit kleinen Hinweisen

Als Nachzügler muss man den Konservativen wohl einen gewissen zeitlichen Bonus einrechnen. Doch ist es ja nicht so, dass man das Wahlprogramm noch gar nicht online gestellt hat. Man findet es nur nicht, wenn man sich auf www.cdu-nrw.de aufruft. Wenn man nicht unbedingt mit den parteiinternen Abläufen vertraut ist, wird man jedenfalls nicht das Wahlprogramm hinter dem großen Banner Nr. 3, auf dem der Landesparteitag präsentiert wird. Klickt man jedoch darauf, dann findet sich neben einer ellenlangen Presseerklärung ein kleiner Hinweis auf den „Beschluss des 31. Landesparteitags „Neue Sicherheit und Solidarität – Nordrhein-Westfalen 2020“ zum Download“ – auch bekannt als: das Wahlprogramm. Übrigens findet sich auch auf dem Unterstützernetzwerk „NRW für Rüttgers“, das einen umfassenden Live-Blog vom Landesparteitag führte, kein Link zum Wahlprogramm.

Linke ersetzt Wahlprogramm

Im Gegensatz zur CDU kann man vielleicht der LINKEN eine Absicht unterstellen. Schließlich hat man mit dem Dringlichkeitsprogramm das so kontrovers aufgenommene (und möglicherweise gar nicht so brisante) Wahlprogramm quasi aktualisiert, viele würden sagen: abgeschwächt. Zu finden ist das alte und immer noch gültige (?) Wahlprogramm auf den eigenen Servern. (Nach einem Link von Iris Bleyer)

Sozialliberale PDF

Bei der FDP lässt sich das Programm schon leichter auffinden. Auf der Startseite gibt es einen Button zur Landtagswahl, wo an erster Stelle über die bemerkenswerte Dialogsuche der FDP beim Schreiben des Programms berichtet wird. Auch ein Link zum Wahlprogramm selbst findet sich leicht. Zu mehr als einer PDF-Variante hat es, wie bei CDU und der LINKEN allerdings nicht gereicht.

Eine Tendenz, der sich die SPD gleich anschließt. Auch hier findet man leicht den Weg zum Wahlprogramm, in der riesigen und schick gemachten Bilderbühne auf der Startseite im Moment auf Rang 3 von 4. Hier verlinkt man nichtmal mehr auf eine Zwischenseite (die es mit etwas Suche auch gibt), sondern gleich auf die PDF. Man könnte die Wähler geschickter informieren.

Grüne zeigen, wie es geht

Fast schon verwundert registriert man nach so viel Lieblosigkeit die Programmseite der Grünen. Hier hat man richtig tief in die Trickkiste gegriffen. Über einen Link auf der Startseite kommt man zum „Grünen Zukunftsplan„, den man sich entweder als Kurzprogramm in „12 Gründe für Grün“ ansehen kann oder gleich mit seinen persönlichen Überzeugungen vergleichen – „Was sind deine Gründe?“ als Mitmach-Test. Es lässt sich ein Blick zurück auf den Programmparteitag werfen, denn die Eindrücke des Live-Blogs wurden festgehalten und zugänglich gemacht. Das Wahlprogramm selbst kann man nicht nur als PDF herunterladen, sondern auch barrierefrei direkt auf der Internetseite durchlesen. Sogar eine Wortwolke des Programms haben die Grünen eingebunden.

Mein persönliches Highlight aber sind die „Stimmen zum Programm“. Nach Verabschiedung des Wahlprogramms haben die Grünen auf dem Parteitag vertretene NGOs wie „Mehr Demokratie e.V.“ und den NABU um eine Stellungnahme gebeten. Und wer würde nicht gern solche Videos einbinden, wenn die Überschriften lauten: „Die Grünen haben alles richtig gemacht„, „So würden wir es auch machen„.

Piraten ganz stilecht

Am Rande sei noch erwähnt, dass das Programm der Piraten natürlich im parteieigenen Wiki zu finden ist. Aber auch wirklich nur dort.