Zu unrecht verloren?

Eigentlich scheint gerade, nicht mal einen Tag nach den Wahlen in Amerika, schon fast alles gesagt. Obwohl der Ausgang wohl insgesamt so absehbar war, überschlagen sich die deutschen Nachrichtenportale mit ihren Formulierungen. „Abrechnung mit Mr. Perfect“ heißt es bei Spiegel Online, „Denkzettel für Obama“ überschreibt WELT ONLINE einen Artikel. Hier soll sicher nicht darüber diskutiert werden, was die Wahlen und die Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus für die Präsidentschaft Obamas bedeuten, dafür sind andere sicher besser qualifiziert.

Doch spannend ist es schon, wie stark scheinbar die Meinung von Obama als amerikanischem Präsidenten in seinem Staat und in Europa auseinander geht. Zum einen trägt dazu sicherlich die Entwicklung des amerikanischen Parteiensystems bei, die in einem FAZ.net-Artikel von Klaus-Dieter Frankenberger hervorragend skizziert wird. Zum anderen schafft es aber die Obama-Administration trotz aller Vorschusslorbeeren nicht, ihre Politik erfolgreich zu verkaufen. Deutsche Analysten sind sich dabei relativ einig, dass die hohe Arbeitslosenquote und die wirtschaftlich angeschlagene Situation der Staaten viel mehr mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun hat, als offenbar Konsens der amerikanischen Bevölkerung ist. Mehr noch, es mehren sich in den Kommentarspalten die Stimmen, nach denen es Obama zu verdanken ist, dass die Lage nicht viel schlimmer ist.

Wieder einmal hat Obama die Wahlkampfmaschine angeworfen und sie virtuos bedienen lassen. Völlig ohne Registrierung konnte man sich mit einem beeindruckenden Werkzeug für Obama an den Telefonhörer klemmen und bei seinen Nachbarn, Freunden oder völlig Fremden für die Wahl der richtigen Abgeordneten, Senatoren und Gouverneure werben. Noch im Wahlkampf um die Präsidentschaft war das alles hinter den Zäunen von mybarackobama geschehen. Diese Zäune hat man nun eingerissen und lässt einfach alle, die sich engagieren wollen, mit für die gute Sache kämpfen.

Aber die fast zwei Jahre Präsidentschaft von Barack Obama zeigen ganz klar, dass Wahlkampf eben nicht alles ist. Die größte Herausforderung für einen Präsidenten scheint es heute vielmehr zu sein, seine Politik im täglichen Geschäft zu vermitteln. Die Finanzkrise und ihre Bekämpfung durch gigantische (im Nachhinein vielleicht sogar zu kleine ) Konjunkturspritzen ist gewissermaßen das Stuttgart-21 des Barack Obama. Mit geballter Kraft hat man die Reformen und Investments durchgesetzt, aber bei einem Teil der Bevölkerung blieb nur der Eindruck zurück, ihr Land sei nun endgültig sozialistisch geworden.

Und selbst bei weniger konservativen Wählerschichten, auf die Obama noch zur Präsidentschaftswahl bauen konnte, setzte immer mehr die Enttäuschung ein, weil eben doch nicht alle Wahlversprechen eingelöst werden konnten. Auch hier lässt sich wieder eine Parallele nach Schwaben ziehen, wo die Grünen noch das ein oder andere Problem mit ihren Versprechen für und wider den neuen Bahnhof bekommen könnten, wenn sie tatsächlich den Ministerpräsidenten stellen würden. Politikvermittlung, nicht Wahlkampf, scheint die Herausforderung des 21. Jahrhunderts zu werden. Vielleicht ist es ja wieder Barack Obama, der nun aus dem Druck der unklaren Mehrheiten heraus, das Internet zum Werkzeug der Wahl werden lässt.

