Vor dem Duell

Die ersten TV-Duelle zwischen Edmund Stoiber und Gerhard Schröder zogen 2002 bereits jeweils um die 15 Millionen Zuschauer an. Drei Jaher später war es wieder Gerhard Schröder, der sich nun mit Angela Merkel messen musste. 21 Millionen Zuschauer bedeuteten damals einen Marktanteil von fast 60 Prozent. Auch in diesem Wahljahr wird es ein TV-Duell geben; wieder wird es auf Wunsch von Angela Merkel nur zu einer Auflage kommen. Am kommenden Sonntag, dem 13. September, werden sich Merkel und Frank-Walter Steinmeier 90 Minuten direkt gegenüber stehen und den Fragen von gleich vier Moderatoren stellen. Eine kleine Auswahl von interessanten Perspektiven vor dem Duell.

tvduell

Thorsten Faas analysiert im „Wahlen nach Zahlen“-Blog auf Zeit Online, wie die Zuschauer TV-Duelle wahrnehmen. Am Beispiel des Duells Stoiber-Schröder zeigt er auf, wie fein das Gespür der Zuschauer für die Aussagen der Politiker wirklich ist.

Doch auch die Echtzeitmessungen des zweiten Duells zeigen Chancen und Gefahren solcher Ereignisse – Duelle sind “High Risk Television”. Gerhard Schröder konnte in der ersten Hälfte der Debatte, die folgende Grafik zeigt es, mit seiner Absage an eine Zusammenarbeit mit der PDS punkten, vor allem aber, wie schon im ersten Duell, mit seiner Ablehnung des Irak-Kriegs. Dass TV-Debatten tatsächlich “Miniatur-Wahlkämpfe” sind, zeigt sich auch darin, denn dieses Thema dominierte den Wahlkampf 2002 bekanntlich insgesamt.

Für Faas ist ganz klar, dass nur die kleinste Unachtsamkeit eines Kandidaten zu einem spannenden Abend führen könnte. „Dem bisherigen Grundtenor, der die Erwartungen im Vorfeld der Debatte prägt, nämlich dass es eher langweilig werden wird, ist daher nur bedingt zuzustimmen. Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit genügt und es ist mehr Spannung da, als es einem der beiden Kontrahenten vielleicht lieb ist.“

Hinter den Kulissen von 2002

Michael Spreng kann als Berater von Edmund Stoiber einen sehr genauen Einblick in die TV-Duelle geben:

Mein Interesse war, die Duelle so formalisiert und regelementiert wie möglich durchzuführen, um dem situativ stärkeren Politiker, Gerhard Schröder, wenig Freiraum zu geben. Wir hatten uns dazu ausführlich mit den amerikanischen TV-Duellen beschäftigt und eine Mitarbeiterin von mir hatte in den USA mit den dort Verantwortlichen gesprochen. Das Ziel war, salopp gesagt, Stoiber ein stützendes Korsett zu verpassen, Schröder dagegen eine ihn einengende Zwangsjacke. Dies gelang in den Verhandlungen mit der SPD und den TV-Sendern auch – mit dem Ergebnis, dass Stoiber im ersten Duell als Sieger wahrgenommen wurde, weil er besser war, als von den Medien erwartet. Das zweite Duell verlor Stoiber, unter anderem auch deshalb, weil Schröder aus dem ersten Duell gelernt hatte und die Zwangsjacke sprengte.

Ebenfalls im „Wahlen nach Zahlen“-Blog weist Juergen Maier darauf hin, dass die Wahrnehmung der Debatten nicht immer direkt erfolgt. Die Berichterstattung über die TV-Duelle beeinflusst ganz klar die öffentliche Meinung dazu: „Damit kommt ein vierter Akteur ins Spiel, der neben den beiden Kandidaten und den Fernsehzuschauern über die Effekte von TV-Debatten entscheidet: die Massenmedien, die über Debatten breit berichten – und zwar höchst selektiv und stark wertend. Sie sind in der Lage, persönliche Beobachtungen zurechtzurücken; sie sind auch in der Lage, Einschätzungen, die vorher nicht existiert haben, zu generieren“

