Endstation Bundespräsident?

Ursula von der Leyen scheint aus dem Rennen um die Nachfolge von Horst Köhler als BundespräsidentIn – der neue Name im Spiel ist Christian Wulff. Der niedersächsische Ministerpräsident wird beispielsweise von der Tagesschau oder von ZEIT Online als heißer Kandidat gehandelt. Dabei ist interessant, dass Wulff auch immer wieder als Kanzlerkandidat in Wartestellung gehandelt worden war, für eine Zeit nach Merkel rechnete man ihm einige Chancen aus. Muss er diesen Wunsch nun beerdigen?

In jedem Fall wäre Christian Wulff der jüngste Bundespräsident, den Deutschland jemals gehabt hätte. Das Amt scheint bisher eher für ältere Politiker am Ende ihrer Karriere anziehend gewesen zu sein, gewissermaßen die Krönung politischer Erfolge. Theodor Heuss war 65, Heinrich Lübke ebenfalls. Gustav Heinemann war mit 70 der bei seiner Amtseinführung älteste Bundespräsident und einzig Walter Scheel mit seinen 55 Jahren war noch recht jung. Aber auch er hatte schon politische Erfolge zu verzeichnen, war Minister und sogar geschäftsführender Bundeskanzler gewesen – wenn auch nur für 9 Tage.

Christian Wulff wäre bei seiner Wahl 52 Jahre alt, sein Geburtstag ist in etwas mehr als zwei Wochen. Und seine Chancen stehen nicht schlecht, wie er auch selbst weiß. Die Tagesschau zitiert ihn mit dem Satz:

Wulff selbst äußerte sich ausweichend zu seinen Chancen. Er fühle sich als Ministerpräsident wohl – „vielleicht weiß ich ja heute Abend mehr.“

Damit könnten sich interessante Perspektiven aufzeigen. Bisher wurde den Bundespräsidenten immer eine etwas langsame Eingewöhnungsphase zugestanden, in der sie immer weiter in das Amt wuchsen und sich der Kompetenzen und Möglichkeiten der Rolle bewusst wurden. Oft waren es auch ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen, die in ihrer Amtszeit an Klarheit und Kraft gewannen. Mit Christian Wulff als solch jungem und beliebten Politiker könnte sich da eine ganz neue Frage stellen: Gibt es eine Karriere nach dem Bundespräsidialamt? Kann ein ehemaliger Bundespräsident sogar noch einmal Kanzler werden.

Für Angela Merkel wäre ein Präsident Wulff jedenfalls noch lange nicht ungefährlich.

Bild: © Martina NolteCreative Commons BY-SA-3.0 de

Das ZDF und die Angst vor der Satire

Viel gelobt wurde das ZDF für seine heute-show, eine Satiresendung im Stil der amerikanischen Late-Night. Den Grimme-Preis hat man ebenso eingeheimst wie den Deutschen Comedypreis. Von ZDF-Programmchef Thomas Bellut musste man sich bei der heute-show aber nun eine Rüge abholen, weil Außenreporter Martin Sonneborn, der ehemalige Titanic-Chefredakteur, sich einem Interviewpartner von der Pharmalobby gegenüber angeblich nicht korrekt verhalten hat.

Spiegel Online schreibt dazu:

Im ZDF gibt es Ärger mit der Satiresendung „heute-show“. Einer der Autoren, Martin Sonneborn, hatte einen Pharmalobbyisten zum Interview vor die Kamera gelockt und vor allem die Teile des Gesprächs gesendet, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, so berichtet der SPIEGEL in seiner neuen Ausgabe.

So erzählte der Pro-Generika-Funktionär Peter Schmidt freimütig, was er alles lieber nicht sagen wolle, weil es den Interessen seines Verbands zuwiderlaufe. Nach der Ausstrahlung des Beitrags sieht sich Schmidt hintergangen. Der Satiriker habe unter der Flagge von „heute“ und „heute-journal“ sein Vertrauen erschlichen, weshalb er davon ausgegangen sei, dass die Interviewpausen nicht gesendet würden.

Es ist ja nicht mehr als verständlich, dass Peter Schmidt sich nun aufregt und von „einer echten Schweinerei“ spricht. Natürlich, er wurde ja auch hintergangen. Und Martin Sonneborn hat leicht reden, wenn er darauf antwortet, man habe ja nicht einmal die Unwahrheit gesagt: „Wir hätten unseren Beitrag tatsächlich am liebsten im heute-journal gesehen“.

