Ypsilantis solidarische Moderne

Andrea Ypsilanti, Sven Giegold, Katja Kipping, Franz Alt, Michael Brie, Arvid Bell, Franziska Drohsel und Sebastian Krumbiegel – allesamt sind sie Mitglieder des neu gegründeten Instituts Solidarische Moderne. Politiker aus dem linken Spektrum, aus SPD, Linker und Grünen gemeinsam mit Publizisten und Wissenschaftlern als Vorkämpfer einer sozialeren Politik? Eine Umschau durch Presse und Blogs.

Das Ypsilanti-Institut oder wie nah ist Rot-Rot-Grün?

„Viel Presse hier“ schreibt Sven Giegold und meint damit das Institut Solidarische Moderne, eine rot-rot-grüne Denkfabrik, die am Wochenende aus der Taufe gehoben wurde. Nicht ganz unbekannte Politiker aus SPD, Grünen und der Linkspartei wollen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Idealisten Konzepte für eine „solidarische“ Politik entwerfen. Die Presse greift die Gründung als große Neuigkeit auf und sieht, wohl nicht ganz zu unrecht, Andrea Ypslianti, die ehemalige hessische SPD-Vorsitzende aus Hessen, als treibende Kraft hinter der Idee. Florian Gathmann zieht auf SpiegelOnline Parallelen zu Ypsilantis Landtagswahlkampf von 2008:

„Allerdings klingt manches an dem neuen Think-Tank schon sehr nach Ypsilanti. „Soziale Moderne“ lautete das Motto ihres Landtagswahlkampfs 2008. Da ist es zur „Solidarischen Moderne“ nicht mehr weit. Kein Wunder, dass auch Hermann Scheer unter den Gründungsmitgliedern ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete war Ypsilantis designierter Superminister für Wirtschaft und Umwelt und gilt als Kopf hinter ihrem damaligen politischen Programm.“

Bei WELT ONLINE ist man wie zu erwarten etwas irritiert über so wenig Berührungsängste mit der Linkspartei und sieht eine rot-rot-grüne Koalition als Ziel des Instituts:

„Eine Ex-Spitzenkandidatin der SPD, eine Linkenpolitikerin, ein Sänger und ein Ex-Staatssekretär gehören zur Besetzung der neuen Denkfabrik „Institut Solidarische Moderne“. Das Projekt unter der Führung von Andrea Ypsilanti arbeitet offiziell gegen Schwarz-Gelb, inoffiziell aber schon an Rot-Rot-Grün.“

Fremdeln im eigenen Lager

Ungleich offener empfängt die taz den Think Tank und beschäftigt sich eingehender mit der Vision einer Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Die sei allemal nötig und möglich, aber die Parteien müssten in ihrer ganzen Breite einbezogen werden:

„Allerdings: Rot-Rot-Grün muss sich für alle drei auch politisch rechnen – und das tut es im Moment nicht. Vor allem die SPD zaudert, weil in ihrer Anhängerschaft nur eine Minderheit mit einer linken Koalition sympathisiert. Selbst wenn Gabriel und Nahles so eine Regierung 2013 wollen, ist schleierhaft, wie sie dies ihrer konservativen Klientel beibringen. So lange kein Netzwerker, kein Seeheimer, kein Traditionsgewerkschafter bei den neuen Zirkeln mit am Tisch sitzt, wird deren Wirkung überschaubar bleiben.“

Die FAZ sieht etwas spöttelnd auf das Projekt und lässt Kritiker aus den Reihen der Grünen auftreten:

„Skeptisch hat der Realo-Flügel der Grünen auf die Ypsilanti-Initiative reagiert. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Bonde bezeichnete gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (Dienstagausgabe) die Gründung des, wie er es formulierte, „Ypsilanti-Instituts für angewandte Kuba-Wissenschaften“ als Fehler. Bonde sagte der F.A.Z.: „Die Initiative geht in die schwarz-gelbe Falle und versucht, ein überkommenes Lagerdenken zu reaktivieren.“ Die alte Lagerlehre mit einem „linken Block“ und zu „Projekten“ aufgeladenen Bündnissen „stabilisiert nur Merkel/Westerwelle, statt ihre schnellstmögliche Ablösung voranzubringen“.“

