Wahlplakate 2009

Nur noch anderthalb Monate sind es bis zur Bundeswahl und allmählich haben alle Parteien ihre diesjährigen Wahlplakate vorgestellt. Auf homopoliticus.de finden sich alle Plakatmotiven von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Linken mit einer Analyse von Achim Schaffrinna.

Interessant ist die Verteilung von Themen- und Personenwahlkampf unter den Parteien. Die Kanzlerinnenpartei CDU stellt ihre beliebten (und manche unbeliebtere) Spitzenpolitiker rund um Angela Merkel auf. Die SPD setzt dagegen auf einen Themenwahlkampf für Frank-Walter Steinmeier, der als einziger Spitzensozialdemokrat ein eigenes Plakat erhält. Auf der anderen Seite des Spektrums setzen die Grünen durchweg auf Inhalte und werfen mit einer schon unüberschaubaren Menge an Forderungen um sich. Wer soll bei 11 Themenplakaten noch durchblicken? Die Spitzenkandidaten Trittin und Künast jedenfalls fehlen auf den Plakatmotiven (Update: Mit Dank an Till Westermayer haben wir die Personenplakate der Grünen eingefügt). Den ausgewogensten Mix zwischen Themen und Köpfen zeigt die Linkspartei, die Lafontaine und Gysi mit gleich 4 Motiven prominent neben den 6 Themenplakaten positioniert.

Für uns kommentiert Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch die Gestaltung der Wahlplakate 2009. Vielen Dank dafür.

CDU

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Die gestalterische Qualität zeigt sich in vielen Bereichen. Das Farbkonzept ist ausgereift. Blaue Töne schaffen Vertrauen, die dank der türkisfarbenen Akzente, die mal dezent und mal stärker gesetzt sind, keine Schwere und keine Trägheit verkörpern, sondern eine lebendige Frische ausstrahlen. Orange als fester Bestandteil des Corporate Designs der CDU ergänzt das Konzept. Der variable Aufbau und die Ausrichtung der typografischen Elemente unterstreicht diese Lebendigkeit, die man in der hier gezeigten Galerie wunderbar veranschaulicht sieht. Bei der Typografie fiel die Wahl – trotz eigener Hausschrift („CDU Kievit“) – auf die Helvetica, die bauchiger ist und weiter läuft. Der enge Zeilenabstand in Kombination mit Großbuchstaben lässt die Plakate zeitgemäß erscheinen. Das Besondere an den Plakaten ist, dass sie nicht in Baukastenmanier entstanden sind – also anderer Kopf rein > neue Überschrift > fertig – sondern ausgehend von der Fotografie jeweils eine individuelle Anordnung von Text und Bild geschaffen wurde. Einzig das CDU-Logo ist als feste Konstante stets rechts unten eingebunden. Die Fotos selbst sind allesamt Momentaufnahmen und keine Porträts. Auch das unterscheidet sie von den Mitbewerbern. In Photoshop wurde nachträglich hier ein Blendenfleck und da ein Weichzeichner angelegt um den Eindruck des Flüchtigen zu unterstreichen. Das Konzept hinter den Plakaten lautet: Natürlichkeit ist Trumpf.

Fazit: Tolle Arbeit. Feine Plakate. Würde man nicht eine Partei wählen, sondern die Gestaltung der Plakate, wäre dies mein Favorit.