Dennoch muss sich das ZDF schon einmal fragen lassen, wie wenig Freiheit ihre Satiresendung eigentlich genießen soll. Das gefälschte Interview war eines der Highlights der seit letztem Jahr ausgestrahlten Sendung. Der Pharmalobbyist erzählte freimütig, dass ja auch chinesische Medikamente für wesentlich weniger Geld helfen könnten – das wolle er nur vor der Kamera nicht sagen. Dabei war er sich aber voll bewusst, dass die Kamera vor seinen Augen immer noch lief und verließ sich nur auf den guten Willen der Redakteure, die so frei gesprochenen Passagen nicht zu verwenden. Wenn es einer Satiresendung nicht einmal mehr erlaubt sein soll, zu zeigen, wie sich ihre „Opfer“ selbst blamieren und in aller Öffentlichkeit über ihre recht unsauberen Taktiken zu sprechen, kann man die heute-show doch auch gleich einstellen.

Glücklicherweise ist das Video inzwischen bei Youtube online. Man kann nur hoffen, dass das ZDF dies nicht auch noch verbietet.

Endlich online am Wahlabend

In den Online-Wahlkämpfen der letzten Jahre wagten die Parteien Stück für Stück mehr. Am Wahlabend jedoch war gewöhnlich Funkstille im Netz. Die Sieger der Wahl feierten ausgelassen, gaben ein Fernseh-Interview nach dem anderen – während die Wahlverlierer sich in Krisensitzungen und Telefonaten mit der Bundesführung abstimmen und neu sortieren mussten. Für die Pflege der Internetseiten blieb da keine Zeit und so zeigten sich diese oft bis zum Wochenanfang noch mit Wahlaufrufen geschmückt. Der sonst nicht wirklich spektakuläre Online-Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen bricht damit. Die Parteien setzen auch am Wahlabend gezielt ihrer Internetseiten ein.

Die Wahlverlierer um den nun vermutlich ehemaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers scheinen schon vor der Wahl ihre Kommunikationslinie für eine Niederlage abgestimmt zu haben. Jedenfalls findet sich schon jetzt auf der Startseite der nordrhein-westfälischen CDU die wenig eingängige Krisenverlautbarung: „NRW muss weiter stabil regiert werden“. Man scheint sich in der Parteizentrale wirklich ausschließlich um eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei Gedanken zu machen. Hinter den Kulissen wird es aber wohl mehr um personelle Konsequenzen gehen. Kann Rüttgers den Oppositionsführer machen oder gar in einer großen Koalition Hand in Hand mit Hannelore Kraft arbeiten? Jedenfalls hat man auf der CDU-Seite schon das Wahlergebnis aufgenommen und bekennt „starke Verluste“.


Die Sozialdemokraten sehen sich als Wahlsieger und können in der Tat stolz sein, so nah an die gewünschte rot-grüne Koalition heran gekommen zu sein (die Auszählungen laufen noch). Auf der großen Bildbühne bedankt man sich bei den Wählerinnen und Wählern und bietet leicht zugänglich die Hochrechnungen, Prognosen und Wahlkreisergebnisse an. Zwar wird hierfür nur ein Angebot der dpa übernommen, aber alle nötigen Informationen sind auch ohne großes Eigeninitiative zu erkennen.

Bei den Grünen hat man sich die letzten 3 Tage und Nächte um die Ohren geschlagen, um in letzter Minute noch Wählerfragen zu beantworten und Überzeugungsarbeit zu leisten. Aus der Distanz scheint dieses Angebot, wie auch bei der Bundestagswahl, sehr gut angekommen zu sein. Leider hat man noch nicht den rechten Weg in die Nachberichterstattung der Wahl gefunden. Noch immer leitet gruene-nrw.de auf die Livestream-Seite um und auch der Link zur klassischen Parteiseite bleibt hinter den Angeboten der anderen Parteien zurück.

Die größten Verlierer der Wahl sind wohl die Freidemokraten. Möglicherweise lag es am Besucheransturm, aber vielleicht will man auch keine Aussagen mehr treffen: Die FDP-NRW-Internetseite ist jedenfalls derzeit nicht zu erreichen.

Da ist man selbst bei der sonst nicht gerade netzaffinen LINKEN weiter. Hier freut man sich über das Überspringen der 5-Prozent-Hürde und stellt den interessierten Leserinnen und Lesern auch gleich noch die neue Fraktion der Linken im Düsseldorfer Landtag vor.