Wenig Resonanz in Blogs

In Blogs findet man dagegen bisher kaum Äußerungen zum Institut Solidarische Moderne. Die ausführlichsten Beiträge haben bezeichnenderweise zwei Gründungsmitglieder des Instituts geschrieben, die sich dann auch mit der internen Diskussion über den Namen beschäftigen. Till Westermayer ist nur wenige Stunden nach Vorstellung des Think-Tanks Mitglied geworden, hat sich aber vorher einige Gedanken gemacht und diese geblogt. Warum zum Beispiel der Name so stark an die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ erinnere oder er zu sozialdemokratisch sei:

„Mir ist der Name zu sozialdemokratisch. Aber gut – wenn zwei der drei Gründungsströmungen sozialdemokratisch sind, muss das vielleicht so sein. Natürlich ist »solidarisch« auch ein grüner Begriff, und ein – inzwischen weitgehend anerkanntes – grünes Thema. Trotzdem: gerade wenn dieser Think-tank sich um dieses Aufgabenfeld kümmern will […], dann frage ich mich schon, ob »solidarisch« das richtige Adjektiv ist. Ich würde ja sagen, dass eigentlich »grün« hier viel besser passt, oder zumindest »sozial-ökologisch«. Vielleicht wäre auch eine ganz neue Wortschöpfung notwendig. Oder eben beides – »Institut für eine solidarische und ökologische Moderne«.“

Wie eine Antwort darauf liest sich die Wortmeldung von Maik Babenhauserheide. Mit Verweis auf Westermayer schreibt er:

„Zur Namenskontroverse kann ich nur sagen, dass Solidarität für mich weder ein sozialdemokratischer Begriff ist noch an Progressivität vermissen lässt. Sicherlich hätte man dem Institut auch einen Namen geben können, der ganz unmissverständlich klarstellt, dass es sich hierbei nicht um einen altlinken Folkloreverein handelt, der den zum Teil gescheiterten linken Konzepten des Industriezeitalters nachhängt und auch das Thema Ökologie als linkes Projekt anspricht. Allerdings wäre das wohl zu einem Namensungetüm geworden , um das man lange hätte ringen müssen. Solidarische Moderne beschreibt meiner Meinung nach sehr gut die gemeinsame Wertebasis der beteiligten Personen. Auch ich bin in die Politik gegangen, weil ich an einer solidarischen Gesellschaft mitarbeiten möchte. Und das als Grüner!“

Nils Simon berichtet übrigens bei der Klimakrise, dass die namhaften Gründungsmitglieder gar nicht persönlich anwesend waren (Korrektur siehe Kommentar. Sein Beitrag ist trotzdem lesenswert).

Bild: wikimedia – Sven Teschke unter GFDL.

Warmlaufen für die Landtagswahl NRW

Noch sind es ein paar Monate bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Am 9. Mai werden die Bürger zu den Wahlurnen ziehen und den amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers um seine Wiederwahl zittern lassen (so jedenfalls die letzten Umfrageergebnisse). Wir wollen auch auf diese Landtagswahl wieder ein Auge werfen und uns dabei wie im letzten Jahr auf die Online-Aktivitäten der Parteien konzentrieren. Dabei wollen wir uns in 3 Etappen die Internetseiten der Landesparteien und ihrer Spitzenkandidaten ansehen. In dieser ersten Stufe zeigen wir den Stand vor dem eigentlichen Wahlkampf.

CDU

Die Internetseiten der Partei des Ministerpräsidenten sehen modern aus. Gerade auf der Seite des Landesverbands wird dem Bürger der Weg zu den gewünschten Informationen sehr leicht gemacht. Eine große Bühne präsentiert die aktuellen Informationen, während über eine Hand voll hübsch gemachter Grafiken der Zugang zu handfesteren Infos aufgezeigt wird. Dazu gehört natürlich ein Link zur Internetseite des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ebenso wie die Möglichkeit zu Spenden oder Parteimitglied zu werden. Hier zeigt sich jedoch schon, dass wir auf der Suche nach den ersten Wahlkampfspuren zu früh sind. Es findet sich kein Verweis auf eine besondere Kampagne, die Kandidaten zur Landtagswahl oder das Wahlprogramm. Der modulare Aufbau der Seite wird es aber leicht machen, das in den nächsten Wochen zu ändern.

