Parteien im Web: Barrieren für Behinderte

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Mithilfe von Screenreader, Sprachausgabe und Braillezeile ist das Surfen möglich. Aber auch die Webseiten müssen einige Voraussetzungen mitbringen. Das Stichwort hierfür ist Barrierefreiheit. Wie sieht es in Sachen Zugänglichkeit bei den Kampagnen-Seiten der Parteien aus? Auch blinde und sehbehinderte Menschen möchten sich vor der Bundestagswahl über Personen, Programme und Themen informieren. Ist das möglich? Haben die Parteien an behinderte Bürger gedacht? Zusammen mit dem Accessibility-Experten Thomas Mayer habe ich die Startseiten der Parteien getestet.

CDU

CDU.de kommt sehr unübersichtlich daher. Es gibt keine Überschriften, die der Screenreader erkennen und anspringen kann. Ich muss mir die Seite komplett vorlesen lassen, weil ich auch keine Navigationsliste finde. Mich interessiert ein Video: „Eine Antwort auf die Angriffe der SPD“. Ich kann es nicht anklicken. Bei dem Kampagnen-Portal der CDU wurde offensichtlich nicht an Barrierefreiheit gedacht. Auffällig ist das Fehlen jeglicher HTML Strukturelemente. Die Schriftgröße kann im Internet Explorer nicht individuell eingestellt werden – das wäre für sehbehinderte User aber eine große Hilfe. Wichtige Inhalte, wie die Navigationsleiste in der rechten Spalte, sind als CSS-Hintergrundgrafiken angelegt. Damit sind diese Links für Nutzer von Screenreadern unzugänglich. Die Seite ist sehr Grafik-lastig, aber immerhin sind alle Bilder mit aussagekräftigen Alternativtexten versehen.

Fazit: Ungenügend.

SPD

Obwohl Parteien nicht gesetzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, erfüllt SPD.de viele Standards. Es wird neben der Standard-Version eine barrierefreie Ansicht ohne Animationen und JavaScript-Spielereien angeboten. Beide Versionen sind gut mit Überschriften und Listen strukturiert, alles lässt sich prima mit der Tastatur steuern und die Alternativtexte für Grafiken sind aussagekräftig. Als einzige Partei bietet die SPD Sprunglinks an, die es Tastaturbenutzern ermöglichen, direkt zum Inhalt der Seite zu springen.

Fazit: Gut.

FDP

Auch FDP.de hat strukturierte Listen und Überschriften, die mein Screenreader erkennt. Manche Grafiken und Überschriften bestehen für den blinden Leser aber nur aus Zahlen-Kolonnen. Es gibt kleinere Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung von Hintergrundgrafiken. Als einzige Partei bietet die FDP einen Styleswitcher an, mit dem die Nutzer die Schriftgröße verändern können.

Fazit: Befriedigend.

Grüne

Gruene.de begrüßt mich mit einem Link „Großbanken wie die Deutsche Bank müssen zu Transparenz gezwungen werden“. Ich erwarte aber als erstes eine übersichtliche Linkliste, so dass ich schnell die gewünschten Inhalte ansteuern kann. Diese Liste erscheint auf meiner Braillezeile aber erst ganz unten. Außerdem fehlen strukturierende Überschriften. Es werden zahlreiche Banner und Animationen eingesetzt. Bis auf einige Schaltflächen mit englischen Texten sind die Alternativtexte der Grafiken aussagekräftig. Trotzdem sind grafische Banner problematisch: Sie funktionieren nur bei einem visuellen Zugang und lassen sich nicht an individuelle Anforderungen (z.B. Schriftgröße oder Farbe) anpassen – somit können sehbehinderte User die Seite kaum nutzen. Weitere Probleme gibt es bei der Schriftvergrößerung. Die Schrift lässt sich zwar vergrößern, aber schon bei geringer Vergrößerung werden Inhalte abgeschnitten und sind nicht mehr lesbar. Auch bei den Grünen ist der Einsatz von Hintergrundgrafiken problematisch. Einige Bereiche, wie „Meine Kampagne“ oder der komplette Kopfbereich der Seite, sind dadurch unzugänglich.

Fazit: Mangelhaft.