Drei Szenarien für das Duell

Andreas Grieß hat in einer interessanten Übersicht drei mögliche Szenarien für das TV-Duell ausgemacht:

1. Beide reden, sagen aber nichts. Merkel werde versuchen, sich nicht angreifbar zu machen und die möglichst neutralen Moderatoren und ein fahriger Steinemeier werden es nicht schaffen, sie „auf konkrete Aussagen festzunageln“. Ergebnis: Die Zeitungen würden titeln „TV-Duell ohne klaren Sieger“, jeder würde je nach parteipolitischer Brille den einen oder die andere vorne sehen – in der Wahlentscheidung spielte das Duell für kaum einen eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit gibt Grieß mit „traurigen 65%“ an.

2. Steinmeier zwingt Merkel in die Enge oder diese verhaspelt sich. Wenn Steinmeier es dagegen schaffe, die bisher inhaltlich zurückhaltende Kanzlerin zu konkreten Aussagen zu zwingen, könnte das ihr Image verändern. Ergebnis: Überschriften wie „Steinmeier bringt Merkel in Erklärungsnot“ würden genauso wie die Frage „Wahlausgang wieder offen?“ die Runde machen. An den Stammtischen könnte der Satz „Die konnte ja wirklich keine Antwort geben“ häufig fallen. Viele würden ihre Wahlentscheidung noch einmal überdenken. Die SPD und andere Parteien dürften gewinnen, die CDU könnte noch kräftig verlieren. Der Wahlkampf würde in den letzten zwei Wochen noch eine Wende nehmen, denn auf einmal wäre die CDU gezwungen offensiv mit Inhalten zu werben. Für Grieß ein unrealistischer Fall, er nennt 20% Wahrscheinlichkeit.

3. Merkel blamiert Steinmeier. Steinmeier müsse angreifen, dabei könne er sich auch verrennen. „Kritisiert oder attackiert er nur, kann er schnell unsympathisch oder verzweifelt wirken. Wenn Merkel dabei ruhig bleibt und die Übersicht behält, kann sie dann den Spieß sogar umdrehen und ihrerseits Steinmeier attackieren.“ Ergebnis: Es würde heißen, Steinmeier hätte sich die Zähne ausgebissen. Zwei Wochen vor der Wahl würde das TV-Duell schon als letztes Aufbäumen der SPD und Steinmeiers verstanden werden. Eine Kanzlerschaft Steinmeiers würde kaum noch einer für möglich halten, das Werben um Stimmen würde für die SPD damit fast unmöglich. Für den zweiten spektakulären Fall nennt Grieß eine Wahrscheinlichkeit von 15%.

Rhetorikanalyse von Merkel und Steinmeier

Als Ergänzung zu diesen Varianten kann man die Analyse von Ulrich Sollmann betrachten, der sich mit dem Auftreten, der Rhetorik von Merkel und Steinmeier befasst: „Die Wähler werden sich während des TV-Duells selbst ihr Bild davon machen, welcher Verhaltensstil sie eher ansprechen wird. Merkel kann dabei besser punkten, wenn sie bei Konfrontation mehr auf ihre eigene Kraft und Energie vertraut. Steinmeier kann stärker überzeugen, wenn er statt zu viel zu überlegen auch mal einen Überraschungsangriff wagt.“

Einen umfassenden Einstieg in die Geschichte der TV-Duelle bietet das ZDF – ergänzt durch fachkundige Analysen von Dr. Christoph Bieber. Er meint:

„Tendenziell mehr zu verlieren hat die Kanzlerin. Die Debatte ist in den letzten Tagen darauf hinaus gelaufen, dass sie sich dem Wahlkampf mehr oder weniger verweigert“, meint Christoph Bieber. Die öffentliche Nachfrage nach dem Duell sei aber inzwischen derart groß, dass eine Weigerung teilzunehmen „genau wie in den USA als Kneifen ausgelegt würde, das konnte sich auch Frau Merkel nicht erlauben. Das kann man als Bruch, als Wiedereintreten in die Wahlkampfsphäre interpretieren.“ Das TV-Duell wird nach seiner Einschätzung noch etwas länger das dominante Ereignis im Wahlkampf sein: „Man erhält einen kurzen, knappen Einstieg in das Wahlkampfgeschehen. Diejenigen, die sich umfassend in allen Medien informieren, werden nichts Neues erfahren, es sei denn, es kommt zu einem Patzer.“