SPD

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Nach der mutigen, gestalterisch einzigartigen und von einigen Seiten kritisierten SPD-Kampagne zur Europawahl fallen die Plakate zur Bundestagswahl doch eher gewöhnlich aus. Aufmacher der Plakate sind Textbotschaften, die in imposanter Größe und Stärke, gesetzt in der SPD-Hausschrift „TheSans“, auch bei schneller Vorbeifahrt noch aufgeschnappt werden können. Die Aufbereitung eines Informationskonzentrats, dass leicht konsumiert werden kann, ist ein tragendes Moment solcher Wahlwerbeplakate. Statt Köpfe werden Gründe präsentiert, die sich die Bundespartei vielleicht vom Oberbürgermeister von Hannover Stephan Weil „abgeguckt“ hat. Neben der rein typografischen Serie, gibt es eine Linie, in der Menschen wie du und ich „ihren“ Grund benennen. Gutausehend sind sie. Die Attraktivität der abgebildeten Menschen soll bestenfalls in Form eines Image-Transfers auf die Partei abfärben. So jedenfalls die Philosophie hinter der Testimonial-Idee. Die Fotos sind inszeniert, wirken aber natürlich.

Fazit: Handwerklich gibt es nichts zu bemängeln. Das lässt sich auch zum Corporate Design der SPD sagen, obwohl ich mich immer noch mit dem neuen 3D-Logo der SPD schwer tue. Gestalterisch können sie nicht an die provozierende EU-Serie anknüpfen.

FDP

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Einheitskost par Excellence! Diese Art der Wahlwerbung kennen wir seit Jahrzehnten und nehmen sie kaum noch zur Kenntnis. Da hilft auch das schreiende Gelb nicht. Ein Lächeln für die Kamera. Die Deutschlandfahne dezent im Hintergrund und eine, teils schlecht gesetzte Überschrift. Das ist stereotyp, abgegriffen und ebenso einfallslos wie die Botschaft „Mehr Netto vom Brutto“. Im Plakat von Otto Solms steht das gelb gesetzte „besser“ auf gelbem Untergrund. Oh wei. Liebe FDP-Plakat-Gestalter, das geht deutlich besser. Bitte denkt doch an die Menschen, die die Botschaften lesen sollen.

Fazit: Die Gestaltung, soviel lässt sich ablesen, ist kein Schwerpunkt der FDP. Sie liefert mit weitem Abstand das konservativste Angebot zum Thema Wahlwerbung.

Grüne

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Nachdem WUMS gestalterisch eher nach hinten los ging, sind die Grünen wieder näher bei sich, wie ich meine. Die Plakate sind im rohen Graffiti-Look angelegt. Natürlich geht heute keiner mehr mit der Sprühdose los. Mit entsprechender Werkzeugspitze werden Schriftzüge und Bildelemente detailverliebt in Photoshop erstellt. Das ist handwerklich gekonnt. Ganz bewusst werden Schablonenkanten mit der Maus gesetzt, um den Eindruck zu vermitteln, man sei wild, rebellisch und authentisch. Street-Art ist ganz nah bei den Menschen. Das steckt hinter dem Konzept. Ich finde es gar nicht verwerflich, dass sich hier keiner die Finger mit Farbe schmutzig gemacht hat sondern nur der Anschein erweckt wird, man hätte die Wände besprüht. Der Aufbau nutzt, anders als SPD, FDP und Die Linke, keine Schablone. Man möchte meinen, je nach Lust und Laune wurden bildhafte Elemente und knackige Begriffe arrangiert. Grün, Gelb, Rot, Blau und Magenta erzeugen ein buntes Miteinander. Passt ja durchaus zu den Vorstellungen der Partei in Bezug auf das Zusammenleben von Menschen.

Fazit: Die Grünen präsentieren ein Design, das passt. Hinter der Unordnung steckt handwerkliche Akribi. Wer allerdings grundsätzlich die Partei nicht mag, dem wird vermutlich auch das Spröde und das Rohe in der Gestaltung nicht zusagen.