Linke

Die-Linke.de erfüllt einige Standards der Barrierefreiheit: Überschriften und Listen sind so strukturiert, dass sie ein Navigieren vereinfachen. Grafiken haben einen Alternativtext. Die Linke verwendet für einige grafische Banner das HTML longdesc-Attribut. Dadurch sagt mein Screenreader bei einer Grafik „Drücken Sie Eingabe für lange Beschreibung“. Wenn ich das tue, kommt aber keine lange Beschreibung. Das Attribut wird falsch eingesetzt. Durch die Verwendung einer bestimmten JavaScript-Funktion in den Links der Navigation, ist das Angebot für Menschen, die keine Maus nutzen können und stattdessen mit der Tabulator-Taste durch eine Seite navigieren, im Internet Explorer praktisch nicht mehr nutzbar – somit schließt die Partei alle motorisch eingeschränkten User aus, die z. B. durch eine Spastik keine Maus benutzen können. Davon abgesehen gibt es noch Probleme mit der Schriftvergrößerung im Internet Explorer. Einige Bereiche lassen sich nicht vergrößern. Bis auf das Logo der Partei sind alle Grafiken mit Alternativtexten versehen.

Fazit: Mangelhaft.

Piraten

Piratenpartei.de kommt ohne Schnörkel daher. Für blinde und sehbehinderte Nutzer ist das erfreulicher als die Grafik- und Animationslastigen Angebote anderer Parteien. Anscheinend wird das Standard-Template des Content-Managment-Systems Drupal eingesetzt. Das ist aber kein Nachteil. Im Gegenteil, diese valide und gut strukturierte Vorlage ist eine gute Voraussetzung für eine barrierefreie Website. Es gibt eine Navigation, Grafiken sind mit Alternativtext beschriftet. Spezielle Optimierungen bezüglich der Barrierefreiheit sind aber nicht erkennbar.

Fazit: Befriedigend.

Zusammenfassung

Bis auf das Angebot der SPD hat jede Website größere und kleinere Probleme mit der Barrierefreiheit. Nur bei der SPD ist erkennbar, dass das Thema Barrierefreiheit bei der Entwicklung berücksichtigt wurde. Befriedigend sind die Auftritte der FDP und der Piratenpartei. Diese Websites wurden nicht speziell auf Barrierefreiheit optimiert. Sie profitieren aber von ihrer zeitgemäßen Umsetzung, die eine Grundversorgung in Sachen Barrierefreiheit sicherstellt. Die Grünen haben vor allen Probleme mit der individuellen Anpassbarkeit ihrer Inhalte. Die Linke disqualifiziert sich durch nur einen kleinen aber sehr schwerwiegenden Fehler. Nicht akzeptabel ist das Angebot der CDU.

Die Autoren:

Heiko Kunert (33) ist Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH). Er erblindete mit sieben Jahren durch einen Tumor. In seinem Blog und bei Twitter schreibt er über seine Arbeit und das blinde Leben in Hamburg.

Thomas Mayer (41) arbeitet für den BSVH als Berater im Projekt „barrierefrei informieren und kommunizieren“. BIK testet Websites auf ihre Zugänglichkeit und informiert Agenturen, Unternehmen und Behörden bei der Gestaltung ihrer Internet-Angebote.

ProSieben ruft zum Wählen auf

gehwaehlenNun ist auch das Fernsehen ganz groß in die Nichtwähler-Werbung eingestiegen und fährt mit der hauseigenen Prominenz von Stefan Raab bis Kai Pflaume, mit Sportlern und Moderatoren eine hochkarätige Starsammlung auf. Vor allem bei jüngeren Menschen will die Sendergruppe aus ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und N24 damit punkten.

In einem grafisch sehr schön umgesetzten Intro auf der Internetseite heißt es:

Gehst du? Theoretisch könnte eine Stimme die Wahl entscheiden. Theoretisch könnte Deine Stimme entscheiden, wer Deutschland vertritt: Beim G8 Gipfel. Im UN-Sicherheitsrat, Bei der Weltklimakonferenz. Theoretisch könnte deine Stimme entscheiden, ob der Meeresspiegel steigt oder die Mönchsrobben aussterben und 1000 andere Tiere. Ob die Wirtschaft wächst ob die steuern wieder sinken, ob deine Eltern mehr Rente bekommen, ob deine Kinder mehr Bildung bekommen und 1000 andere Dinge. Du entscheidest.

Auf der Internetseite der Kampagne kann man sich ausgewählte Spots einiger ProSieben-Prominenter ansehen, in der Galerie finden sich dann alle (?) Teilnehmer abgelichtet. Was bei der Internetseite ganz offensichtlich fehlt, ist der Rückkanal. Im Gegensatz zu der Kampagne „Geh nicht hin„, die vor ein paar Wochen anlief, scheint es niemanden zu interessieren, was die kommenden Wähler und Nichtwähler denken. ProSiebenSat.1 ist schon damit zufrieden, die Meldung abgesetz zu haben. „Geh wählen!“.