Interessanterweise findet sich auf den Interneseiten der beteiligten TV-Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1 bisher kein prominent platzierter Hinweis auf das TV-Duell in 3 Tagen. Wenige Tage vorm Duell scheint es den Sendern nicht daran gelegen zu sein, groß auf dieses aufmerksam zu machen. Wir werden vor dem Duell noch genauer auf die medialen Begleiterscheinungen eingehen.

Bild: RTL

Wahlwerbespots 2009

Anfang der Woche starteten die Wahlwerbespots der Parteien. Wie auch die Wahlplakate wollen wir die Fernsehspots dieses Wahlkampfes genauer unter die Lupe nehmen. Immerhin ist das Fernsehen wohl eine der besten Möglichkeiten für die Wahlkämpfer, eine möglichst große Reichweite für ihre Botschaften zu bekommen. Ein erster Blick auf die Spots zeigt, wie gut sie in die Kampagnen der Parteien eingebunden sind.

CDU

Die Union tritt gleich mit drei verschiedenen Spots an, je einem für die Schwesterparteien CDU und CSU und einen besonderen für Angela Merkel, der wohl besonders in der Schlussphase des Wahlkampfes tendenziell häufiger ausgestrahlt werden dürfte. Der TV-Spot der CDU kommt dabei etwas deplaziert vor. In aneinandergereihten Portraits von Menschen werden die gewohnten, inhaltsleeren Slogans der diesjährigen christdemokratischen Kampagne wiederholt. Auffällig ist aber, dass jedes Portrait in einer Farbe der bundesdeutschen Flagge eingefärbt ist. So kommt es doch seltsam vor, dass man mehrfach ein nahezu ganz rotes oder gelbes Bild sieht. Man fühlt sich unweigerlich an die Farbensprachen von SPD und FDP erinnert. Und auch das schwarz der Bundesfahne führt zu einem etwas ungeschickten Effekt, nämlich einem Umwandeln der Fotos in Graustufen. Es hat etwas von Beerdigungsstimmung mit einem Hauch Optikerwerbung, dieser CDU-Spot. Der letzte Satz jedoch sprengt alle Dimensionen von Inhaltslosigkeit: „Wir haben die Kraft, Deutschland zu dem zu machen, was es sein kann“. Na gut, wenn Deutschland Fußballweltmeister sein kann, dann könnte Angela Merkel doch eine großartige Bundestrainerin abgeben, oder?

Und mit dem Stichwort Fußball ist man auch direkt im zweiten TV-Spot der CDU, der völlig  treffend mit „Angela Merkel“ überschrieben ist. Er klärt die Zuschauer darüber auf, dass Merkel nicht als Kanzlerin geboren wurde und sie nach der Einheit von dem starken Wunsch beseelt war, dem vereinten Land zu dienen. Außerdem lerne sie jeden Tag dazu, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Zum Beispiel wie wichtig eine Frisur sein kann. Und dann kommen die Bilder vom deutschen Fast-Fußballwunder in 2006, die hier auf schon verwunderliche Weise instrumentalisiert werden. „Gemeinsam können wir viel erreichen, wir alle zusammen“. Und wieder wird das „wir“ durch die nicht nur stilistisch fragwürdig platzierte Deutschlandfahne umrahmt

Der Wahlwerbespot der CSU soll hier einfach einmal vernachlässigt werden. Komprimierter Inhalt: „Bayern ist stark. Bayern muss stark bleiben. Darum gibt es in Bayern eine eigene Partei“. Danke, Herr Seehofer.