NRW-Blogs ersetzen die Presse

Wenn dieser Tage über das Ergebnis der Landtagswahl am kommenden Sonntag spekuliert wird, kommt schnell die Sprache auf die Skandale der Rüttgers-CDU. Immer wieder tauchten in den vergangenen Monaten Berichte auf, wie die CDU Regierungs- und Parteiarbeit nicht sauber trennte oder welche Arbeitsbedingungen in den Büros herrschten. Die brisanten Details stammten aber nicht aus den Redaktionscomputern der Presse, sondern wurden auf Blogs veröffentlicht. Ein Blick auf die Weblogs rund um die NRW-Wahl.


Blogs haben Tradition in Nordrhein-Westfalen, bei den Sozialdemokraten bloggt man schon seit der Landtagswahl 2005. Aber nicht nur die SPD betreibt ein Blog, auch die CDU und die Grünen bespielen solche Plattformen. Dabei verfolgen die Parteien unterschiedliche Konzepte. Die SPD möchte, so der Untertitel des Blogs, aufschreiben, was zwischendurch passiert. In der heißen Wahlkampfphase jedoch werden sich die Beiträge immer ähnlicher. Neue Umfragewerte der SPD werden notiert, auf die Videos der Unterstützerkampagne des Kraftvolls wird verwiesen und Presseberichte werden verlinkt. Bei der CDU wird es noch zurückhaltender. Die Beiträge kommen weniger häufig und sind mehr als Verlautbarungsorgan der Kampagnenmaschine zu verstehen. Bei den Grünen versucht man dem entgegen zu wirken, indem man zahlreiche Autoren gewonnen hat. Bundestagsabgeordnete der NRW-Grünen schreiben ebenso selbst wie die Landesvorsitzenden, die Spitzenkandidatin oder Direktkandidaten. Die größere Bedeutung im aktuellen Wahlkampf aber haben nicht die Parteiblogs, sondern eine ganz neue Gattung.

Bei Wir in NRW schreiben Journalisten, die von ihren Zeitungen nicht genug Freiraum bekommen. David Schraven erklärt bei den Ruhrbaronen:

Betreiber des Blog ist Alfons Pieper. Genau, der ehemalige langjährige Vize-Chefredakteur der WAZ. Ein politisches Schwergewicht mit dicken Drähten in die Landesverwaltung. Dazu kommen einige handverlesene Autoren, die unter Tucholsky-Pseudonymen Interna aus dem Haus Rüttgers verbreiten. Und aus dem Lager der CDU stammen. Es heißt, ihnen sei peinlich, wie Rüttgers seine eigene Partei stromlinienförmig gestriegelt habe. Und dagegen wollten sie sich wehren. Im Dienste der Demokratie. Ich nehme den Leuten das ab.

Michael Spreng sieht ebenfalls eine direkte Verbindung zur CDU. Die geheimnisvolle Quelle nennt er Mister X:

Dieser Mister X (dahinter stecken ehemalige CDU-Mitarbeiter, die Rüttgers nur zu gut kennt) ist ein medienerfahrener Mann, der weiß, mit welchem Timing die Enthüllungen ihre schädlichste Kraft entfalten. Zusammen mit dem schwarz-gelben Chaos in Berlin ist dies eine so unheilvolle Kombination, dass wahrscheinlich auch stärkere Naturen als Rüttgers wenig dagegen ausrichten könnten. Aber noch eine Woche muss er diesen Zangenangriff durchstehen. Wahlkampf ist wirklich kein Vergnügen.

Es ist schon faszinierend, dass politische Blogs nach 2005 noch einmal zu einiger Bedeutung kommen in Deutschland, ohne dass sie im engsten Sinne als Blogs zu sehen sind. Natürlich, die Beitragsform und die Veröffentlichungsart sind die eines Blogs, aber es scheint sich mehr um einen Ausweg für politisch gegängelte Journalisten zu handeln. Die engen Quellenverbindungen der Nachrichtenmacher in die Parteizentralen würden einem Blogger nie offen stehen.

Die Frage nach der Bedeutung der Blogs im Landtagswahlkampf sollte also eigentlich umformuliert werden und lauten: Wie schlimm ist es eigentlich bestellt um die politische Presse in Nordrhein-Westfalen?