Notizen zu sozialen Netzwerken in Europa

Wenig beachtet hat in der vergangenen Woche die European Network and Information Security Agency (kurz ENISA) ihren aktuellen Bericht zur Internetsicherheit veröffentlicht. Darin geht es in diesem Jahr schwerpunktmäßig um das Thema „soziale Netzwerke“:

Experiencing online social networking sites (SNSs) has become one of the most
popular activities carried out on the Internet. The modern way of staying in
touch with business and personal contacts is to be present on social networking
sites and to communicate using e-mail and other digital tools. The social
networking phenomenon has registered an exceptional growth trend and there has
been a widening in terms of users profiles involved in such activity (1),
affecting and changing consequently the way people get in contact, meet,
communicate and share opinion, information and ideas. This phenomenon is rapidly
evolving not only in relation to the audience, changing its demographics, but
also in relation to the way the audience itself can experience social networks.
Besides traditional computer-based access, users are now able to access social
networks through their mobile phones.

Im folgenden werden neue Daten zur Verbreitung von sozialen Netzwerken in Europa dargestellt:

Of the around 283 million European users, 211 million of them, aged 15 and older
who accessed Internet via a home or work computer, visited a social networking
site. The largest public is represented by the UK with 29 million visitors,
reaching 80% of the countrys total Internet audience. Among all social
networking sites, Facebook has gained a top position throughout the majority of
European countries. A research conducted by comScore  stated that, of the 17
European countries included in the study, Facebook played a leading role in the
social networking category in 11 of them in terms of unique visitors. The
sites largest audience is in the UK with about 23 million visitors followed
by France with about 14 million visitors. The only countries in which Facebook does not hold the No 1 or No 2 position are Germany (No 4), Portugal (No 3) and Russia (No 7).

Abschließend geben die Autoren den Nutzern der Netzwerke ein Regelwerk an die Hand; in Form goldener Regeln. So sollen Nutzer Spitzennamen verwenden und sich nach einer Sitzung am Rechner immer abmelden. Dem Netzwerk sollten sie dabei nicht erlauben, die Zugangsdaten im Cache zu speichern

Golden rules:

1. Consider carefully which images, videos and information you choose to publish

2. Never post sensitive information

3. Use a pseudonym

4. Do not accept friend requests from people you do not know

5. Verify all your contacts

6. etc.

Nicht ganz uninteressant erscheint in diesem Zusammenhang auch ein Artikel von heise-Online aus der vergangenen Woche:

Soziale Netzwerke sind „wahre Fundgruben für Ermittlungs- und Fahndungszwecke“. Das schreiben die Polizeidozenten Axel Henrichs und Jörg Wilhelm in einem Aufsatz der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Kriminalistik. Analog zum verdeckten Ermittler (VE) müsse die Polizei verstärkt virtuelle verdeckte Ermittler (VVE) einsetzen.

Screenshot: ENISA

Zweiklassensystem im Internet

Die Gesellschaft mit allen ihren Eigenarten wird im Internet digitalisiert und fortgeführt. So sieht es zumindest dana boyd [sic!]. Die Kommunikationswissenschaftlerin sprach Ende Juni im Rahmen ihrer Keynote beim diesjährigen Personal Democracy Forum in New York von einem Zweiklassensystem („second class citizenship“), welches im Internet immer stärker zu beobachten sei. Unter dem Titel „The Not-So-Hidden Politics of Class Online“ beschäftigte sich boyd mit der Frage, welche Rolle Social Network Sites für öffentliche Kommunikation spielen. Sind die Plattformen in der Lage Brücken zwischen den verschiedenen Teilen der Netzbevölkerung zu errichten oder reißen sie die Gräben eher noch weiter auf? Boyd verglich dazu die beiden in den USA reichweitenstärksten sozialen Netzwerke MySpace und Facebook. In Befragungen von mehreren hundert Jugendlichen stellte sich heraus dass die sozialen Umgebungen des Internet stärker mit realweltlichen Gesellschaftsbereichen vergleichbar sind, als bisher gedacht. So ist MySpace für viele der Befragten mit einem “ghetto” vergleichbar, während Facebook wiederum eher die „honors-kids“ miteinander verbinde.

boyd: „MySpace has become the „ghetto“ of the digital landscape.“

Die von boyd interviewten Jugendlichen fassen die Situation folgendermaßen zusammen:

Kat (14, Mass.): „I’m not really into racism, but I think that MySpace now is more like ghetto or whatever, and Facebook is all… not all the people that have Facebook are mature, but its supposed to be like oh we’re more mature. … MySpace is just old“.