SPD

Ganz anders als die Spots der CDU steigt die Wahlwerbung der SPD gleich mit Inhalten ein. „Wie wollen wir leben und arbeiten? Wie schließen wir die Schere zwischen arm und reich? Wie schaffen und sichern wir Arbeit?“ Fragen, die der Spot sogleich beantwortet: Mit Frank-Walter Steinmeiers Deutschlandplan. Mit einer Reihe von Zeitungszitaten versucht die SPD dann schon fast verzweifelt, die ungläubigen Bürger von der Stichhaltigkeit des Plans zu überzeugen. Wenn sogar die Süddeutsche schreibt, der Plan habe Substanz, dann muss doch auch was dran sein. Dann der Schnitt auf Steinmeier, der wirklich sympathisch und engagiert seine Vorstellung von Zukunft präsentiert. Es klingt wirklich überzeugend und einladend wenn er sagt: „Wir können unser Land sozial gerechter und sicherer gestalten. Ich bin sicher, unser Land kann mehr“. Und er verspricht, hart dafür zu arbeiten. Das wird er wohl auch müssen, der Spot aber legt die Marke für die Konkurrenten ziemlich hoch.

FDP

Die FDP versucht in diesem Jahr einen etwas zweifelhaften Rekord aufzustellen, indem gleich zehnmal das Wort „Deutschland“ in 90 Sekunden auftaucht. Ansonsten hat der Spot nicht viel zu bieten, was nicht auch von einer anderen Partei stammen könnte. Die Kernforderungen der FDP in diesem Jahr wie lohnende Arbeit, Leistungsgerechtigkeit und Bildung als Bürgerrecht könnten schwierig nur einer Partei zuzuordnen zu sein. Und so passt es auch, dass die Aufnahme einer Solaranlage auf einem Dach verblüffelnd der im SPD-Spot ähnelt. Man vergleiche nurmal die Minuten 0:20 bei der FDP und 0:53 bei der SPD. Auch die Fußballweltmeisterschaft aus dem CDU-Spot hat sich bis zu den Liberalen herüber gerettet – FDP 0:56 und CDU 0:46.

Grüne

Der Wahlwerbespot der Grünen zeigt klar, dass es der Partei unter den Nägeln brennt, wieder selbst gestalten zu können. Unglücklicherweise geht aber unter der Masse von Themen etwas verloren, was im grünen Wahlprogramm alles zusammenhält. Am Ende des Spots hat man gar den Eindruck, als gehe es auch den Grünen nur noch um Arbeitsplätze. Längst sind die Grünen offenbar zu einer ebenso breit aufgestellten Partei wie die anderen geworden. Schade ist auch die etwas hastig und lieblose Optik des Videos. Wenn man sich nur an die Europawahl zurück erinnert: Dort hatten die Grünen mit Abstand die bestausehendste TV-Werbung, die noch dazu auf überzeugend einfache Art die Finanzkrise erklärte – und den grünen Weg aus ihr heraus. Ohne Worte dafür zu gebrauchen.

Linke

„Die Krise sollen diejenigen zahlen, die in den letzten Jahren die Profiteure des Finanzkapitalismus waren“ eröffnet Lafontaine gewohnt markig den TV-Spot der Linken. Auch den Linken muss man zugute halten, dass sie eine Vorstellung ihrer Ideen haben und dafür brennen. Doch an einem Punkt entlarvt sich der Spot, wenn ein Wahlkämpfer der Linkspartei meint: „Die etablierten Parteien brauchen eine starke Opposition von Links, damit sie ihr neoliberales Spiel nicht so weiter treiben können.“ Nur eine Bestätigung scheint das für die Vermutung zu sein, dass die Linke sich in der Opposition gerade ganz wohl fühlt. Besonders fasziniert hat mich aber der Bauer, der in Afghanistan das neue Vietnam sieht. Begründet wird das ganz überzeugt mit: „weil wir da nichts verloren haben“. Wie in der Regierung?

