Kolumne: Angela gefällt das

Karl-Theodor zu Guttenberg war noch keine 24 Stunden zurückgetreten, da hatten sich bei Facebook schon über 300.000 Unterstützer gefunden. Obwohl der eine oder andere spekulierte, es sei mit unlauteren Mitteln nachgeholfen worden: Die Facebook-Seite „Wir wollen Guttenberg zurück” ist mit 588.905 Unterstützern die erfolgreichste politische Gruppe im deutschen Internet.

Das ist ein Erfolg des „Like-Buttons”. Ein Klick, der die mittlerweile 16 Millionen deutschen Facebook-Nutzer ihre Sympathien für Nike, Nutella und Naddel ebenso ausdrücken lässt wie für einen Politiker. Das simple „Gefällt mir” wird zum Protestmarsch vom Sofa aus – bequemer, aber auch weniger ausdrucksstark.

Die erfolgreichste Online-Petition des Bundestags hingegen hat derzeit lediglich etwas mehr als 15.000 Mitzeichner. Dabei sind Petitionen ein großartiges Mittel, um Einfluss auf die Arbeit des Parlaments zu nehmen. Politiker verstehen sehr gut die Sprache von hunderttausenden Unterschriften. Die Petitions-Plattform des Bundestags aber ist zu kompliziert und zu unbekannt, um regelmäßig Wirkung zu entfalten. Wie viele Petitionen würden wohl auf breite Unterstützung stoßen, wenn sie so einfach zu bedienen wären wie ein Like-Button?

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, Mai 2011]

Bewegung ohne Ziel

Wie viel Netzt steckt im Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg? Fast noch interessanter als diese Frage erscheint, was danach passiert. Kurz nachdem der beliebteste, jungdynamische und kopieraffine Politiker zurück getreten ist und damit die Hoffnungen vieler konservativer und nicht so konservativer Bürger enttäuscht hat, entsteht im Netz eine Dynamik, die man so bisher noch nicht gekannt hat. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine Gruppe mit dem ebenso wenig kreativen wie zielführenden Titel „Wir wollen Guttenberg zurück“ mehr als 300.000 Befürworter gesammelt. Und während man noch bei der ersten „ProGuttenberg„-Gruppe Vermutungen anstellen konnte, es handle sich hier um eine gekaufte „Anschubsfinanzierung“, kann man diese Unterstellungen hier fast ausschließen. Zu gering ist die Wahrscheinlichkeit, etwas derartig schnell zu organisieren und zu finanzieren. Das Netz bewegt sich schneller.

Warum aber ist das interessant? Weil die größte, je im deutschsprachigen Internet stattgefundene, digitale soziale Bewegung gerade vor aller Augen entsteht. Und weil sie keinen Sinn hat. Während die Studentenproteste 2009 als klare Solidaritätserklärung an Studierende im ganzen Land gesandt wurden, die sich für bessere Studienbedingungen einsetzten, ist die Forderung dieser mehr als 300.000 so schlicht wie unmöglich: Wir wollen Guttenberg zurück. Am liebsten sofort. Ab morgen um 8 Uhr wieder im Bendlerblock?

Niemand weiß, ob Guttenberg noch einmal wiederkommt – viele Zeichen sprechen dafür. Wenn er nicht in der Privatwirtschaft mit mehreren Hunderttausenden geködert und mit einem großen Eckbüro verwöhnt wird? Wer weiß, vielleicht hat er ja 2019 sein eigenes Kabinett? Aber selbst wenn aus den 300.000 noch 500.000 werden: Kurzfristig werden sie nichts bewegen können. Ist die Bewegung vielleicht gerade deshalb so erfolgreich, weil sie keine Aktion erfordert. Vielleicht ist sie die digitale Repräsentation der vorm Haus wehenden Flaggen des Lieblings-Vereins. Flagge zeigen, ohne aktiv werden zu müssen. Ist das das Erfolgrezept für digitale Bewegungen?

NRW-Jusos wecken WählerInnen mit Facebook (und frischem Kaffee)

von Christian Obrok

Wir Jusos haben für den Schlussspurt der Landtagswahl die Facebook-App „Mitentscheiden“ entwickelt. Wer will, kann dort seine Adresse hinterlassen und sich von uns am Wahlsonntag mit heißem Kaffee wecken lassen. Hunderte von Menschen in ganz NRW haben sich schon angemeldet.