Die Linke

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Die Schriftart Helvetica findet sich bei der CDU und auch bei den Linken. Wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten der Parteien. Allerdings sieht man sie bei den Linken in einer sehr eng gestellten Form, die natürlich den Vorteil hat, dass man auf kleinem Raum viel unterbringen kann. Die Farbkombination Schwarz, Weiß, Rot ist alles andere als politisch unbelastet. Die schwarzen Lettern, in Kombination mit der scharf abgesetzten roten und weißen Fläche, wirken nicht nur nicht frisch und wenig natürlich, sie erscheinen aggressiv. Das Ausrufezeichen hinter jeder Überschrift ist gar nicht notwendig. Die Gestaltung selbst unterstreicht jede einzelne Forderung. Insofern ist es eigentlich eine gute Gestaltung, mögen muss man sie aber deswegen nicht. Stilistisch ist sie mir einfach zu hart, zu kompromisslos. Gerade die Bereitschaft zu Kompromissen zeichnet die Politik aus. Den Fotografien wiederum fehlt jede Stringenz und jeder Biss. Mal hängt die Unterlippe von Gisy schief und mal blickt Lafontaine offenbar vollkommen geistesabwesend in die Kamera. Das sind dann auch die einzigen Köpfe, die bei der Linken gedruckt wurden. Die anderen lassen ihren Hintern ablichten.

Fazit: Laut und wuchtig ist die Gestaltung. Hier werden keine feinen Töne angeschlagen. Auch wenn man den Stil nicht mag, so ist die Ausarbeitung der Plakate immer noch präziser als das Werk der FDP.

Soweit der Blick als Gestalter auf die Wahlplakate zur Bundestagswahl 2009. Ich fands spannend die Plakatserien der Parteien im Umfeld von Homo Politicus kommentieren zu dürfen. Überraschend ist für mich, dass die CDU in Bezug auf die Gestaltung gar nicht mal so konservativ erscheint, wie es ihrer Programatik entspricht. Sie gibt sich optisch jung, frisch und zeitgemäß. Die Grünen und die SPD liefern ansprechende Lösungen. Die Linke poltert in ihrem Erscheinungsbild und die FDP hat den Anschluss verloren und dümpelt im Design von gestern.

Achim Schaffrinna ist Diplom-Designer und Autor des Fachblogs Design Tagebuch. Lange Zeit im Agenturumfeld, arbeitet er heute als Leiter Design bei Madsack Online in Hannover und betreut dort seit Juni 2009 die digitalen Angebote des Verlagshauses Madsack.

Fotos: cdu.de, wahlkampf09.de, fdp.de, gruene.de, die-linke.de

Prominente Wahlhelfer

Wie  üblich haben die Parteien auch zu dieser Bundestagswahl wieder alles gegeben, um möglichst viele mehr oder weniger bekannte Gesichter für ihre Kampagnen zu gewinnen.
Schauspieler Matthias Schweighöfer verkündete zwar vor kurzem, dass er es nicht für sinnvoll halte, wenn Promis öffentlich Wahlempfehlungen abgäben, aber es gibt sie natürlich trotzdem, die Partei-Promis.

Den medienwirksamen Aufschlag für den Promiwahlkampf machte die SPD bereits im Juli, als sie die aus der RTL-Sendung „Die Supernanny“ bekannte Pädagogin Katharina Saalfrank als SPD-Unterstützerin der Öffentlichkeit präsentierte. Bereits zuvor hatte das CDU-Unterstützerteam von Angela Merkel (TeAM Deutschland), jedoch mit einer vergleichsweise geringeren Medienaufmerksamkeit, den Schauspieler Markus Majowski als  Merkel-Unterstützer vorgestellt. Für die Meisten wesentlich bekannter wirbt die CDU-Kampagne seit heute auf ihrer Webseite mit dem ehemaligen Fussballnationalspieler Olaf Thon. Nur einen Tag zuvor hatten die Grünen angekündigt, dass sie in diesem Jahr im Wahlkampf durch Rockrebellin Nina Hagen unterstützt werden.