Bild: Screenshot DasErste

Parteien im Web: Barrieren für Behinderte

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Mithilfe von Screenreader, Sprachausgabe und Braillezeile ist das Surfen möglich. Aber auch die Webseiten müssen einige Voraussetzungen mitbringen. Das Stichwort hierfür ist Barrierefreiheit. Wie sieht es in Sachen Zugänglichkeit bei den Kampagnen-Seiten der Parteien aus? Auch blinde und sehbehinderte Menschen möchten sich vor der Bundestagswahl über Personen, Programme und Themen informieren. Ist das möglich? Haben die Parteien an behinderte Bürger gedacht? Zusammen mit dem Accessibility-Experten Thomas Mayer habe ich die Startseiten der Parteien getestet.

CDU

CDU.de kommt sehr unübersichtlich daher. Es gibt keine Überschriften, die der Screenreader erkennen und anspringen kann. Ich muss mir die Seite komplett vorlesen lassen, weil ich auch keine Navigationsliste finde. Mich interessiert ein Video: „Eine Antwort auf die Angriffe der SPD“. Ich kann es nicht anklicken. Bei dem Kampagnen-Portal der CDU wurde offensichtlich nicht an Barrierefreiheit gedacht. Auffällig ist das Fehlen jeglicher HTML Strukturelemente. Die Schriftgröße kann im Internet Explorer nicht individuell eingestellt werden – das wäre für sehbehinderte User aber eine große Hilfe. Wichtige Inhalte, wie die Navigationsleiste in der rechten Spalte, sind als CSS-Hintergrundgrafiken angelegt. Damit sind diese Links für Nutzer von Screenreadern unzugänglich. Die Seite ist sehr Grafik-lastig, aber immerhin sind alle Bilder mit aussagekräftigen Alternativtexten versehen.

Fazit: Ungenügend.

SPD

Obwohl Parteien nicht gesetzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, erfüllt SPD.de viele Standards. Es wird neben der Standard-Version eine barrierefreie Ansicht ohne Animationen und JavaScript-Spielereien angeboten. Beide Versionen sind gut mit Überschriften und Listen strukturiert, alles lässt sich prima mit der Tastatur steuern und die Alternativtexte für Grafiken sind aussagekräftig. Als einzige Partei bietet die SPD Sprunglinks an, die es Tastaturbenutzern ermöglichen, direkt zum Inhalt der Seite zu springen.

Fazit: Gut.

FDP

Auch FDP.de hat strukturierte Listen und Überschriften, die mein Screenreader erkennt. Manche Grafiken und Überschriften bestehen für den blinden Leser aber nur aus Zahlen-Kolonnen. Es gibt kleinere Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung von Hintergrundgrafiken. Als einzige Partei bietet die FDP einen Styleswitcher an, mit dem die Nutzer die Schriftgröße verändern können.

Fazit: Befriedigend.

Grüne

Gruene.de begrüßt mich mit einem Link „Großbanken wie die Deutsche Bank müssen zu Transparenz gezwungen werden“. Ich erwarte aber als erstes eine übersichtliche Linkliste, so dass ich schnell die gewünschten Inhalte ansteuern kann. Diese Liste erscheint auf meiner Braillezeile aber erst ganz unten. Außerdem fehlen strukturierende Überschriften. Es werden zahlreiche Banner und Animationen eingesetzt. Bis auf einige Schaltflächen mit englischen Texten sind die Alternativtexte der Grafiken aussagekräftig. Trotzdem sind grafische Banner problematisch: Sie funktionieren nur bei einem visuellen Zugang und lassen sich nicht an individuelle Anforderungen (z.B. Schriftgröße oder Farbe) anpassen – somit können sehbehinderte User die Seite kaum nutzen. Weitere Probleme gibt es bei der Schriftvergrößerung. Die Schrift lässt sich zwar vergrößern, aber schon bei geringer Vergrößerung werden Inhalte abgeschnitten und sind nicht mehr lesbar. Auch bei den Grünen ist der Einsatz von Hintergrundgrafiken problematisch. Einige Bereiche, wie „Meine Kampagne“ oder der komplette Kopfbereich der Seite, sind dadurch unzugänglich.