Der Ministerpräsident kommt dagegen mit seiner Webpräsenz nicht ganz so gut an. Zwar ist die Gestaltung auch frisch und übersichtlich, aber man hat dabei etwas die Nutzbarkeit vergessen. Ganz wichtig scheint den Machern der Seite gewesen zu sein, Jürgen Rüttgers als offen und dialogorientiert darzustellen. Man wird fast zur Kontaktaufnahme genötigt, so oft äußert der Ministerpräsident den Wunsch, mit dem Leser in Kontakt zu treten. Das geht soweit, dass sogar der Seitentitel im Browser nicht etwa „Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen“ lautet – sondern reichlich banal „Meine Seite ist Ihre Seite“.

CDU Landesverband NRW

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers

SPD

Die NRWSPD, wie sich der größte sozialdemokratische Landesverband selbstbewusst nennt, hat einen unwahrscheinlich gut gemachten Internetauftritt. Die Gestaltung könnte aber schon fast etwas zu progressiv für die alte SPD sein. Dennoch, bei der Konzeption der Seite stand ganz offensichtlich die Leserfreundlichkeit im Vordergrund. Auf einer großen Bühne werden vier aktuelle Meldungen durch geschaltet, in denen ein Politikfeld, die Landesvorsitzende Hannelore Kraft, der Blog der NRWSPD und das Wahlprogramm präsentiert werden. So bietet man dem Leser vier unterschiedliche Einstiegspunkte, um sich zu informieren. Darunter erscheinen die bei jeder Partei obligatorischen Pressemitteilungen, die wohl noch kein zufälliger Besucher der Website je gelesen haben dürfte. Die rechte Seitenleiste präsentiert, ähnlich wie bei der CDU, einige Grafiken mit Verweisen auf weitere Infos. Leider doppeln sich die Zugänge aus der Seitenleiste etwas mit denen aus der oberen Bühne. Damit aber ist in jedem Fall sichergestellt, dass der Besucher auch weiß, wohin er sich wenden will.

Gegen die so innovative Optik der nrwspd.de wirkt es schon wie ein Rückfall in ein anderes Jahrzehnt, was den Besucher von hannelore-kraft.de erwartet. Auch wenn der Besucher persönlich von der SPD-Vorsitzenden angesprochen wird, wird er sich hier kaum gut aufgehoben fühlen. Die Seite wird dominiert von Pressemitteilungen und lieblos aufbereiteten Steckbriefen. Wenn man es nicht wüsste, käme man nicht einmal auf die Idee, dass Hannelore Kraft gerne Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen werden möchte.

SPD Landesverband NRW

Spitzenkandidatin Hannelore Kraft

Grüne

Die Bündnisgrünen in Nordrhein-Westfalen präsentieren sich auf ihrer Internetseite mit einer seltsamen Mischung von modernen Designelementen und einer veraltet wirkenden Grundgestaltung. Es ist wohl keine allzu gewagte Prognose, wenn man einen baldigen Relaunch vorhersagt. Inhaltlich dagegen sind die NRW-Grünen recht ansprechend aufgestellt. Die aktuellen Infos auf der Startseite prasseln nicht automatisiert und mehrmals am Tag rein, sondern scheinen von Hand ausgewählte Empfehlungen aus dem gesamten Fundus zu sein. Wie bei CDU und SPD wird auch von den Grünen die Seitenleiste für schnelle Grafiklinks benutzt, die hier hauptsächlich in Richtung Soziale Netzwerke weisen – aber auch darüber aufklären, dass die Internetseite CO2-neutral betrieben wird. Besonders bei den Grünen ein netter, augenzwinkernder Hinweis. Auch im Zuge des Relaunchs dürfte eine stärkere Themenfokussierung Einzug halten. Bisher bildet die Seite noch eher den termingehetzten Oppositionsalltag wieder und zeigt noch zu wenig auf, was man selbst besser machen möchte.

Offensichtlich in der To-Do-Liste des Grafikers einen Platz weiter oben war die Internetseite der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, die sich schon im neuen Design präsentiert. Die Website legt ganz klar das Augenmerk darauf, die Spitzengrüne als sympathisch und modern vorzustellen. Die üblichen Sozialen Netzwerke werden hier nicht nur mit einfachen Links verknüpft, sondern füttern den Inhalt der Seite teilweise mit indem Löhrmanns Linkempfehlungen aus Facebook eingebunden werden. Auch einen Blog betreibt Löhrmann auf ihrer Internseite. Doch irgendwie vermag man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles noch etwas zu blass bleibt. Wie der hellgrüne Hintergrund der Seite wirkt auch die Spitzenkandidatin in den unzähligen Links und Blogabsätzen wenig markant. Bei aller Kritik aber dennoch eine gut gemachte und benutzerfreundliche Internetseite.