Neben den vorgestellten Personen haben sich auch schon einige Prominente im Rahmen der ZDF-Sendung „Illner intensiv“ zu einer Partei bekannt. So trat für die Grünen in der Sendung der Schauspieler Volker Brandt auf, da er der Überzeugung ist, dass ein Umdenken in Energiefragen notwendig ist. Als Fürsprecher für die Linkspartei ließ sich der Autor Wladimir Kaminer gewinnen, der bekundete, die Foderungen der Linken gingen ihm häufig nicht einmal weit genug . Die FDP wiederum wurde im Rahmen der Sendung von Florian Langenscheid (Verleger, Autor und TV-Moderator) vertreten. Als SPD-Unterstützerin wird in der nächsten Woche die Schriftstellerin Juli Zeh auftreten. Im Bundestagswahlkampf 2005 gehörte sie zu den Mitunterzeichnern, die den Aufruf von Günter Grass zur Unterstützung der Rot-Grünen Koalition unterschrieben hatten. Abzuwarten bleibt, wer für die CDU übernächste Woche, als letzte vorgestellte Partei, im Rahmen der Sendung in den Ring steigen wird.

Insgesamt hält sich die deutsche A- und B-Prominenz im Wahlkampf derzeit noch weitgehend zurück. Auch die SPD, die unter Gerhard Schröder für ihre prominenten Unterstützer bekannt war, hat öffentlich bislang noch wenig Werbung mit bekannten Gesichtern gemacht.

Während man den Promis derzeit noch eine Parteimüdigkeit bescheinigen kann, lässt sich zumindest nicht behaupten sie wären auch politikmüde. So beteiligt sich die deutsche Prominenz momentan an einer ganzen Reihe von Aktionen gegen die allgemeine Wahlmüdigkeit. Den Anfang machte gehnichthin.de (probono.tv & politik-digital.de) und weiter geht es mit der Aktion  „WonAir“ (Wahl on Air) der Bundeszentrale für politische Bildung, für die 80 Prominente im Rahmen von Radiowerbespots erklären, warum es sich lohnt wählen zu gehen.

Abzuwarten bleibt, was aus den prominenten Parteiunterstützern des letzten Bundestagswahlkampfes geworden ist. 2005 wurde Angela Merkel beispielsweise durch Modeschöpfer Wolfgang Joop unterstützt. Gerhard Schröder konnte damals u.a.  mit Entertainer Götz Alsmann, Techno-DJ Paul van Dyk, Klaus Meine von den Scorpions, Schlagersänger Roland Kaiser, Nobelpreisträger Günter Grass, Autorin Alexa Hennig von Lange und den SchauspielerInnen Iris Berben, Hannelore Elsner und Ottfried Fischer ein schon fast überdimensionales Promi-Unterstützerteam vorweisen.

Ob die prominenten Unterstützer auch in Zeiten einer umfragegebeutelten SPD, die mit 20-24% gehandelt wird, bereit sind, ihre Namen für die Kamapgne herzugeben, wird sich zeigen.

Bild: YouTube wirmachensTV

Nicht siegen, um zu gewinnen

Wohl nur kurzfristig hat die leichte Begeisterung über den vermutlich gar nicht so unrealistischen Deutschland-Plan von Frank-Walter Steinmeier die Nachrufe auf die SPD verstummen lassen. Die aktuellen Umfragezahlen aller Institute jedenfalls sehen noch keine Spur einer Trendwende der ach so gebeutelten Sozialdemokraten.

Bertrand Benoit von der Financial Times schreibt den richtigen Beitrag in diese Zeit – mit der einfachen Botschaft, dass für die SPD keinesfalls alle Felle davon geschwommen sind. Er beschreibt zwei Fehler, die man vor allem als Beobachter aus dem Ausland machen kann; doch auch die Inländer sind davor nicht gefeit.

„There are two mistakes one can make when watching the election. The first is to think of it as a Merkel-Steinmeier confrontation. If it were, there would indeed be no doubt as to the outcome.

