Eröffnungszug

Viel hat sich bewegt, seit wir dieses Blog vor mittlerweile mehr als 3 Jahren gemeinsam neu gegründet haben. Damals war „Politik und Internet“ ein Thema, über das man vereinzelt sprach – meist, wenn gerade Wahlkampf war. Mittlerweile hat das Internet seinen Einfluss auf so viele Lebensbereiche manifestiert, dass auch in der Politik die Wechselwirkungen nicht mehr zu übersehen sind. FDP– und Grünen-Abgeordnete diskutieren über ein Internetministerium, der Innenminister setzt sich öffentlich mit dem Thema Open Data auseinander und, ja, man vergisst es oft, die Kanzlerin betreibt immer noch ein Video-Podcast. Im ganzen Land werden Bürgerhaushalte ausprobiert, mehrere MinisterInnen (lassen) twittern und es gibt eine neue Partei, die vor allem mit und im Internet bekannt geworden ist.

Szenenwechsel: Vor nicht ganz einem Monat saßen wir in Köln mit dem ehemaligen Redaktionsteam der Kampagnenpraxis zusammen und diskutierten die Zukunft von Politik und Gesellschaft im Internet. Aber es waren nicht die Erfolgsbeispiele, die wir in 50 Ausgaben unserer Reports zusammen gestellt haben, die das Gespräch dominierten. Sondern der Gedanke, was wir erreicht haben. Haben wir mit den konzentrierten Infos, den Beispielen effizienter und innovativer Kampagnen zum Nachbauen wirklich etwas bewirkt? Verändert sich politische Kampagnenführung mit dem Internet? Bei allen guten Beispielen scheint es fast so, als müsse man mit dem Blick aus der Totalen ganz einfach Nein sagen. Ich glaube, dass es vier grundlegende Probleme gibt, die jeden Fortschritt in Sachen Kampagnenarbeit verhindern. Diese Punkte wird nicht jeder teilen, mancher wird sich angegriffen fühlen. Aber ich denke, dass sich etwas tun muss. Und wir hoffen, damit etwas bewegen zu können; eine Diskussion anzustoßen, die dringend nötig geworden ist. Weiterlesen

Kolumne: Freunde bis 18 Uhr

Am Wahlabend zur Berliner Abgeordnetenhauswahl wurde auch anderswo gewählt: in Rüsselsheim zum Beispiel ein neuer Oberbürgermeister. Auch wenn sich nahezu alle Augen auf Berlin richteten – von Rüsselsheim können auch die Berliner Kampagnenmanager lernen.

Nur 10 Minuten nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses wandte sich der unterlegene Kandidat Jo Dreiseitel via Facebook an seine Wähler und dankte ihnen für ihr Vertrauen. Ebenso gratulierte er dem glücklichen Gewinner.

Was sich so einfach anhört, zeigt wichtige Lektionen für die Kampagnenführung (nicht nur) im Internet. Kampagnen dauern nicht nur bis zur Schließung der Wahllokale. Unterstützer verlieren nicht alle ihre Überzeugungen mit dem Einwurf eines Umschlags in die Wahlurne. Wahlkämpfe schaffen Beziehungen, die nicht einfach am Wahlsonntag um 18 Uhr enden. Zudem: Die Unterstützer haben ihr Engagement und ihre Begeisterung in den Wahlkampf eingebracht, ob nun auf der Straße oder als Wähler. Sie sind es, die den Kandidaten so weit gebracht haben – und dafür verdienen sie ein Dankeschön.

Oft klappt das im Kleinen. In Rüsselsheim hat man gemerkt, dass ein Platz dafür das Internet ist. Aber bei einer Bundestagswahl sieht man diese Dankbarkeit, trotz vieler freiwilliger und bezahlter Helfer, eher selten. Es wird Zeit, sich zu bedanken! Und zwar nicht nur, weil Dank zu zeigen einfach anständig ist, sondern weil jede Kampagne auch bis zum Ende professionell geplant sein und schon an die nächste Wahl denken sollte.

[Erschien zuerst in: politik&kommunikation, November 2011]

Was Piraten von der Causa Mack halten

Schon interessant, wie die Piraten aus dem Main-Kinzig-Kreis sich zum Streit und zur Position Daniel Mack positionieren. Im Interview mit GNZ-Redakteurin Esther Ruppert-Lämmer sagten sie:

Thema Politik 2.0: Der unbedarfte Beobachter könnte nach den Schlagzeilen um den ehemaligen Grünen-Fraktionsvize Daniel Mack den Eindruck gewinnen, bei „Twitter“ handele es sich vorrangig um ein erstklassiges Diffamierungsinstrument, das dazu dient, den politischen Gegner – manchmal auch innerhalb der eigenen Reihen – bloßzustellen. Wie viel Porzellan hat Mack zerschlagen, und was wollen die Piraten in der politischen Kommunikation im Netz besser machen?