Bild: Official White House Photo by Pete Souza

Soziale Medien: Nützlich nur aus der Opposition?

von Axel Bruns

Barack Obamas Kampagne für Primaries und Präsidentschaft wird weithin als Sternstunde der Nutzung sozialer Medien im Wahlkampf angesehen – auch wenn Obamas Team selbst natürlich so einiges von Howard Deans Primary-Kampagne 2004 abgeschaut hat. Ein gemeinsamer Faktor in beiden Kampagnen ist dabei, daß sich sowohl Dean als auch Obama als Erneuerer und Underdogs (sogar in ihrer eigenen Partei) präsentieren konnten. Soziale Medien erlaubten es Obama, zu einer Zeit Unterstützer zu werben, in der die meisten Kommentatoren für seine Kampagne noch keine großen Chancen sahen, und dann mit Hilfe dieser ersten Fans auf my.barackobama.com eine breite Massenbewegung aufzubauen.

Auch andere Politiker – übrigens sowohl im konservativen wie auch progressiven Lager – haben sich mittlerweile auf diese Weise der sozialen medien bedient; wie auch Obama hat z.B. der britische Tory-Herausforderer David Cameron über sein Videoblog Webcameron eine Langzeitstrategie verfolgt, die darauf gerichtet war, ihn als verläßliche und nicht allzu extrem neokonservative Alternative zu Gordon Brown zu präsentieren. Hier in Australien, wo ich arbeite, spulte die Labor Party im Wahljahr 2007 eine äußerst erfolgreiche Kampagne ab, in der besonders auch die Webpräsenz von Oppositionsführer Kevin Rudd auf seiner Kampagnenwebseite Kevin07 eine wichtige Rolle spielte – nicht zuletzt auch dadurch, daß sie die erzkonservative Regierung unter John Howard dazu nötigte, auf YouTube selbst einige (eher hilflos anmutende) Web-2.0-Experimente zu machen. Diese Videos – eines machte den Faux Pas, ein Video mit den Worten „Good Morning“ zu beginnen, ein anderes verkündete eine recht unmotivierte $500.000-Initiative zur Schützung von Orang-Utans in Indonesien – trugen nur weiter dazu bei, Howard als steif und senil hinzustellen.

Derlei Präzedenzfälle legen natürlich die Frage nahe, ob soziale Medien immer eher ein Werkzeug der Herausforderer sein werden, oder wie weit auch amtierende Landesväter und -mütter aus ihnen Nutzen ziehen können. (Zudem muß übrigens auch darauf hingewiesen werden, daß sich die recht überschaubaren Zwei-Lager-Systeme in den USA, Großbritannien und Australien nicht unbedingt direkt mit der besonders derzeit deutlich komplexeren Gemengelage zwischen den verschiedenen Ex- und Möchtegern-Volksparteien in Deutschland und auch in vielen anderen europäischen Staaten vergleichen lassen.) Was sich dabei in den verschiedenen für den Wahlkampf benutzten Web-2.0-Plattformen selbst tut, ist dabei womöglich nicht einmal immer ganz so wichtig wie die Tatsache an sich, daß diese Plattformen überhaupt genutzt werden: zumindestens für die Underdogs und Herausforderer mag die Nutzung alleine schon Grund genug sein, sich dem Amtsinhaber als innovativ und zukunftsfreundlich gegenüberzustellen; die amtierende Regierung selbst mag dagegen herausstellen wollen, daß sie erfahren und verläßlich ist und eben nicht jedem Trend hinterherläuft.

Andererseits wird natürlich heutzutage besonders den Inkumbenten ein völliges Fehlen jeglicher Onlinepräsenz, oder eine eher langweilig gestaltete Webseite, als Zeichen von Überalterung und Behäbigkeit angerechnet werden. Mit anderen Worten: eine zu aggressive Onlinestrategie mag dem Amtsinhaber mehr Ärger als Freude bereiten; eine zu laue Präsenz aber ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, weil sie alle Vorurteile gegen ‚die da oben‘ bestätigt – was tun?

