Nachtrag: Und diesmal liberaler Kontrollverlust

Als Nachtrag zum Beitrag über die Alpha-Version des britischen Regierungsportals noch ein weiterer Fall von Kontrollverlust: Die FDP öffnet ihre Internetseite zum Parteitag für einen Twitter-Stream. Und muss dafür mit Kommentaren leben, die ihr sicher nicht gefallen werden.

Eine Auswahl:

Ob das in der Evaluation wohl bei allen gut ankommen wird? Aber es ist ein mutiger Schritt, gerade für die Übertragung eines Parteitages. Übrigens sind auch die erläuternden Punkte zum Programmablauf und desgleichen ein interessanter Ansatz.

Google die Regierung: alpha.gov.uk

Die britische Regierung hat Ärger für ihre Internetseite bekommen. Martha Lane Fox schlug der Regierung einige bahnbrechende Neuerungen für ihre Netzpräsenz vor. Zum Beispiel:

Late last year Martha Lane Fox published a raft of recommendations intended to revolutionise the UK Government’s online services. At the launch of her report (subtitled “revolution, not evolution”) she recommended the introduction of:

“a service culture, putting the needs of citizens ahead of those of departments”

She also made a strong case for the UK Government to adopt a single web domain, analogous to the BBC’s use of BBC.co.uk, and recommended a radical change in how gov.uk sites are produced:

“Government should take advantage of the more open, agile and cheaper digital technologies to deliver simpler and more effective digital services to users.”

Und die britische Regierung hat geantwortet: Mit einer alpha-Version einer neuen Internetseite, völlig reduziert auf das Wesentliche. Gebündelt auf einer gemeinsamen Plattform finden sich alle Informationen der Regierung. Und das zentrale Element ist ein großes Suchformular. Gleich daneben können Nutzer ihren Standort angeben, um für Sie vor Ort relevante Informationen zu bekommen.

Die Reichweite dieser Änderung, besser gesagt dieses Vorschlages, der jetzt auf umfassende Rückmeldung aus der Nutzerschaft wartet, lässt sich einfach ausdrücken: Es sind 991 Pixel bis zur ersten Nachricht, die die Regierung selbst kontrolliert. Davor ist alles (lässt man das visuelle Element hinter dem Suchformular außer Acht) Inhalt, der sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert. Was für ein Meilenstein.

Kolumne: Angela gefällt das

Karl-Theodor zu Guttenberg war noch keine 24 Stunden zurückgetreten, da hatten sich bei Facebook schon über 300.000 Unterstützer gefunden. Obwohl der eine oder andere spekulierte, es sei mit unlauteren Mitteln nachgeholfen worden: Die Facebook-Seite „Wir wollen Guttenberg zurück” ist mit 588.905 Unterstützern die erfolgreichste politische Gruppe im deutschen Internet.

Das ist ein Erfolg des „Like-Buttons”. Ein Klick, der die mittlerweile 16 Millionen deutschen Facebook-Nutzer ihre Sympathien für Nike, Nutella und Naddel ebenso ausdrücken lässt wie für einen Politiker. Das simple „Gefällt mir” wird zum Protestmarsch vom Sofa aus – bequemer, aber auch weniger ausdrucksstark.

Die erfolgreichste Online-Petition des Bundestags hingegen hat derzeit lediglich etwas mehr als 15.000 Mitzeichner. Dabei sind Petitionen ein großartiges Mittel, um Einfluss auf die Arbeit des Parlaments zu nehmen. Politiker verstehen sehr gut die Sprache von hunderttausenden Unterschriften. Die Petitions-Plattform des Bundestags aber ist zu kompliziert und zu unbekannt, um regelmäßig Wirkung zu entfalten. Wie viele Petitionen würden wohl auf breite Unterstützung stoßen, wenn sie so einfach zu bedienen wären wie ein Like-Button?