Bündnis ’90/Die Grünen NRW

Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann

FDP

Den besten Eindruck von den Internetseiten der Landes-FDP und ihrem Spitzenkandidaten bieten die beiden oben stehenden Screenshots, die nahezu identisch aussehen. Bei der FDP aus Nordrhein-Westfalen wirken die Websites etwas liebloser als bei der politischen Konkurrenz, scheinen aus einem großen Baukasten innerhalb von kurzer Zeit zusammen geklickt zu sein. Da wundert es auch nicht weiter, dass der größte Teil der Startseite des Landesverbands aus Pressemitteilungen besteht, die mal mehr und mal weniger mit der bevorstehenden Landtagswahl zu tun haben. In der Seitenleiste wird es dagegen richtig modern, wenn die FDP den Entwurf ihres Wahlprogramms zur Diskussion freigibt. Eine Grafik weiter unten gelangt man zu den Sonderseiten für die Landtagswahl, bei denen man völlig überrascht sein muss. Sehr gut aufgegliedert stellt die FDP hier ihr Wahlprogramm, die Kandidaten und ihre wichtigsten Themenfelder vor. Es fehlt also scheinbar nur noch der Mut, diese so einfach angebotenen Informationen auf die Startseite zu übernehmen.

Nicht ganz so kurz ist der Weg für die Internseite des Spitzenkandidaten Andreas Pinkwart. Der Eindruck der beliebig zusammengestellten Module will hier nicht wirklich weichen. Interessiert mag man den Link „Bürgerdialog“ anklicken und wird sich dann aber über ein hingeworfenes Formular zum Hochladen eigener Videos mit Fragen an den FDP-Chef ärgern. Keine persönliche Aufforderung zum Dialog ist nur bedingt höflich und signalisiert wenig Interesse. Ein ernüchternde Eindruck, den der „Innovationsminister“ von Nordrhein-Westfalen im Internet hinterlässt.

FDP Landesverband NRW

Innovationsminister Andreas Pinkwart

Linke

Landauf landab sieht fast jede Internetseite der Linken gleich aus. Ob Landesverband oder Ortsverband, alle setzen auf das bewährte Content-Management-System der Bundespartei samt mitgeliefertem Design. Aber nun muss das nicht zwangsläufig negativ sein. Im Gegenteil, die Gestaltung wirkt aufgeräumt und einladend; bietet den Gliederungen noch genug Möglichkeiten zur Anpassung an die eigenen Bedürfnisse. Würde man sich beider NRW-Linken noch etwas von der Vorliebe für Newsmeldungen als dominierenden Inhalt entfernen, könnte man sogar von ersten Wahlkampfspuren sprechen. Scrollt man ein bischen nach unten findet man leicht den Weg zur Kandidatenliste und dem Wahlprogramm, das für so viel Diskussion sorgte.

Von einer klar benannten Spitzenkandidatur halten die Linken in NRW offenbar nicht viel. Bärbel Beuermann führt die Landesliste an, doch findet man weder eine eigene Internetseite noch wird sie auf der Website des Landesverbands besonders hervor gehoben. Naja, vielleicht möchte man sich auch einfach auf Facebook mit ihr anfreunden.

Die Linke NRW

Piratenpartei

Als klarer Außenseiter geht die Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen ins Rennen. Doch die hohe Medienaufmerksamkeit zur Bundestagswahl und die schon fast klischeehafte Internetaffinität erlauben uns dennoch einen kurzen Blick. Stilecht wird die Parteiseite von einem Wiki betrieben, also von einer Wissensverwaltungs-Software, an der jeder Pirat mitarbeiten kann. Ob nun wirklich jeder Mitstreiter auch die Rechte hat, die Seite des Landesverbands zu bearbeiten?

Die neuen, unverkrampften Strukturen der Piratenpartei fördern mitunter auch die ein oder andere Stilblüte hervor. Der Spitzenkandidat der Piraten (Kapitän?) heißt Nico Kern und präsentiert sich im Netz nur mit seinem Wiki-Profil. Dabei trägt er sowohl hier als auch drüben bei twitter den Spitznamen „Teiler Doehrden“ und spielt damit auf den mehr chaotisch als politisch geprägten Kultfilm „Fight Club“ an. Das wirft eigentlich nur noch die Frage auf, nach welchem Kinohelden sich die anderen Spitzenkandidaten benennen würden. Ihr Einsatz, Herr Rüttgers.