Es ist wohl kaum zu erwarten, daß eine wirklich überzeugende Antwort auf diese Frage aus den Niederungen deutscher Landtagswahlkämpfe erwächst; wir werden wohl bis 2012 warten müssen, wenn Barack Obama zur Wiederwahl gegen das republikanische Dream Team aus Sarah Palin und Glenn Beck antritt und dabei seine geschätzten 13 Millionen Unterstützer auf my.barackobama.com zu reaktivieren versucht. In NRW etwa ist der in letzter Zeit ja arg gebeutelte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit Sicherheit nicht in auch nur annähernd vergleichbarer Position – aber sehen wir uns dennoch einmal an, was die Landes-CDU online so anzubieten hat.

Zunächst einmal fällt dabei (über das „italienische Eisdiele“-Logo hinaus) auf der NRW für Rüttgers-Webseite auf, daß – wie branchenüblich – ein CDU-Branding völlig fehlt; die Webseite wird mit anderen Worten für Unterstützung für Rüttgers als Person, nicht als CDU-Politiker. Dieser Eindruck wird allerdings recht schnell dadurch untergraben, daß einer der letzten Beiträge ein großflächiges Bild des Wahlkampfplakats mitsamt CDU-Logo beinhaltet, und in einem zweiten das Logo nur durch CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheids Körper verdeckt wird. Ohnehin stellt sich hier natürlich die Frage, ob es in NRW überhaupt noch einen Wähler geben mag, der Rüttgers nicht automatisch mit der CDU in Verbindung bringen würde. Aus der Opposition mag es ja sinnvoll sein, die Spitzenkandidaten als Personen statt als Parteipolitiker herauszustellen, um so Wechselwähler zu werden, die zwar eigentlich eine bestimmte Partei nicht wählen würden, aber von der Person überzeugt sind – ob das aber bei einem amtierenden Ministerpräsidenten auch funktionieren kann, muß doch deutlich bezweifelt werden.

Darüberhinaus ist es das erklärte Ziel von NRW für Rüttgers, als Unterstützerportal für den Kandidaten zu fungieren; viel davon zu sehen ist auf Anhieb allerdings nicht. Die auf der Hauptseite zu sehenden Inhalte sind allesamt offizieller Natur und lesen sich nicht sonderlich anders als Pressemitteilungen. Die Kurzstatements von Unterstützern („Ich unterstütze Jürgen Rüttgers, weil er Wirtschaft und Soziales vereint!“) weisen durch nichts darauf hin, daß sie einer anderen Quelle entstammen als den Tastaturen eines PR-Büros – zwar sind sie mit Fotos ihrer angeblichen Urheber versehen, aber es gibt keine Möglichkeit für Besucher, sich zum Profil der Autoren durchzuklicken und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Als möglicher Unterstützer müßte ich erst mein eigenes Profil erstellen, bevor ich sehen kann, ob es im eigentlichen Community-Teil der Webseite interessanter zugeht als auf einem Kaffeekränzchen der Jungen Union.

Wie die Webseite auf diese Weise erfolgreich Unterstützer werben und diese dazu ermuntern will, für Jürgen Rüttgers Wahlkampf zu machen, bleibt daher eher unklar. Eine echte Nutzung sozialer Medien für virales Marketing sieht deutlich anders aus: hier werden den Nutzern freigebig und ohne große Beschränkungen vielfältige Materialien zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe sie auf eigene Faust für bestimmte Produkte oder Parteien Stimmung machen können. Zwar geht dabei notwendigerweise einiges an ‚Message Control‘ verloren, und die eigenen Materialien mögen mitunter auch für Parodien zweckentfremdet werden – einer der besten YouTube-Spots im australischen Wahlkampf 2007 war z.B. ein Video, das Kevin Rudd in Anspielung auf seine Mandarin-Sprachkenntnisse im Stile eines chinesischen Propagandafilms präsentierte –, aber auch hier gilt meist das alte Maxim „any publicity is good publicity“.