Praschak: Twitter ist erst mal nur ein Kommunikationskanal. Herr Mack hat durch sein gesamtes Handeln, egal ob im Internet oder im „Real-Life“, den jetzigen Punkt erreicht. Die destruktive Kritik an der Dezernentenwahl war nur ein Anlass. Wir haben seine arrogante und teils falsche Art ja selbst erleben dürfen. Durch Löschen von Tweets oder das nachträgliche Ändern von Blog-Beiträgen kommt es zum Drehen an der Täter-Opfer-Rolle. Er gaukelt so falsche Tatsachen vor und blendet die Öffentlichkeit. Was er macht, ist keine Politik 2.0, das ist das Verhalten eines Trolls. Er nutzt das Netz und seine mediale Reichweite nur, um sich selbst darzustellen.

Waller: Ob wir Piraten besser kommunizieren können und die aufgeworfenen Fragen oder Ideen annehmen können, müssen die Bürger bewerten. Unsere Grundidee ist aber ein konstruktiver Dialog, der sich aus dem Gedanken der sogenannten Schwarmintelligenz speist. Gemeinsam sind wir stark. Wobei wir natürlich auch nicht mit Kritik sparen, wo sie angebracht ist, auch innerhalb der Piraten. Blockieren von kritischen Nutzern auf Twitter oder das Sperren von politisch unliebsamen Kommentaren, wie Herr Mack das gerne macht, wird es so bei uns aber nicht geben.

Mir kommt’s vor, als hätte ich das so oder so ähnlich schonmal irgendwo gelesen

[via Chris Albrecht]

OpenSource und Meinungsfreiheit

In Amerika regt sich Unmut gegen die Obrigkeit, die eine Verschärfung des Internetrechts plant. Besonders interessant ist der Widerstand aus der OpenSource-Community. Mark Jaquith ist WordPress-Entwickler und begründet seine Ablehnung mit seiner Begeisterung für die Meinungsfreiheit:

One of the reasons that I help make WordPress is because of my deeply held conviction that free speech is the most powerful and beneficial tool humans have ever had at their disposal. The Internet is a grand experiment that not only makes communications fast — it embraces freedom by design. This legislation is a low level attack against the system of trust upon which the Internet is based. It’s an attack on freedom of speech and on economic freedom. It’s corporate cynicism of the worst kind.

Bürgerhaushalt in Frankfurt

Mit dem „Frankfurter Bürgerhaushalt 2013“ wird die Stadt Frankfurt am Main ab morgen einen neuen Weg der Bürgerbeteiligung gehen. Bis zum 18. Dezember können Vorschläge eingereicht, bewertet und kommentiert werden, wie die Verteilung der Gelder im Stadthaushalt 2013 aussehen soll. Die Projektseite „Frankfurt fragt mich“ (ffm.de) ist derzeit zwar noch nicht erreichbar, aber immerhin lassen sich bereits ein paar Informationen in einer Pressemitteilung finden. Dort heißt es dazu:

„Die Frankfurterinnen und Frankfurter haben die Möglichkeit, ihre Vorschläge über die Internetplattform www.ffm.de, per Postkarte, Brief, Fax, Telefon oder bei den mobilen Teams abzugeben. Äußern kann man sich zu jedem Thema des Haushaltes.“

Die 100 Vorschläge mit den meisten Stimmen, werden anschließend Ende Dezember vorgestellt, später in Workshops beurteilt und im Frühjahr 2012 der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt. Die Parlamentarier sind nicht verpflichtet, sich an die Vorschläge zu halten, die Frankfurter Rundschau spricht aber von einem gewaltigen, moralischen Druck.

Erstaunlich ist, dass sich mit Frankfurt eine Großstadt an dieses Thema wagt, da Kritiker der Bürgerhaushalte immer wieder behaupten, dass derartige Projekte wenn überhaupt in kleineren Städten und Kommunen umsetzbar seien. Die Frankfurter Ergebnisse werden also schon jetzt mit Spannung erwartet. Natürlich auch weil insgesamt 1,2 Millionen Euro für die Durchführung des Bürgerhaushalts eingeplant wurden.

Wie ein onlinegestützter Bürgerhaushalt aussehen kann, hat übrigens die Stadt Solingen bereits im Frühjahr 2010 gezeigt. Damals habe ich gemeinsam mit Lorenz Keller für die Kampagnenpraxis von diesem Projekt berichtet: „Stadt fragt Bürger nach Sparmöglichkeiten“.