Piratenpartei Landesverband NRW

Spitzenkandidat Nico Kern

Fast Forward

Einiges hat sich in der deutschen Parteienlandschaft geändert, nicht zuletzt mit der letzten Bundestagswahl. Die SPD verliert sich in einer Abwärtsspirale aus personellen Desastern und Führungskrise und zeichnet damit den Prototyp der sterbenden Volkspartei. In einer völlig unwissenschaftlichen Prognose beschreibe ich mein Bild der Parteien zur Bundestagswahl 2017.

Die CDU fuhr bei der Bundestagswahl 2013 massive Verluste ein und Bundeskanzlerin Merkel musste den Parteivorsitz genauso abgeben wie die Schlüssel zum Kanzleramt. In einem Machtkampf zwischen Vertretern einer sozialen Moderne und Apologeten des Konservativen taumelte die Partei durch 4 Jahre Opposition. Die immer älter werdenden Mitgliederschaft ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Umfragewerte für die bevorstehende Wahl 2017 sehen die Christdemokraten bei etwa 20%.

Für die SPD konnte die Regierungsbeteiligung in 2013 wenig bewirken. Immer noch fehlt der Partei die überzeugende soziale Botschaft, die Wählerinteressen vereinen könnte. Zu konsequent ist die Konkurrenz von Grünen und Linken, auch die an die soziale Merkel-CDU verlorenen Stimmen konnten die Sozialdemokraten nicht wieder gewinnen. Ein Stamm von Traditionswählern sichert der SPD mit 15% in den Umfragen des Vorwahlkampfs 2017 gerade noch zweistellige Werte. Der 15. Vorsitzende seit der Wende macht keine gute Figur in der Vorbereitung des Wahlkampfs.

Die Linke ging einen schwierigen Weg, als sich 2013 Oskar Lafontaine und Gregor Gysi aus der Parteiführung zurück zogen. Laut brach die Debatte über Demokratie und Sozialismus, über Kapitalismus und Staatswirtschaft los. Auch die Vergangenheit der PDS-Hälfte der Partei wurde vielleicht zum ersten mal richtig thematisiert. Tausende Mitglieder traten in diesen Jahren der Aufarbeitung aus der Partei die Linke aus. Doch so an der Realität geläutert erschließt sich die Partei ganz neue Wählergruppen. Für die kommende Bundestagswahl 2017 sehen Demoskopen die Linke bei 20%.

Die Grünen sind mit einer umfassenden personellen Erneuerung aus den Oppositionsjahren 2009 bis 2013 gekommen und haben als einzige Partei eine wirklich überzeugende Idee der Zukunft vorbringen können. Die grüne Zukunft als Wirtschaftsmotor und Sozialstaatsprinzip hat große Teile der Bevölkerung überzeugt. 2017 werden voraussichtlich die Grünen das erste mal den Bundeskanzler stellen, da sie in den Befragungen mit 25% sogar vor der CDU liegen und auf die flexibleren Koalitionsmöglichkeiten zurück greifen können.

Die FDP hat sich mit ihrer Regierungsbeteiligung von 2009 offensichtlich keinen großen Gefallen getan. Als die Steuergeschenke noch für kurze Freude unter den Bürgerinnen und Bürgern gesorgt hatten, war schon längst abgezeichnet, dass die Finanzierungslücke einfach zu groß ist. Das Ansehen der FDP als Partei der steuerlichen Vernunft wurde davon so nachhaltig beschädigt, dass sie heute in 2017 mit den fantastischen Forderungen der Linkspartei des frühen 21. Jahrhunderts verglichen wird. Den liberalen Themenkomplex von Bürgerrechten in Offline- und Onlinewelt hat die FDP durch ihre Zugeständnisse an die CDU nahezu unbesetzt gelassen und damit den Grünen ein Monopol darauf ermöglicht. Abgestraft von den Wählerinnen und Wählern steht die FDP in aktuellen Umfragen bei 10%.

Die 10% Stimmanteile für die immer zahlreicher werdenden kleinen Parteien sind ein deutliches Signal, dass die Parteienlandschaft bald um weitere Mitglieder ergänzt werden wird. 2009 sah es beinahe so aus, als ob die Piratenpartei als erste Kleinpartei den Sprung in den Bundestag schaffen könnte. Doch die arivierten Parteien begriffen rechtzeitig, dass es an ihnen war, die Themen Bürgerrechte und Medienpolitik überzeugend zu vertreten.