This is a competition between parties, and since no single grouping is popular enough to muster an outright majority in the Bundestag it is a contest between groups of parties, potential ruling alliances.“

Der erste Fehler, so Benoit, sei es, von einem Duell zwischen Merkel und Steinmeier auszugehen. Auch von einem Schlagabtausch von CDU und SPD will er nichts wissen, sondern rückt ganz pragmatisch die späteren Regierungskoalitionen beziehungsweise die Optionen dafür ins Bild. Es stehen sich also nicht Merkel und Steinmeier, nicht CDU und SPD gegenüber, sondern eine christliberale Koalition kämpft mit knappem Vorsprung gegen alles, was sie verhindern könnte. Ehrlicherweise gesteht Benoit aber sogleich ein, dass es sich dabei im wahrscheinlichsten Falle um eine große Koalition handeln muss. Für ihn allerdings kein Grund, von einer Niederlage der SPD zu reden. Ganz im Gegenteil:

„The second would be to define victory in similar terms for the CDU and SPD. As in 2005, Ms Merkel’s goal is for the CDU and the small Free Democratic party to obtain enough votes to form a coalition. Mr Steinmeier’s goal is to prevent this.

This matters because whether a re-elected Ms Merkel leads a centre-right alliance or another grand coalition would make a huge difference in areas ranging from tax policy to nuclear energy. Indeed, as grand-coalition chancellor over the past four years she implemented more measures from the SPD’s 2005 manifesto than from her own campaign pledges.“

Für Benoit ist es das logischste Wahlziel der SPD, eine erneute große Koalition anzustreben. Damit habe man die Möglichkeit, weiter an der Zukunft des Landes mitzuarbeiten. Man solle dabei nicht davon ausgehen, dass der Unterschied zwischen Schwarz-Gelb und Schwarz-Rot klein sei. Es gebe große Unterschiede in den verschiedensten Politikfeldern von Steuerpolitik bis zum Atomausstieg.

Über diesen anderen Blickwinkel auf die Wahl hinaus weist Benoit auf einige Erkenntnisse der Wahlforscher hin, die auch Jörg Schönenborn vom ARD Deutschland-Trend erwähnt. Da ist die Rede vom weitgehend ausgeschöpften Wählerpotenzial der CDU und FDP auf der einen Seite und den großen Reserven der mit der SPD sympathisierenden Nichtwählern. Benoit und Schönenborn ziehen auch beide den Vergleich zur vergangenen Wahl und den großen Kampagnenerfahrungen der SPD.

Wie auch immer der Wahlkampf in den nächsten Wochen verlaufen wird. Steinmeier muss bei der Bundestagswahl im September nicht siegen, um zu gewinnen.

Foto: flickr Stephanie Booth

Visionen und er

Frank-Walter Steinmeier hat es wirklich nicht leicht in diesem Wahlkampf. Ein unmögliches Duell soll er gegen Angela Merkel austragen, die sich allen Konfrontationen schlicht entzieht. Warum sollte sie auch kämpfen mit einem vollkommen unterschätzten Kanzlerkandidaten einer Sozialdemokratie im Umfragetief? Sie könnte nur verlieren, was sie nach aktuellem Stand im September erneut ins Kanzleramt tragen wird.

Seine eigenen Parteimitglieder machen es dem unglücklichen Frank auch nicht leichter als seine konservative Konkurrentin. Ulla Schmidt beweist in einer eigentlich vollkommen korrekt gehandhabten Situation einen selten ungeschickten Umgang mit der Presse und den Wählern und macht die SPD zur Antiheldin des Sommerlochs. Und dann scheitert auch noch die Vorstellung des Kompetenzteams an der Tatsache, dass die Parteiführung bei der Vergabe von Posten mehr auf die Bedienung von Ansprüchen der Flügel achtete als auf wirkliche Kompetenz.