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, Mai 2011]

Der Obama-Tweet des RegSprecher

Die Nachrichten sind heute morgen beherrscht von einem Thema: Die USA haben Osama bin Laden getötet. Fast 10 Jahre nach den Anschlägen vom elften September ist der mutmaßlich hauptverantwortliche Terrorist tot, Amerikas Nemesis besiegt. Doch abseits aller moralischer Fragen, ob eine gezielte Tötung eines Terroristen wirklich die Verteidigung des Rechtsstaates darstellen kann – wir wollen den Blick auf eine Nebenerscheinung richten. Der Regierungssprecher Steffen Seibert kommentierte das Ereignis zeitnah auf Twitter.

Dabei ist ihm offensichtlich ein kleiner Fehler unterlaufen. Wohl kaum entspricht es der Position der Bundesregierung, US-Präsident Obama solcher Taten zu bezichtigen. Und in der Tat, die Korrektur des Tweets folgte auf dem Fuß. Nicht Obama war gemeint, sondern natürlich Osama bin Laden. Nur wenige Minuten später war der Tweet gelöscht, stattdessen erschien ein korrigierter Tweet mit korrektem Subjekt.

Damit verstößt der @RegSprecher gegen eine sonst eherne Regel auf Twitter: Du sollst nicht löschen deine falschen Tweets – oder so ähnlich. Doch an dieser Stelle scheint es tatstächlich angebracht gewesen zu sein, den Tweet zu löschen. Man denke nur an die Twitter-unbedarften Hauptstadtjournalisten, die einen solchen Tweet zitieren könnten. Auch so wird noch genügen Häme über Seibert herein brechen.

Ein weiterer interessanter Aspekt: Die Rückmeldungen, die Seibert auf die Stellungnahme zum Tode Osama bin Ladens bekommt, sprechen eine deutliche Sprache:

Nachbemerkung: Übrigens unterläuft die Verwechslung vom Obama und Osama nicht nur dem @RegSprecher, sondern auch SpiegelOnline

Prämie oder Abmahnung? Hessens Regierung auf Twitter

Und auf einmal ging alles ganz schnell. Nachdem heute Mittag hr-online berichtet hatte, dass sich auf Twitter unter dem Namen @hessenredaktion ein bis dato noch unbekannter Mitarbeiter der Landesregierung unter dem Landes-Wappen twittere, hat sich die Situation nur wenige Stunden später gedreht. Die Landesregierung hat den Trittbrettfahrer nicht nur enttarnt und verwarnt, sondern handstreichartig ein eigenes Angebot bei Twitter gestartet.

Damit hat der Trittbrettfahrer sein Ziel erreicht. hr-online schrieb über seine Motivation:

“Enttäuschung über die Öffentlichkeitsarbeit seines Arbeitgebers, der im interaktiven „Web 2.0″ bislang so gut wie nicht in Erscheinung getreten ist. Weder auf Facebook noch über Twitter informiert Regierungssprecher Bußer über aktuelle Regierungsanliegen. Er setzt bislang auf das klassische Internet (hessen.de), E-Mails und FAX – anders als beispielsweise der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert.“

Die Landesregierung reagierte prompt:

Hier startet der offizielle Twitteraccount der Hessischen #Staatskanzlei. Herzlich Willkommen! #Hessen #Landesregierung

Ein neuer Steffen Seibert wird Michael Bußer so aber nicht. Denn während Seibert die meiste Zeit selbst twittert und nur von Zeit zu Zeit bei ergänzenden Hinweisen seine Mitarbeiter dazwischen funken lässt – stets gekennzeichnet mit dem Hinweis BPA für Bundespresseamt – twittert Bußer überhaupt nicht selbst, sondern lässt das von Mitarbeiterinnen erledigen:

@chris_politicus …sein Stab u das sind die „Twittertwins“ Simone Koch (sek) und Silvia Sämann (sis). Ab jetzt Tweets mit Kürzeln ;-) (sek)

Immerhin schreibt sich die Landesregierung den Dialog so erstmals auch im sozialen Internet auf die Fahnen. Explizit fordern die „Twittertwins“ die BürgerInnen auf, sich auch mit Fragen an sie zu wenden. Vielleicht sollte man auch einmal fragen, ob dem Trittbrettfahrer von der HessenRedaktion jetzt ein Disziplinarverfahren droht oder ob er nicht doch eine Prämie bekommen sollte. Schließlich war er es, der die Aufmerksamkeit der Landesregierung auf das Web 2.0 gelenkt hat.