Dennoch wird der Wahlaufruf von ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und N24 wohl der reichweitenstärkste seiner Art sein – und hoffentlich etwas bewegen. Denn die Macher haben schon recht: Deine Stimme entscheidet.

ichgehe

Bilder: ichgehe2009.de

Wahlprogramme 2009

Dialogbereitschaft der Parteien findet man nicht im Onlinewahlkampf 2009 und man hat sich schon damit abgefunden. Aber die Parteien scheitern im Netz schon daran, den Wählern von oben herab zu erklären, wofür sie eigentlich antreten.

Obwohl nicht mehr viele Wochen bis zur Bundestagswahl bleiben, scheinen die Parteien selbst ihre Wahlprogramme verstecken zu wollen. Mitten im Wahlkampf erwartet man doch einen Verweis zu den Wahlprogrammen, der prominent auf der Startseite platziert ist – doch man muss sich in einigen Fällen erst mühsam durch die halbe Internetseite klicken.

Programme nur als PDF

Leider haben die Parteien auch nicht aus den letzten Wahlen gelernt. Weiterhin sucht man vergeblich nach visualisierten oder zumindest zusammengefassten Wahlprogrammen. Stattdessen bietet man den Nutzern nur die üblichen nutzerunfreundlichen Komplettprogramme in pdf-Form.  Immerhin bieten die meisten Parteien wenigstens eine Auflistung ihrer wichtigsten Ziele an. Mal in Form einer Top 8, mal als Top 10. Die Linkspartei sowie die Piratenpartei sind die einzigen, die ihre Wahlprogramme auch in html anbieten und damit den Zugang insgesamt erleichtern.

Eine Besonderheit bietet die FDP an, die in einer Synopse die Wahlprogramme der fünf großen Parteien gegenüber gestellt hat. Das macht das Vergleichen immerhin ein bischen einfacher, auch wenn man sich durch 67 eng beschriebene Seiten arbeiten muss.

Um zumindest den Suchprozess zu vereinfachen listen wir im folgenden die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Linkspartei und Piratenpartei. Als Veranschaulichung haben wir von allen Parteiprogrammen Wortwolken erstellt. Um die zentralen Inhalte der Programme darzustellen, haben wir Kopf- und Fußzeilen entfernt und den reinen Text bei wordle nach seiner Gewichtung sortieren lassen.

CDU

cdu

Das Wahlprogramm der CDU als
PDF (2,5 MB) | In 10 Punkten

SPD

spd

Das Wahlprogramm der SPD als
PDF (0,5 MB) | In 8 Punkten

FDP

fdp

Das Wahlprogramm der FDP als
PDF (0,3 MB) | Video

Bündnis 90/Die Grünen

Grün

Das Wahlprogramm der Grünen als
PDF (1,2 MB) | In 10 Punkten

Linkspartei

linke

Das Wahlprogramm der Linken als
PDF (0,3 MB) | Internet

Piratenpartei

piraten

Das Wahlprogramm der Piraten als
PDF (0,4 MB) | Internet

Liste der twitternden MdBs

Nachdem unsere bisherige Liste der politischen Twitterer einfach nicht mehr zu pflegen war, haben wir uns entschieden, den Kreis etwas zu verkleinern. In Zusamenarbeit mit wahl.de listen wir jetzt alle offiziell twitternden Bundestagsabgeordneten auf. Die Liste wird durch wahl.de immer wieder überarbeitet und ergänzt, alle erschienen Accounts sind bestätigt und somit keine Fakes. Der Vorteil: Sortierbar nach Parteizugehörigkeit, Bundesland oder schlicht der Anzahl der Follower kann man jederzeit einen Überblick über die twitternden MdBs erhalten.

twitterndebundestagsabgeordnete

Wahlplakate 2009

Nur noch anderthalb Monate sind es bis zur Bundeswahl und allmählich haben alle Parteien ihre diesjährigen Wahlplakate vorgestellt. Auf homopoliticus.de finden sich alle Plakatmotiven von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Linken mit einer Analyse von Achim Schaffrinna.