4 Millionen Jobs

Diesen schwierigen Wahlkampfauftakt soll jetzt der Deutschland-Plan [PDF] beflügeln, den man wohl eher nicht unter seinem richtigen Namen oder dem Slogan „Politik für das nächste Jahrzehnt“ kennen wird, sondern unter der plakativen Zahl von 4 Millionen Jobs. In Worten vier Millionen neue Arbeitsplätze sollen bis 2020 entstehen und so für Vollbeschäftigung im Land sorgen. Man könnte jetzt seitenweise über die verschiedensten Kritiken schreiben, über die scheinheilige Kritik des neuen Volkstribunen Guttenberg, über Plagiatsvorwürfe oder den allzu langen Zeitraum der Prognose.

Stattdessen muss man Steinmeier einfach einmal loben. In einem Wahlkampf, der bisher vollkommen an den Interessen der Bürger vorbei ging, ist es nicht zuletzt das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit, das viele Menschen umtreibt. Von einer Wirtschaftskrise bedroht, deren Auswirkungen möglicherweise erst langsam und schleichend das Leben der Deutschen beeinflussen werden, ist Hochkonjunktur für Zukunftsängste. Ein solches Versprechen der Vollbeschäftigung ist eben nicht schlichte Bauernfängerei wie die christsoziale und liberale Forderung nach Steuersenkungen, sondern eine Vorstellung davon, wie die Zukunft in diesem Land aussehen könnte.

Wahlkampf ohne Zukunft

Nun hat Helmut Schmidt bereits in den 80er Jahren seine Meinung über solche Ideen deutlich zum Ausdruck gebracht und gefordert, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Doch es sind gerade die Visionen und Zukunftskonzepte, die dem diesjährigen Wahlkampf ebenso fehlen wie scheinbar der gesamten aktuellen deutschen Politik.

„Wo bleibt der leidenschaftliche Streit um die Kontrolle der Banken, die ihre Casinos wieder eröffnet haben und den ultimativen K.O.-Schlag gegen die Weltwirtschaft vorbereiten? Warum wird, bis auf die Linkspartei, der deutschen Afghanistan-Einsatz im Wahlkampf tabuisiert? Warum wird eigentlich das zentrale Thema ausgeklammert, wie Deutschland jemals wieder von seinem gigantischen Schuldenberg herunterkommen will? Deutschland steht in der nächsten Legislaturperiode vor eine der härtesten Sparphasen der letzten Jahrzehnte und keiner redet darüber. Wann kommen Steuererhöhungen? Wird der Sozialstaat überleben können? Ist der Generationenvertrag nicht schon längst zerbrochen? Wer zahlt am Ende wirklich die Zeche?“

So schreibt Michael Spreng – und man könnte diese Liste erweitern, über Bildung und Kinderfreundlichkeit debattieren. Politik muss wieder über die Zukunft sprechen, muss die Visionen haben, die Helmut Schmidt für krankheitsbedingt hielt. Björn Böhning nannte die Vorschläge „ambitioniert“ und beschreibt damit genau, was Politik auch sein sollte. Es gehört mehr dazu, als der Deutschland-Plan sein kann, aber er ist wenigstens ein Anfang von Optimismus in einem bisher gelähmten Wahlkampf.

Bild: flickr nrwspd_foto

Jan Hofer geht nicht wählen

Sicher, immer mehr Menschen gehen nicht wählen. Die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen geht seit Jahrzehnten immer weiter bergab, auf Europaebene sieht die Entwicklung sogar noch schlechter aus. Aber wie um alles in der Welt kommt jetzt Jan Hofer auf die Idee, er als  Tagesschausprecher müsste zusammen mit weiteren Prominenten dazu aufrufen, nicht zu wählen. Es bringe ja ohnehin nichts, Politiker seien korrupt und nur am eigenen Machterhalt interessiert. Claude-Oliver Rudolph meint, Politiker seien ohnehin alles Versager, sonst würden sie ihr Geld ja in der Wirtschaft verdienen.

Ist das das richtige Signal, so kurz vor der Bundestagswahl?