Die Idee dahinter ist Folgende: Jede und jeder von uns hat Freundinnen und Freunde, die es im Prinzip wichtig finden, wählen zu gehen. Der Wahltag kommt dann für viele aber doch so überraschend wie der Wintereinbruch für die Deutsche Bahn. Und plötzlich haben unsere besten Freunde just an dem Tag der Entscheidung keine Lust aufzustehen, weil das letzte Bier am Abend schlecht war oder sie finden Politik doch zu spießig oder zu korrupt, um mitzumachen. Die Jusos als Organisation können daran unmittelbar nicht viel ändern. Aber unsere Mitglieder – wir als Menschen – können es.

Daher haben wir unseren gesamten Online-Wahlkampf darauf ausgerichtet, unsere Mitglieder zu motivieren, sich zu ihrem politischen Engagement zu bekennen und mit ihren Bekannten über Politik zu reden. Sie bewegen die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld dazu, wählen zu gehen und sich gemeinsam für einen Wandel in NRW stark zu machen.

Wir nennen dies intern: „Online organizing for offline action“.

Wir erreichen unsere Mitglieder und Sympathisanten am besten und schnellsten über das Internet. Vor allem über E-Mail und Facebook. Wir langweilen sie nicht mit langen Newslettern oder „Schaut-wir-sind-toll-Massenmails“, sondern konaktieren sie dann, wenn sie in ihrem Umfeld oder im Rahmen einer Aktion etwas Konkretes tun können für die Kampagne.

Die Mails verschicken wir möglichst personalisiert aufgrund der politischen Interessen, des Wohnorts und der Handlungsbereitschaft unserer Mitglieder. Auf unserer Webseite, in unserem Blog und wiederum auf Facebook bilden wir das ab, was vor Ort passiert. Außerdem bieten wir den Raum allen an, die berichten wollen, was bei ihnen vor der Haustür abgeht. So schaffen wir ein Gemeinschaftsgefühl, das die Leute zu mehr motiviert.

Das war auch der Gedanke hinter unserer Facebook-App „Mitentscheiden“: Unsere Mitglieder haben sie in den letzten Tagen in ihrem Freundeskreis verbreitet. Sie klicken den „Gefällt-mir-Button“ und machen mit bei der eingebauten Aktion „HeldIn der Demokratie“. Bislang hat unsere App knapp 2.000 Anhängerinnen und Anhänger gefunden. Diese hätten wir mit klassischem Wahlkampf nicht auf die Wichtigkeit des Wählens aufmerksam machen können.

Christian Obrok ist Jugendbildungsreferent bei den NRW Jusos

Erster Blick auf das Netzwerk-Barometer

Eine Woche ist es nur noch hin bis zum Wahltermin in Nordrhein-Westfalen. Und tatsächlich hat der Wahlkampf noch gewaltig Fahrt aufgenommen. Innerhalb einer Woche trafen zuerst die beiden Spitzenkandidaten Kraft und Rüttgers im TV-Duell aufeinander und mussten sich danach in einer Fünferrunde in der Wahlarena behaupten. Die CDU taumelt in Nordrhein-Westfalen in einer kaum zu glaubenden Art aus einer Affäre in die nächste und die SPD-Chefin provoziert immer deutlichere Erinnerungen an eine Frau aus Hessen. Wie haben sich die letzten Wochen auf die Unterstützerzahlen in den sozialen Netzwerken ausgewirkt und welche Erkenntnisse lassen sich daraus ziehen?

Die Ausgangslage vom 22. Februar fassten wir unter der Überschrift „Rüttgers und Facebook an der Spitze“ zusammen. Diese Diagnose kann man auch kurz vor dem Wahlkampfabschluss so stehen lassen. Es ist klar, dass sich die Kampagnen von CDU, SPD und Grünen auf Facebook konzentiert haben und mit dieser Entscheidung richtig lagen. Die großen Interaktionsmöglichkeiten heben Facebook aus der Gruppe der sozialen Netzwerke in Deutschland hervor. Facebook wird, vor allem in der politischen Nutzung, die Mitbewerber von der VZ-Gruppe und den eher lokal basierten wer-kennt-wen.de und anderen klar verdrängen.