Bild: flickr lukelukeluke

Von wegen bürgerlich

Kraftstrotzend sah man Guido Westerwelle am Wahlabend in die Kameras lächeln, das Ergebnis der FDP mutet fast schon irrsinnig hoch an. In den seitdem vergangenen Wochen kommt zu diesem triumphalen Bild des Wahlsiegers aber auch das des gestressten Verhandlers, der um seine Steuerversprechen hart kämpfen muss. Die F.A.S. schreibt daher auch – „Von wegen Traumpaar“ – über eine Wunschehe, die nicht so harmonisch verlauft, wie man vorher erzählen wollte. Und auch in der WELT heißt es, die „Sozialdemokraten waren bequem“.

So recht will das nicht passen in die Mär des bürgerlichen Lagers, das sich einsam als letzter Verteidiger der Sozialen Marktwirtschaft gegen Ökofundamentalismus und Altsozialisten stellt. Müsste man sich nicht eigentlich mit Bürger-Kuss statt Brüderkuss in die Arme fallen und eine konservativ-liberale Zukunft für Deutschland entwerfen?

Szenenwechsel. Auch eine andere deutsche Kleinpartei gewinnt an Stärke. Zwar nicht in gleichen Zahlen wie die FDP, doch haben die Grünen reale Machtperspektiven entwickelt. Mehr noch, man wird zu grünen Königsmachern, wie Marc Debus schreibt. Im Saarland ließen die Grünen den rot-roten Traum einer Abwahl von Peter Müller zerplatzen und wandten sich einem Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP zu.

Vielmehr könnten Bündnis 90/Die Grünen durchaus als teuer bezahlter Mehrheitsbeschaffer ein Weiterregieren von Christ- und Freidemokraten auf Bundesebene auch nach 2013 ermöglichen. Wie das aussehen kann hat man in den letzten Wochen im Saarland sehen können: Obwohl sie die kleinste Partei im Saarbrücker Landtag mit nur drei von 51 Sitzen darstellen, wurden den Grünen bereits vor den Koalitionsverhandlungen beachtliche inhaltliche Zusagen sowie zentrale Ministerien von CDU und FDP auf der einen wie auch von SPD und Linken auf der anderen Seite zugesichert.

Debus spitzt seine These weiter zu und sieht die Grünen gleich als neue, möglicherweise entscheidende Kraft der Zukunft:

Damit sind die Grünen in jener komfortablen Situation des Züngleins an der Waage, die im westdeutschen „Zweieinhalb-Parteiensystem“ von 1961 bis 1983 noch die FDP innehatte. Der Unterschied ist lediglich, dass die Liberalen noch die Wahl zwischen Union und SPD hatten, während die Grünen nun zwischen zwei Parteiblöcken – CDU/CSU und FDP auf der einen und SPD und Linke auf der anderen Seite – haben.

So treffend die Analyse von Marc Debus ist, man muss sie doch noch um einen Punkt erweitern: Das Lagersystem wie hier beschrieben wird hauptsächlich von den Liberalen errichtet. In nicht allzu ferner Zukunft werden sich die Freidemokraten die Frage stellen, wie konservativ sie eigentlich sind. Sie werden auch nicht um einen genaueren Blick auf die Schnittmengen mit der Union herum kommen. Wo das liberale Profil in den Koalitionsverhandlungen bleiben wird, werden die nächsten Tagen zeigen. Vielleicht wird man dann auch sehen, dass sich eine Schwarzgelbe Koalition nicht nur in den Verhandlungen etwas schwer tut, sondern dass sie in weiten Teilen ebenso wenig zusammen passt, wie manch andere Konstellation.

Um auf Debus zurück zu kommen: Aktuell sind nur die Grünen in der „komfortablen Situation des Züngleins an der Waage“. Doch auch die FDP kann sich diese Option wieder eröffnen. Mit manchen ihrer Positionen wir sie auch bei SPD und Grünen auf offene Ohren stoßen.