Anastasia (17, New York): „My school is divided into the ‚honors kids,‘ (I think that is self-explanatory), the ‚good not-so-honors kids,‘ ‚wangstas,‘ (they pretend to be tough and black but when you live in a suburb in Westchester you can’t claim much hood), the ‚latinos/hispanics,‘ (they tend to band together even though they could fit into any other groups) and the ‚emo kids‘ (whose lives are allllllways filled with woe). We were all in MySpace with our own little social networks but when Facebook opened its doors to high schoolers, guess who moved and guess who stayed behind… The first two groups were the first to go and then the ‚wangstas‘ split with half of them on Facebook and the rest on MySpace… I shifted with the rest of my school to Facebook and it became the place where the ‚honors kids‘ got together and discussed how they were procrastinating over their next AP English essay“.

Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer allgemeinen miteinander verbundenen Netzöffentlichkeit gesprochen werden. Die sozialen Netzwerke stellen räumlich voneinander getrennte Plattformen dar, die es den einzelnen Nutzern nicht ermöglichen miteinander zu kommunizieren. Im Internet sind also verschiedene Treffpunkte entstanden. Damit platzt auch seifenblasenähnlich die von deutschen Politikern gerne zitierte „Netzcommunity“ als Allgemeinheit der Nutzer im Internet. Nach boyd gibt es keine „universal public online”.

“ There is no universal public online. What we see as user „choice“ in social media often has to do with structural forces like homophily in people’s social networks. Social stratification in this country is not cleanly linked to race or education or socio-economic factors, although all are certainly present. More than anything, social stratification is a social networks issue. People connect to people who think like them and they think like the people with whom they are connected. The digital publics that unfold highlight and reinforce structural divisions.”

Anders als Emails sind soziale Netzwerke wie MySpace und Facebook räumlich getrennt voneinander und können nicht miteinander verbunden werden.

“Social network sites complicate this even further. Social network sites are not like email where it doesn’t matter if you’re on Hotmail or Yahoo. When you choose MySpace or Facebook, you can’t send messages to people on the other site. You can’t Friend people on the other site. There’s a cultural wall between users. And if there’s no way for people to communicate across the divide, you can never expect them to do so.”

In ihrer Untersuchung beschäftigte sich boyd jedoch nur mit der US-amerikanischen Situtation weshalb die Frage nahe liegt, ob eine ähnlicher Vergleich auch in Deutschland mit den inzwischen etablierten sozialen Netzwerken möglich ist? Kann man zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man die beiden unter jungen Erwachsenen besonders beliebten sozialen Netzwerke StudiVZ und Facebook betrachet? Spaltet sich die die  deutsche Studierendenschaft also in StudiVZ- und Facebook-Anhänger? Ebenso zentral bleibt in Deutschland die Frage nach regionalen Unterschieden (bspw. Lokalisten vs. Wer kennt wen).

Wurzeln wachsen langsam

Heute ging das grüne Mitgliedernetz für den Wahlkampf in diesem Jahr online. Bisher ist eine Beurteilung für Nichtmitglieder nicht möglich, nur Parteimitglieder haben in den letzten zwei Tagen ihre Zugangsdaten mit der Post bekommen. Einige Aussagen lassen sich aber auch ohne Einblick in das System treffen.

1. Nichtmitglieder müssen – vorerst – draussen bleiben

Auch wenn das „Wurzelwerk“ getaufte soziale Wahlkampfnetzwerk der Grünen heute online ging, werden Nichtmitgliedern jegliche Einblicke versagt. Grundsätzlich finde ich es einen legitimen Gedanken, weite Bereiche des Mitgliedernetz oder sogar den gesamten Zugang nur den eigenen Parteifreunden zu gewähren. Schließlich sind diese nicht nur die einzige Zielgruppe, es mangelt wohl auch nicht an internen Informationen.