Nicht zuletzt aber bedeutet die Nutzung sozialer Medien im Wahlkampf auch ein recht transparentes Herangehen an die Wähler: potentielle Unterstützer können zumeist nur dann in größerer Zahl geworben werden, wenn sie intelligent angesprochen werden und ihnen einiges an Klarheit darüber gegeben wird, wen und was sie da nun eigentlich genau unterstützen werden. Kontroverse Themen und Programmpunkte müssen dabei offen diskutiert werden können – nicht unbedingt immer nur mit den Spitzenkandidaten, sondern auch mit anderen Unterstützern und den Mitgliedern des Kampa-Teams. Besonders hier mangelt es bei NRW für Rüttgers doch erheblich: die Urheber der Artikel auf der Hauptseite etwa bleiben allesamt anonym, und auch wenn es eine Kommentarfunktion gibt, ist sie offenbar noch nie benutzt worden (was doch recht unwahrscheinlich klingt). Sonderlich sozial ist diese Onlineplattform also nicht gerade.

Aber das ist am Ende vielleicht auch nicht der Zweck der Übung. Wirkliche Transparenz, wirkliche Diskussion ist wohl eher angebracht für diejenigen (Oppositions-)Parteien, die die Gunst der Wähler erst noch erwerben wollen und müssen, und weniger für solche, die sich in erster Linie ängstigen müssen, diese Gunst so langsam zu verlieren. NRW für Rüttgers sollte daher wohl vor allem als Defensivmaßnahme gesehen werden, deren Existenz alleine schon halbwegs als Argument hinhalten kann, daß auch der Amtsinhaber ‚Web 2.0 macht‘, die aber deshalb noch lange nicht soviel Spielraum erhält, wie nötig wäre, um wirklich mit konsultativen Politikmodellen zu experimentieren.

Die Webseite demonstriert also vor allem die Risikoscheue, die Inkumbenz mit sich bringt. Rüttgers hat wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren – ein warum auch immer aus dem Ruder laufendes Onlineexperiment könnte durchaus deutliche negative Folgen haben, eine eher lahme, allzu vorsichtige Onlinepräsenz dagegen macht wenigstens nicht die Pferde scheu, auch wenn sie nicht wirklich dazu beiträgt, neue Wähler zu werben. Das heißt im Umkehrschluß freilich nicht, daß die Websiten der Oppositionsparteien notwendigerweise die sozialen Medien effektiver nutzen; auch hier gibt es Einiges an Defiziten, und dabei sehr viel weniger gute Gründe, ein wenig Risiko einzugehen, um neue Unterstützer zu werben.

Am Wahlabend wird sich zeigen, ob die hier erkennbare CDU-Strategie, den Wählerschwund weitestmöglich zu begrenzen, statt über eine aggressivere Kampagne mit Hilfe der sozialen Medien neue Wähler zu werben, erfolgreich gewesen ist. Nun ist Jürgen Rüttgers natürlich ohnehin kein David Cameron oder Barack Obama – aber gerade weil Landeswahlkämpfe wie der in NRW so überaus durchschnittlicher sind als die großen Kämpfe um Präsidenten- und Premierministerposten ist es eigentlich hier statt in derlei Superlativkampagnen, daß wir die Zukunft des ‚normalen‘ Politikbetriebs zu sehen bekommen werden. Da sich NRW für Rüttgers dabei als insgesamt wenig innovativ herausgestellt hat, wird es daher wohl noch eine Weile dauern, bis klar wird, wieweit soziale Medien auch von bereits existierenden Amtsinhabern effektiv genutzt werden können, um ihre Mehrheiten zu halten oder sogar auszubauen.

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Dr. Axel Bruns (@snurb_dot_info) ist Associate Professor in der Creative-Industries-Fakultät an der Queensland University of Technology in Brisbane, Australia, und ein Chief Investigator im ARC Centre of Excellence for Creative Industries and Innovation (CCi). Er ist ein Experte für soziale Medien und Onlinejournalismus, und Autor der Bücher
Blogs, Wikipedia, Second Life and Beyond: From Production to Produsage (2008) und Gatewatching: Collaborative Online News Production (2005), und Herausgeber von Uses of Blogs, mit Joanne Jacobs (2006; alle bei Peter Lang, New York). Seine Webseite ist snurb.info, und er bloggt auch im Gruppenblog Gatewatching.org, mit Jason Wilson und Barry Saunders.