Interessant ist die Verteilung von Themen- und Personenwahlkampf unter den Parteien. Die Kanzlerinnenpartei CDU stellt ihre beliebten (und manche unbeliebtere) Spitzenpolitiker rund um Angela Merkel auf. Die SPD setzt dagegen auf einen Themenwahlkampf für Frank-Walter Steinmeier, der als einziger Spitzensozialdemokrat ein eigenes Plakat erhält. Auf der anderen Seite des Spektrums setzen die Grünen durchweg auf Inhalte und werfen mit einer schon unüberschaubaren Menge an Forderungen um sich. Wer soll bei 11 Themenplakaten noch durchblicken? Die Spitzenkandidaten Trittin und Künast jedenfalls fehlen auf den Plakatmotiven (Update: Mit Dank an Till Westermayer haben wir die Personenplakate der Grünen eingefügt). Den ausgewogensten Mix zwischen Themen und Köpfen zeigt die Linkspartei, die Lafontaine und Gysi mit gleich 4 Motiven prominent neben den 6 Themenplakaten positioniert.

Für uns kommentiert Achim Schaffrinna vom Design Tagebuch die Gestaltung der Wahlplakate 2009. Vielen Dank dafür.

CDU

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Die gestalterische Qualität zeigt sich in vielen Bereichen. Das Farbkonzept ist ausgereift. Blaue Töne schaffen Vertrauen, die dank der türkisfarbenen Akzente, die mal dezent und mal stärker gesetzt sind, keine Schwere und keine Trägheit verkörpern, sondern eine lebendige Frische ausstrahlen. Orange als fester Bestandteil des Corporate Designs der CDU ergänzt das Konzept. Der variable Aufbau und die Ausrichtung der typografischen Elemente unterstreicht diese Lebendigkeit, die man in der hier gezeigten Galerie wunderbar veranschaulicht sieht. Bei der Typografie fiel die Wahl – trotz eigener Hausschrift („CDU Kievit“) – auf die Helvetica, die bauchiger ist und weiter läuft. Der enge Zeilenabstand in Kombination mit Großbuchstaben lässt die Plakate zeitgemäß erscheinen. Das Besondere an den Plakaten ist, dass sie nicht in Baukastenmanier entstanden sind – also anderer Kopf rein > neue Überschrift > fertig – sondern ausgehend von der Fotografie jeweils eine individuelle Anordnung von Text und Bild geschaffen wurde. Einzig das CDU-Logo ist als feste Konstante stets rechts unten eingebunden. Die Fotos selbst sind allesamt Momentaufnahmen und keine Porträts. Auch das unterscheidet sie von den Mitbewerbern. In Photoshop wurde nachträglich hier ein Blendenfleck und da ein Weichzeichner angelegt um den Eindruck des Flüchtigen zu unterstreichen. Das Konzept hinter den Plakaten lautet: Natürlichkeit ist Trumpf.

Fazit: Tolle Arbeit. Feine Plakate. Würde man nicht eine Partei wählen, sondern die Gestaltung der Plakate, wäre dies mein Favorit.

SPD

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Nach der mutigen, gestalterisch einzigartigen und von einigen Seiten kritisierten SPD-Kampagne zur Europawahl fallen die Plakate zur Bundestagswahl doch eher gewöhnlich aus. Aufmacher der Plakate sind Textbotschaften, die in imposanter Größe und Stärke, gesetzt in der SPD-Hausschrift „TheSans“, auch bei schneller Vorbeifahrt noch aufgeschnappt werden können. Die Aufbereitung eines Informationskonzentrats, dass leicht konsumiert werden kann, ist ein tragendes Moment solcher Wahlwerbeplakate. Statt Köpfe werden Gründe präsentiert, die sich die Bundespartei vielleicht vom Oberbürgermeister von Hannover Stephan Weil „abgeguckt“ hat. Neben der rein typografischen Serie, gibt es eine Linie, in der Menschen wie du und ich „ihren“ Grund benennen. Gutausehend sind sie. Die Attraktivität der abgebildeten Menschen soll bestenfalls in Form eines Image-Transfers auf die Partei abfärben. So jedenfalls die Philosophie hinter der Testimonial-Idee. Die Fotos sind inszeniert, wirken aber natürlich.

Fazit: Handwerklich gibt es nichts zu bemängeln. Das lässt sich auch zum Corporate Design der SPD sagen, obwohl ich mich immer noch mit dem neuen 3D-Logo der SPD schwer tue. Gestalterisch können sie nicht an die provozierende EU-Serie anknüpfen.

FDP

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Einheitskost par Excellence! Diese Art der Wahlwerbung kennen wir seit Jahrzehnten und nehmen sie kaum noch zur Kenntnis. Da hilft auch das schreiende Gelb nicht. Ein Lächeln für die Kamera. Die Deutschlandfahne dezent im Hintergrund und eine, teils schlecht gesetzte Überschrift. Das ist stereotyp, abgegriffen und ebenso einfallslos wie die Botschaft „Mehr Netto vom Brutto“. Im Plakat von Otto Solms steht das gelb gesetzte „besser“ auf gelbem Untergrund. Oh wei. Liebe FDP-Plakat-Gestalter, das geht deutlich besser. Bitte denkt doch an die Menschen, die die Botschaften lesen sollen.