Fazit: Mangelhaft.

Linke

Die-Linke.de erfüllt einige Standards der Barrierefreiheit: Überschriften und Listen sind so strukturiert, dass sie ein Navigieren vereinfachen. Grafiken haben einen Alternativtext. Die Linke verwendet für einige grafische Banner das HTML longdesc-Attribut. Dadurch sagt mein Screenreader bei einer Grafik „Drücken Sie Eingabe für lange Beschreibung“. Wenn ich das tue, kommt aber keine lange Beschreibung. Das Attribut wird falsch eingesetzt. Durch die Verwendung einer bestimmten JavaScript-Funktion in den Links der Navigation, ist das Angebot für Menschen, die keine Maus nutzen können und stattdessen mit der Tabulator-Taste durch eine Seite navigieren, im Internet Explorer praktisch nicht mehr nutzbar – somit schließt die Partei alle motorisch eingeschränkten User aus, die z. B. durch eine Spastik keine Maus benutzen können. Davon abgesehen gibt es noch Probleme mit der Schriftvergrößerung im Internet Explorer. Einige Bereiche lassen sich nicht vergrößern. Bis auf das Logo der Partei sind alle Grafiken mit Alternativtexten versehen.

Fazit: Mangelhaft.

Piraten

Piratenpartei.de kommt ohne Schnörkel daher. Für blinde und sehbehinderte Nutzer ist das erfreulicher als die Grafik- und Animationslastigen Angebote anderer Parteien. Anscheinend wird das Standard-Template des Content-Managment-Systems Drupal eingesetzt. Das ist aber kein Nachteil. Im Gegenteil, diese valide und gut strukturierte Vorlage ist eine gute Voraussetzung für eine barrierefreie Website. Es gibt eine Navigation, Grafiken sind mit Alternativtext beschriftet. Spezielle Optimierungen bezüglich der Barrierefreiheit sind aber nicht erkennbar.

Fazit: Befriedigend.

Zusammenfassung

Bis auf das Angebot der SPD hat jede Website größere und kleinere Probleme mit der Barrierefreiheit. Nur bei der SPD ist erkennbar, dass das Thema Barrierefreiheit bei der Entwicklung berücksichtigt wurde. Befriedigend sind die Auftritte der FDP und der Piratenpartei. Diese Websites wurden nicht speziell auf Barrierefreiheit optimiert. Sie profitieren aber von ihrer zeitgemäßen Umsetzung, die eine Grundversorgung in Sachen Barrierefreiheit sicherstellt. Die Grünen haben vor allen Probleme mit der individuellen Anpassbarkeit ihrer Inhalte. Die Linke disqualifiziert sich durch nur einen kleinen aber sehr schwerwiegenden Fehler. Nicht akzeptabel ist das Angebot der CDU.

Die Autoren:

Heiko Kunert (33) ist Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH). Er erblindete mit sieben Jahren durch einen Tumor. In seinem Blog und bei Twitter schreibt er über seine Arbeit und das blinde Leben in Hamburg.

Thomas Mayer (41) arbeitet für den BSVH als Berater im Projekt „barrierefrei informieren und kommunizieren“. BIK testet Websites auf ihre Zugänglichkeit und informiert Agenturen, Unternehmen und Behörden bei der Gestaltung ihrer Internet-Angebote.

ProSieben ruft zum Wählen auf

gehwaehlenNun ist auch das Fernsehen ganz groß in die Nichtwähler-Werbung eingestiegen und fährt mit der hauseigenen Prominenz von Stefan Raab bis Kai Pflaume, mit Sportlern und Moderatoren eine hochkarätige Starsammlung auf. Vor allem bei jüngeren Menschen will die Sendergruppe aus ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und N24 damit punkten.