Bilder: Wahlplakate von CDU und FDP

Die Parteien und das Internet

Noch nie zuvor spielte das Thema Internet in einem deutschen Wahlkampf eine derart übergeordnete Rolle wie zur diesjährigen Bundestagswahl. An allen Stellen versuchten sich die Parteien gegenseitig mit ihren Kampagnen zu überbieten. Doch erweckte es den Eindruck, als ob das vielfach präsentierte „digitale Glanzpapier“ der Parteien lediglich aus Altpapier hergestellt wurde. Alle Parteien stellten dar, wie aktiv sie im Internet waren und was sie alles gemacht hätten, doch fragte man nach den Organisationsstrukturen hinter den Kampagnen, schaute man häufig in lange Gesichter. Noch immer wird das Internet an vielen Stellen als reine Präsentationsplattform von Wahlkampfmaterialien in digitaler Form angesehen. Wir haben deshalb den Test gemacht. Noch während des Wahlkampfes haben wir alle im Bundestags vertretenen Parteien angeschrieben und gefragt, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie im Rahmen des Bundestagswahlkampfes für ihre Onlineangebote beschäftigen.
 Das Ergebnis war ernüchternd, von den fünf angeschriebenen Parteien antworteten gerade einmal zwei promt und zwei antworteten erst gar nicht. Insgesamt meldeten sich auf die Frage nur CDU, Linkspartei und Bündnis90/Die Grünen. So schrieb die Linkspartei:

„Eine eindeutige Festlegung der Zahl der Kolleginnen und Kollegen, die sich mit sogenannten Neuen Medien befassen, ist leider schwierig zu ermitteln, weil unsere Redaktionen für Print- und Online-Medien zusammengelegt sind. In dem Arbeitsbereich „Redaktion“ des WahlQuartiers sind 20 Personen beschäftigt. Agenturseitig sind zwei – bei speziellen Projekten auch mehr – Mitarbeiter mit der Betreuung des Online-Wahlkampfes befasst.“

CDU:

„Ihre Frage nach den Mitarbeitern der neuen [Medien, M.K.] lässt sich nicht genau beantworten, da das Internet eine wichtige Querschnittsaufgabe in vielen Arbeitsbereichen der CDU-Bundesgeschäftsstelle darstellt. Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dauerhaft als Onlineredakteure bei der CDU. Zusätzlich beschäftigen sich im teAM Deutschland etwa 8-10 Personen schwerpunktmäßig mit Online-Aufgaben und 15 Personen sind im Schichtdienst für die Beantwortung der via Internet eingehenden Bürgeranfragen zuständig. Hinzu kommen dann noch zahlreiche Fachreferenten , die sich im Rahmen ihrer Aufgaben auch um Online-Angebote kümmern. […] Extern beschäftigen wir derzeit noch weitere Personen. Zwei bis drei Mitarbeiter von CDU TV und externe Programmierer und Grafiker in unserem Rechenzentrum. Das sind aktuell 5 Personen.“

Bündnis90/Die Grünen:

„In der Bundesgeschäftsstelle von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN arbeiten momentan 3 MitarberInnen im Bereich neue Medien, zusätzlich arbeiten c.a. 5 feste MitarbeiterInnen in den Agenturen im Rahmen unserer Accounts. Dazu kommen dann noch, je nach Bedarf, Teilzeitkräfte, Grafiker, Programmierer, etc.“

Was bleibt also als Fazit? Die deutschen Parteien sind auf dem richtigen Weg und erste neue und positve Ansätze sind zu erkennen. Doch solange das Internet an vielen Stellen weiterhin als reines Präsentationsmedium ohne Rückkanal gesehen wird, besteht noch viel Lernbedarf. Spannend bleibt deshalb auch die Frage, ob und in welcher Form das Internet in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielt. Politiker der verschiedensten Parteiströmungen hatten beispielsweise im Wahlkampf angekündigt, dass Überlegungen lohnenswert seien, einen Netzbeauftragten in der Regierung einzuführen. Ethusiastische Stimmen sprechen gar schon davon, dass zukünftig ein Ministerium das Thema Internet thematisch mit abdecken könnte. Woanders ist man uns da schon etwas voraus. Erst kürzlich erzählte Vincent Ducrey, seines Zeichens „French Government New Media Advisor“ der Sarkozy-Regierung (eine solche Bezeichnung erscheint in Deutschland nach wie vor wie ein Witz), dass er mit einem festen Team von 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die neuen Medien bespielen würden. Die Regierung Obama und ihren CIO Vivek Kundra (+ Team) muss man dabei erst gar nicht mehr erwähnen. Bildnachweis: flickr.com (kirklau)