Beim Duell der Spitzenkandidaten zeigt sich in den Sozialen Netzwerken etwas weniger Bewegung als in den Umfragen der Meinungsforscher, doch in der Tendenz stimmen sie überein: Hannelore Kraft holt deutlich gegenüber Jürgen Rüttgers auf. Während das ZDF-Politbarometer bereits ein erfolgreiches Überholen Krafts vermeldet, fehlt in den Sozialen Netzwerken aber noch ein wenig dazu. Ohnehin wird das Rennen nur auf Facebook ausgetragen, da Hannelore Kraft auf der meinVZ-Plattform kaum Unterstützer sammeln konnte.

Interessant ist auch, dass die grüne Spitzenfrau Sylvia Löhrmann ihre gute Startposition nicht hat nutzen können. Am Ausgangspunkt mit 1222 Unterstützern bei Facebook gestartet, kann sie jetzt kurz vor dem Wahltermin nur 1544 Unterstützer vorweisen. Ja, tatsächlich verliert sie seit einem Monat wieder Freunde – wenn auch in geringem Maße. Blickt man auf den hohen Ausgangswert für Löhrmann, scheint sich abzuzeichnen, dass die Grünen im Netz bereits so stark verwurzelt sind, dass sie nur noch ein vergleichsweise geringes Mobilisierungspotenzial haben.

Als letzte Bemerkung sei noch auf die konsequente Abstinenz des FDP-Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart hingewiesen. Auch kurz vor der Wahl ist man bei der FDP nicht der Versuchung erlegen, noch hastig ein Facebook-Profil zu eröffnen. Immerhin  konnte man damit einen seltsamen Eindruck vermeiden, wie er beim Besuch des Profils der linken Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann entsteht. Bei den Liberalen scheint das Motto gewesen zu sein: Lieber gar kein Profil als ein so schlecht gepflegtes.

Netzwerk-Barometer Nordrhein-Westfalen

Schon seit dem 8. Februar sammeln wir fleißig Daten, heute aber startet das Netzwerk-Barometer erst richtig. In den vergangenen zwei Wochen haben wir erste Eindrücke gewinnen können, wie die Sozialen Netzwerke im Landtagswahlkampf 2010 um den Düsseldorfer Landtag eingesetzt werden und welcher Kandidat auf besonders viele Unterstützer stoßen kann. Als Einstieg wollen wir kurz darstellen, in welcher Situation wir uns wiederfinden.

Nach dem Bundestagswahlkampf 2009 haben sich Soziale Netzwerke als Online-Verlängerung von Bürgerkontakten eine solide Basis in der politischen Landschaft gesichert. Während noch im Frühjahr beim hessischen Landtagswahlkampf ein gewisses Fremdeln der Politik mit den neuen Werkzeugen zu spüren war, werben heute die Kandidaten in Nordrhein-Westfalen ungewohnt offensiv schon auf den Startseiten ihrer Internetauftritte damit, auch in den wichtigen Sozialen Netzwerken mit einem Profil vertreten zu sein.


Datenbasis

Rüttgers und Facebook an der Spitze

Jürgen Rüttgers als amtierender CDU-Ministerpräsident steht deutlich an der Spitze der Netzwerker. Die meisten Unterstützer sammelt er auf Facebook, doch auch sein Profil bei meinVZ hat eine ganze Reihe Fans und sichert ihn zum Auftakt des Rennens die Favoritenrolle. Seine Herausforderin Hannelore Kraft setzt ebenfalls auf das amerikanisch-stämmige Netzwerk Facebook, bleibt aber auf Distanz zu beiden Rüttgers-Profilen. Bemerkenswert ist, wie dicht auf die SPD-Kandidatin schon Sylvia Löhrmann von den Grünen folgt. Das drüfte ein interessantes Rennen über die nächsten 10 Wochen werden. Schon jetzt spekuliert man fleißig über die wichtige Rolle der Grünen bei der Regierungsbildung im Frühsommer. Vielleicht reicht es ja auch in den Sozialen Netzwerken für einen Verfolgerplatz hinter Rüttgers – und vor Kraft.

Abgeschlagen finden sich am Ende die Profile von Hannelore Kraft bei meinVZ, das damit insgesamt deutlich an Bedeutung einbüßt, und von Bärbel Beuermann bei Facebook. So beiläufig, wie die Linken-Spitzenkandidatin ihr Profil dort einsetzt und auch insgesamt kein großes Aufheben um ihre Person macht, scheint hier wenig Dynamik in Sicht.

Ab dem 8. Februar werden wir also weiterhin Daten sammeln und wöchentlich unsere Auswertung aktualisieren. Ein stets aktueller Überblick findet sich auf der eigenen Seit des Netzwerk-Barometers für Nordrhein-Westfalen.