In einem grafisch sehr schön umgesetzten Intro auf der Internetseite heißt es:

Gehst du? Theoretisch könnte eine Stimme die Wahl entscheiden. Theoretisch könnte Deine Stimme entscheiden, wer Deutschland vertritt: Beim G8 Gipfel. Im UN-Sicherheitsrat, Bei der Weltklimakonferenz. Theoretisch könnte deine Stimme entscheiden, ob der Meeresspiegel steigt oder die Mönchsrobben aussterben und 1000 andere Tiere. Ob die Wirtschaft wächst ob die steuern wieder sinken, ob deine Eltern mehr Rente bekommen, ob deine Kinder mehr Bildung bekommen und 1000 andere Dinge. Du entscheidest.

Auf der Internetseite der Kampagne kann man sich ausgewählte Spots einiger ProSieben-Prominenter ansehen, in der Galerie finden sich dann alle (?) Teilnehmer abgelichtet. Was bei der Internetseite ganz offensichtlich fehlt, ist der Rückkanal. Im Gegensatz zu der Kampagne „Geh nicht hin„, die vor ein paar Wochen anlief, scheint es niemanden zu interessieren, was die kommenden Wähler und Nichtwähler denken. ProSiebenSat.1 ist schon damit zufrieden, die Meldung abgesetz zu haben. „Geh wählen!“.

Dennoch wird der Wahlaufruf von ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und N24 wohl der reichweitenstärkste seiner Art sein – und hoffentlich etwas bewegen. Denn die Macher haben schon recht: Deine Stimme entscheidet.

ichgehe

Bilder: ichgehe2009.de

Wahlprogramme 2009

Dialogbereitschaft der Parteien findet man nicht im Onlinewahlkampf 2009 und man hat sich schon damit abgefunden. Aber die Parteien scheitern im Netz schon daran, den Wählern von oben herab zu erklären, wofür sie eigentlich antreten.

Obwohl nicht mehr viele Wochen bis zur Bundestagswahl bleiben, scheinen die Parteien selbst ihre Wahlprogramme verstecken zu wollen. Mitten im Wahlkampf erwartet man doch einen Verweis zu den Wahlprogrammen, der prominent auf der Startseite platziert ist – doch man muss sich in einigen Fällen erst mühsam durch die halbe Internetseite klicken.

Programme nur als PDF

Leider haben die Parteien auch nicht aus den letzten Wahlen gelernt. Weiterhin sucht man vergeblich nach visualisierten oder zumindest zusammengefassten Wahlprogrammen. Stattdessen bietet man den Nutzern nur die üblichen nutzerunfreundlichen Komplettprogramme in pdf-Form.  Immerhin bieten die meisten Parteien wenigstens eine Auflistung ihrer wichtigsten Ziele an. Mal in Form einer Top 8, mal als Top 10. Die Linkspartei sowie die Piratenpartei sind die einzigen, die ihre Wahlprogramme auch in html anbieten und damit den Zugang insgesamt erleichtern.

Eine Besonderheit bietet die FDP an, die in einer Synopse die Wahlprogramme der fünf großen Parteien gegenüber gestellt hat. Das macht das Vergleichen immerhin ein bischen einfacher, auch wenn man sich durch 67 eng beschriebene Seiten arbeiten muss.

Um zumindest den Suchprozess zu vereinfachen listen wir im folgenden die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Linkspartei und Piratenpartei. Als Veranschaulichung haben wir von allen Parteiprogrammen Wortwolken erstellt. Um die zentralen Inhalte der Programme darzustellen, haben wir Kopf- und Fußzeilen entfernt und den reinen Text bei wordle nach seiner Gewichtung sortieren lassen.

CDU

cdu

Das Wahlprogramm der CDU als
PDF (2,5 MB) | In 10 Punkten

SPD

spd

Das Wahlprogramm der SPD als
PDF (0,5 MB) | In 8 Punkten

FDP

fdp

Das Wahlprogramm der FDP als
PDF (0,3 MB) | Video

Bündnis 90/Die Grünen

Grün

Das Wahlprogramm der Grünen als
PDF (1,2 MB) | In 10 Punkten

Linkspartei

linke

Das Wahlprogramm der Linken als
PDF (0,3 MB) | Internet

Piratenpartei

piraten

Das Wahlprogramm der Piraten als
PDF (0,4 MB) | Internet