Das weiße Haus auf dem iPhone

Was hat man ihn beschrien, den Online-Wahlkampf des Barack Obama. Und wieviel Elan hat seine Regierung mit ins Amt genommen. Da passt es gerade richtig gut, dass das Weiße Haus nun auch auf dem iPhone zu finden ist. Seit gestern kann jeder iPhone-Nutzer (auch außerhalb Amerikas) die kostenlose Application des White House herunterladen. Damit bekommt er schnellen und einfachen Zugang zu Nachrichten, Fotos und Videos aus der Regierung von Barack Obama. Doch die wohl erstaunlichste Funktion verbirgt sich hinter dem kurzen Wort „Live“. Was genau damit gemeint ist und wie herausragend der dahinter steckende Gedanke ist, lässt sich recht einfach verdeutlichen. Ein Gedankenexperiment:

Als vor zwei Tagen die israelische Regierung sich in Berlin mit ihren deutschen Gegenübern traf, war man als Bürger ganz dicht dabei. Die neuesten Fotos konnte man sich direkt auf seinem Telefon ansehen, Videos von den Gesprächen von überall einfach aufrufen. Als Benjamin Netanjahu und Angela Merkel vor die versammelte Presse treten um in die Kameras zu lächeln und ihre Mitteilungen zu verkünden, kann sich jeder Deutsche und darüber hinaus live einwählen und das Video on-demand mitverfolgen.

Klingt unrealistisch? Nun, für Deutschland mag das der Fall sein. Doch in den Vereinigten Staaten ist es gerade Realität geworden. Es bleibt zwar abzuwarten, welche Veranstaltungen dann tatsächlich übertragen werden – zwei jedoch sind schon angekündigt. Obama nimmt Transparenz wörtlich.

Mehr Infos bei TechPresident und im Blog des Weißen Hauses. Danke an Axel Bruns für den Hinweis.

Sternzeit vs. Steinzeit

Ob es das in Deutschland schon einmal gegeben hat? Ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter hält eine Rede, erntet minutenlange Standing Ovations und selbst der politische Gegner stimmt in den Applaus mit ein. So geschehen vor gut 2 Wochen auf dem Personal Democracy Forum in New York (siehe auch: Blogposting vom 30.06.20009).
Vivek Kundra, seines Zeichens erster CIO der Vereinigten Staaten von Amerika, nutzte die Konferenz um das neuste Projekt der US-Regierung unter Barack Obama zu präsentieren: it.usaspending.gov. Ganz im Sinne des bereits vor einiger Zeit gestarteten Angebotes data.gov, welches den Zugriff auf alle öffentlichen Daten der Bundesorgane ermöglichen soll, möchte man mit dem neuen Angebot die Verwendung der Steuer-Milliarden, die in den IT-Sektor fließen protokollieren und offen legen. Kundra hat die –zumindest für Amerika nicht mehr unrealistische- Vision das Internet zur Steigerung von Transparenz des Regierungshandelns einzusetzen:

„Now, for the first time, the entire country can look at how we’re spending money and give us feedback.“

„The IT Dashboard provides the public with an online window into the details of Federal information technology investments and provides users with the ability to track the progress of investments over time. The IT Dashboard displays data received from agency reports to the Office of Management and Budget (OMB) (…)“

Inzwischen hat auch die britische Regierung mit http://www.direct.gov.uk das Thema Transparenz des Regierungshandelns für sich entdeckt. Betrachtet man neben diesen beiden Regierungsauftritten das deutsche Pendant http://www.bundesregierung.de fühlt man sich doch wieder an den vor ein paar Wochen von Dr. Christoph Bieber aufgestellten Vergleich „Sternzeit vs. Steinzeit“ erinnert. Bleibt abzuwarten, wann der erste deutsche Regierungsmitarbeiter ein ähnliches Projekt der Öffentlichkeit präsentieren darf. In der Zwischenzeit müssen Ulrich Wilhelm und Thomas Steg wohl vergeblich auf Standing Ovations warten…

Obamasuche mit dem Zweiten

Seien Sie unser Obama! Bewerben Sie sich für unsere Show: Ich kann Kanzler!