Aber die Grünen wollen die Externen Besucher ja gar nicht aussperren, sondern bitten sich einfach noch einige Zeit mehr aus. Die Betreiber versprechen eine Öffnung für Besucher ab Ende nächster Woche, verschenken damit aber unnötig öffentliche Aufmerksamkeit. Für anderthalb Wochen Verzögerung riskiert man das ungute Gefühl der Intransparenz und versteckt die möglicherweise beeindruckenden neuen Möglichkeiten vor der Öffentlichkeit.

2. Auch Mitglieder kämpfen mit dem Wurzelwerk

Die Berichte über extreme Wartezeiten oder gar fehlende Erreichbarkeit des Wurzelwerks dauern schon den ganzen Tga an. Die Twitter-Suche malt ein beeindruckendes Bild davon. Lars Brücher spottet: „Logins werden sicher händisch freigeschaltet, wenn da einer eine rauchen ist, kann das ein bisschen dauern“. Till Westermayer kann auch sein Lied vom Anmeldevorgang singen: „Bisheriger Eindruck: das Login dauert über 5 Minuten. Bin noch immer nicht drinne.“ Über Fehler bei der Gruppenfunktion oder falsche Zuordnung in Landesverbände beklagen sich weitere Benutzer. Der Begriff „alpha“, also unfertige Software, macht schon die Runde.

Warum all diese technischen Probleme auch nach der langen Testphase mit einigen netzaffinenen Grünen noch immer bestehen, bleibt natürlich offen. Vermutlich sind es auch wirklich handfeste Probleme, mit denen die Betreiber zu kämpfen haben. Möglicherweise wäre aber dann doch eine spätere Veröffentlichung sinnvoll gewesen. Auch in der Natur wachsen Wurzeln eben langsam.

MySpace für Politiker: Polixea

Eine entscheidende Marktlücke im Internet hat Polixea nun gefüllt (oder man versucht es zu mindestens): Das Politiker-Social-Networking.

Die hinter Polixea stehende Trupoli AG bietet bereits seit einigen Jahren verschiedene Angebote, die Politiker und ihre Wähler vernetzen sollen. Während Polixea bis vor kurzem durch polixea-kommunal.de (damals noch unter anderem Namen) hauptsächlich Kommunalpolitikern bekannt war, wurde in der Zwischenzeit viel unternommen um auch Wähler auf die Seiten zu locken.

Dies fing an mit der Abgeordnetensuchfunktion, die den Kontakt zu den eigenen Abgeordneten in der Vor-Abgeordnetenwatch-Zeit erleichtern sollte; hin zu trupoli.com, einer Plattform in der man nach dem „hot or not“-Prinzip Politiker bewerten kann, nur eben anhand deren Aussagen.

Und nun also polixea-profile.de. Ähnlich den bekannten Social-Network-Plattformen Facebook und MySpace können Politiker sich dort präsentieren und mit potentiellen Wählern kommunizieren, bzw. einen „Unterstützerkreis“ aufbauen.


Momentan tummeln sich dort vor allem Landes- und Kommunalpolitiker. Doch auch die ersten Bundestagsmitgliedern sind mittlerweile zu finden.

Auf den ersten Blick verwundert der Termin der Veröffentlichung des Portals: Nach Ende des Wahljahres 2008. Beim genaueren Betrachten erscheint dieser jedoch logischer, denn -wie gesagt- sind bisher wenige prominente Bundespolitiker auf der Plattform zu finden. Wahrscheinlich erhofft man sich, das Angebot bis zum Wahlkampf 2009 (womöglich dem ersten Internetwahlkampf?) zu etablieren und dann auch mit der Berliner Prominenz aufwarten zu können.

Aber mal schauen… Und wer hat nicht schon immer auf Fotos aus dem Privatleben seines Abgeordneten gewartet oder wollte wissen welches sein Lieblingsessen ist…?