Fazit: Die Gestaltung, soviel lässt sich ablesen, ist kein Schwerpunkt der FDP. Sie liefert mit weitem Abstand das konservativste Angebot zum Thema Wahlwerbung.

Grüne

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Nachdem WUMS gestalterisch eher nach hinten los ging, sind die Grünen wieder näher bei sich, wie ich meine. Die Plakate sind im rohen Graffiti-Look angelegt. Natürlich geht heute keiner mehr mit der Sprühdose los. Mit entsprechender Werkzeugspitze werden Schriftzüge und Bildelemente detailverliebt in Photoshop erstellt. Das ist handwerklich gekonnt. Ganz bewusst werden Schablonenkanten mit der Maus gesetzt, um den Eindruck zu vermitteln, man sei wild, rebellisch und authentisch. Street-Art ist ganz nah bei den Menschen. Das steckt hinter dem Konzept. Ich finde es gar nicht verwerflich, dass sich hier keiner die Finger mit Farbe schmutzig gemacht hat sondern nur der Anschein erweckt wird, man hätte die Wände besprüht. Der Aufbau nutzt, anders als SPD, FDP und Die Linke, keine Schablone. Man möchte meinen, je nach Lust und Laune wurden bildhafte Elemente und knackige Begriffe arrangiert. Grün, Gelb, Rot, Blau und Magenta erzeugen ein buntes Miteinander. Passt ja durchaus zu den Vorstellungen der Partei in Bezug auf das Zusammenleben von Menschen.

Fazit: Die Grünen präsentieren ein Design, das passt. Hinter der Unordnung steckt handwerkliche Akribi. Wer allerdings grundsätzlich die Partei nicht mag, dem wird vermutlich auch das Spröde und das Rohe in der Gestaltung nicht zusagen.

Die Linke

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Die Schriftart Helvetica findet sich bei der CDU und auch bei den Linken. Wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten der Parteien. Allerdings sieht man sie bei den Linken in einer sehr eng gestellten Form, die natürlich den Vorteil hat, dass man auf kleinem Raum viel unterbringen kann. Die Farbkombination Schwarz, Weiß, Rot ist alles andere als politisch unbelastet. Die schwarzen Lettern, in Kombination mit der scharf abgesetzten roten und weißen Fläche, wirken nicht nur nicht frisch und wenig natürlich, sie erscheinen aggressiv. Das Ausrufezeichen hinter jeder Überschrift ist gar nicht notwendig. Die Gestaltung selbst unterstreicht jede einzelne Forderung. Insofern ist es eigentlich eine gute Gestaltung, mögen muss man sie aber deswegen nicht. Stilistisch ist sie mir einfach zu hart, zu kompromisslos. Gerade die Bereitschaft zu Kompromissen zeichnet die Politik aus. Den Fotografien wiederum fehlt jede Stringenz und jeder Biss. Mal hängt die Unterlippe von Gisy schief und mal blickt Lafontaine offenbar vollkommen geistesabwesend in die Kamera. Das sind dann auch die einzigen Köpfe, die bei der Linken gedruckt wurden. Die anderen lassen ihren Hintern ablichten.

Fazit: Laut und wuchtig ist die Gestaltung. Hier werden keine feinen Töne angeschlagen. Auch wenn man den Stil nicht mag, so ist die Ausarbeitung der Plakate immer noch präziser als das Werk der FDP.

Soweit der Blick als Gestalter auf die Wahlplakate zur Bundestagswahl 2009. Ich fands spannend die Plakatserien der Parteien im Umfeld von Homo Politicus kommentieren zu dürfen. Überraschend ist für mich, dass die CDU in Bezug auf die Gestaltung gar nicht mal so konservativ erscheint, wie es ihrer Programatik entspricht. Sie gibt sich optisch jung, frisch und zeitgemäß. Die Grünen und die SPD liefern ansprechende Lösungen. Die Linke poltert in ihrem Erscheinungsbild und die FDP hat den Anschluss verloren und dümpelt im Design von gestern.

Achim Schaffrinna ist Diplom-Designer und Autor des Fachblogs Design Tagebuch. Lange Zeit im Agenturumfeld, arbeitet er heute als Leiter Design bei Madsack Online in Hannover und betreut dort seit Juni 2009 die digitalen Angebote des Verlagshauses Madsack.

Fotos: cdu.de, wahlkampf09.de, fdp.de, gruene.de, die-linke.de