Achim Winter erklärt mit diesen Worten die Politik-Castingshow des ZDFs, die unter dem Titel „Ich kann Kanzler!“ am 19. Juni live gezeigt werden soll. Am Ende werden die Zuschauer bestimmen, wen sie für das größte politische Talent der Sendung halten.

Ich kann Kanzler!

Mit der „Idee hinter der Sendung“ steckt sich das ZDF gewaltig hohe Ziele. Die Enttäuschung der Wähler von den deutschen Politikern, die mit immer abgedroscheneren Worthülsen viel sagen und wenig verändern – das sei der Grund für die neue Sendung. Und damit böte sich für jeden Interessierten die Gelegenheit, selbst etwas zu verändern. Man suche eben „Junge Menschen, die gerne etwas politisch verändern wollen“. Denn es sei an der Zeit, gegen Politikverdrossenheit vorzugehen.

Zwei Gefahren warten auf die Sendung, deren Tragweite das ZDF nicht vernachlässigen sollte.

  1. Enttäuschte Zuschauer: Erwartungen wecken möchte man mit der Sendung; Erwartungen für eine neue Politikergeneration mit mehr Charisma, Durchsetzungsfähigkeit und Echtheit als die gegenwärtig amtierende. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das Format mit nur einer geplanten Livesendung inklusive zeitraubender Abstimmung dies überhaupt darstellen kann. Gerade der überstrapazierte Vergleich mit der Massenbewegung um Barack Obama zeugt nicht gerade von Bescheidenheit oder Bewusstsein für die begrenzten zeitlichen Möglichkeiten eines Freitagabends.
  2. Enttäuschte Gewinner: Unterstellt man den Teilnehmern mal durchaus ernstes Interesse an Politik und ein ehrliches Interesse, sich selbst für das Land einzusetzen, könnte der Preisträger sich angesichts des ausgelobten Preises etwas ausgenutzt vorkommen. Ein Kanzlergehalt ist natürlich eine nette Offerte, beläuft sich in Deutschland immerhin auf etwa 220.000 € pro Jahr. Aber ob rein materielle Unterstützung wirklich das Ziel eines begabten Idealisten ist? Das zusätzlich als Gewinn gesetzte Praktikum „im Zentrum der Macht“ gilt es erst noch zu spezifizieren, bevor man hier genauere Bewertungen vornehmen kann.

Richtigen Fokus setzen

Fakt ist natürlich auch, dass eine solche Sendung immer nur Talentsuche sein kann, nie aktiv in den politischen Prozess eingreifen. Wenn das ZDF es schafft, diesen Fokus zu setzen, dann kann die Sendung wirklich interessant werden. Wenn aber den Zuschauern ein neuer Obama verkauft werden soll, der am liebsten ab nächster Woche dann im Kanzleramt sitzen darf, dann schlägt die ganze Sendung fehl.

PS: Noch lässt das ZDF offen, wer die Sendung moderieren wird. Die zuletzt erfolgreich gelaufene „Wahl im Web“ hatte noch Markus Kavka moderiert und sich damit für junge, politische Formate empfohlen. Für die ein oder andere sehr wahrscheinliche Neuauflage der Webwahl dürfte er damit gesetzt sein, aber ob das ZDF ihn in die große Freitagabend-Liveshow wirft, bleibt abzuwarten. Achim Winter, der den ersten Kurzspot produzieren durfte, wird wohl ebenso wenig als Moderator eingesetzt. Produzent der Sendung ist im Übrigen die „I & U Information und Unterhaltung TV Produktion“ von Günther Jauch. Eine Beteiligung Jauchs als Moderator ist aber reine Spekulation.

Bild: ZDF